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Leisnig: 04. April 1998 - AntifaDemo

Die Menschenrechte wahren -

Neonazis den Nährboden entziehen


Leisnig - 04. April 1998

15.00 Uhr Bahnhof

Leisnig ist eine alte Stadt im Freistaat Sachsen mit historischem Stadtkern
und großer Burganlage. In malerischer Berglage an der Freiberge Mulde 220m
über Normalnull gelegen, ist sie auch als Stadt der Baumblüte bzw. "Stadt
auf dem Berge" bekannt. Leisnig befindet sich im Regierungsbezirk Leipzig,
Landkreis Döbeln, hat rund 8000 EinwohnerInnen und jeder davon will, daß
Leisnig eine schöne, am besten eine ruhige Stadt ist und bleibt. Die CDU
regiert mit einer absoluten Mehrheit und stellt den Bürgermeister Heiner
Stephan.

Die Leisniger Jugend trifft sich an verschiedenen Plätzen, so z.B. auf dem
Markt, an der Postmeilensäule oder am Apian-Denkmal. Fast am Rande der Stadt
steht ein Asylbewerberwohnheim, in dem 70 Afghanen leben.

Aber:

Die Entwicklung der Neonaziszene von 1991 bis 1996

Nach der Wende bildete sich in Leisnig schnell eine rechte Szene, die nach
und nach mehr Jugendliche um sich sammelte.

Es formierte sich die Gruppe "Jungsturm Leisnig" (JSL). Eine Gruppe, die
weniger durch ihre politische Arbeit glänzte, als sich durch primitive
Gewaltexzesse hervortat. Auf ihr Konto geht auch der Überfall auf das
Leisniger Asylbewerberwohnheim in der Nacht vom 23. zum 24. Februar 1991. Es
gab zahlreiche, zum Teil Schwerverletzte. Da bei dem Überfall auch die
gesamte Einrichtung des Wohnheims demoliert wurde, wurden die Flüchtlinge
nach Delitzsch verlegt. Dort starb ein Afghane, weil er, so meldete die
Presse, nicht ausreichend versorgt wurde. Am 17. / 18. August 1991 wurde ein
Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim verübt. Dabei erlitten mehrere
AsylbewerberInnen Brandverletzungen.

In der Silvesternacht 1993 trafen sich einige Studenten mit Kerzen in den
Händen auf dem Markt. Leisniger Neonazis vermuteten dabei einen politischen
Hintergrund und überfielen diese

Gruppe. Dabei wurde ein Student schwer verletzt und mußte ins Krankenhaus
eingeliefert werden. Danach wurde es Leisnig etwas ruhiger.

Doch am 22. Juni 1996, zur 950 Jahrfeier der Stadt, gab es erneut einen
Überfall auf das Leisniger Asylbewerberwohnheim. 40 Neonazis aus Leisnig und
Umgebung versammelten sich vor dem Heim und provozierten die Heimbewohner.
Nach einer kurzen Auseinandersetzung griff die Polizei ein und nahm einige
der Angreifer fest.

Es gibt in Leisnig aber nicht nur das Problem mit offensichtlichem
Faschismus sondern auch mit alltäglichem Rassismus, so z.B. der Eisverkäufer
am Markt, der keine farbigen MitbürgerInnen bedienen will.

Wer die Vergangenheit vergißt, wird sie in der Zukunft wiedererleben !

Chronik neofaschistischer Aktivitäten in Leisnig 1997

Januar ?97

In der Silversternacht werden Jugendliche auf dem Leisniger Markt von
Neonazis brutal zusammengeschlagen.

Februar ?97

Im Jugendclub "Terrasse" treffen sich regelmäßig und an den Wochenenden
bis zu 70 Neonazis aus Leisnig und Umgebung, unter anderem auch aus
Colditz und Wurzen. So kommt es auch hier zu Übergriffen, es werden
Autos mit Baseballschlägern und Eisenstangen beschädigt, Besucher ohne
Vorwarnung verprügelt und faschistische Ideologie durch Musik und
Propagandamaterial verbreitet. Der Jugendclub wird monatlich mit 300 DM
von der Stadt gestützt.

März ?97

Auf Grund verstärkten Drucks der Öffentlichkeit entschließt sich der
Betreiber den Jugendclub "Terrasse" aufzugeben.

Am vorletzten Märzwochenende überfallen Neonazis aus Torgau-Oschatz und
Colditz-Hausdorf zum wiederholten Male den Zschoppacher Jugendclub.
Personen werden nicht verletzt (Jugendclub war geschlossen). Die
Fensterscheiben werden eingeschlagen und das Inventar stark beschädigt.

April ?97

05.04.97:

In Keuern in "Dost?s Gasthof" findet eine Veranstaltung der DSU statt.
Als Redner tritt Dr. Piere Krebs, ein bekannter Rechtsextremist und
Leiter des Thule-Seminars auf. Etwa 40 AntifaschistInnen demonstrieren
daraufhin spontan vor der Nazikneipe. Ein Polizeikommando schützt die
Veranstaltung.

Mai ?97

01.05.97:

In Grimma demonstrieren gegen 10.00Uhr ca. 200 Neonazis. Das anwesende
Polizeikommando greift nicht ein.

Mehrere Leisniger Neonazis beteiligen sich an den verbotenen
Aktivitäten der NPD in Leipzig.

08.05.97:

Am späten Abend versammeln sich auf dem Leisniger Markt, vorm "Alibi"
(Kneipe) mehr als 20 Neonazis aus Leisnig und Umgebung und grölen
Parolen wie "Hier marschiert der nationale Widerstand". Daraufhin kommt
es zu Diskussionen zwischen den Besuchern des "Alibi" und den Neonazis,
dabei wird ein Neonazi handgreiflich und verletzt zwei Personen. Die
Polizei greift ein, in dem sie allen Anwesenden Platzverweis erteilt.

Björn Zenschner aus Minkwitz (Vorort von Leisnig) wird wegen
Beleidigung angezeigt, nachdem er farbige MitbürgerInnen rassistisch
beschimpft hat.

Juli ?97

28.07.97:

Gegen 19.15Uhr kommt es auf dem Leisniger Markt zu einem Anschlag auf
eine Gruppe Jugendlicher. Von einem Fahrzeug aus wurde auf die
Jugendlichen geschossen. Bei dem Schützen handelt es sich um den
16jährigen Jörg Wettzorke, der gegenüber der Polizei die Tat gestand
und wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Dieser Neonazi ist der Polizei
bereits als Rechtsextremist und Straftäter bekannt, weil er schon
früher bei Überfällen auf ausländische Mitbürger festgenommen (Überfall
auf polnische Gastarbeiter in Dürrweitzschen) wurde.

August ?97

17.08.97:

Zum Gedenken an den 10. Todestag von Hitlerstellvertreter Rudolf Heß
planen Neonazis eine Demonstration in Leisnig, welche glücklicherweise
nicht stattfindet. An einem Auto aus der Umgebung, das über den Markt
fährt ist provokativ eine Reichskriegsflagge angebracht. Schon 14 Tage
vorher wurden in Leisnig massiv Aufkleber unter dem Motto "Rudolf Heß -
Märtyrer des Friedens" und "Rudolf Heß - Auf zum Gedenkmarsch" geklebt.

Ab dem 19.08.97:

Am Apian-Denkmal treffen sich Faschos aus Leisnig und Umgebung und
hören öffentlich verfassungswidrige Musik unter anderem von der Band
"Radikahl" mit Textstellen wie "wir hissen die rote Fahne mit dem
Hakenkreuz". Sie tragen Gaudreiecke und andere verbotene nazistische
Symbole.

Von hier aus werden Gewalttaten mit faschistischen und rassistischen
Hintergründen geplant und auch ausgeführt.

25.08.97:

Ein Großaufgebot der Polizei, u.a. SOKO REX und LKA, stellt die
Personalien der am Apiandenkmal befindlichen Faschos fest, dabei wird
ein Neonazi festgenommen, der vorher einen Jugendlichen
zusammengeschlagen hatte.

26.08.97:

Wieder gibt es eine Schlägerei im Stadtzentrum, bei der ein
Jugendlicher von einem Fascho leicht verletzt wird. Die Polizei
schreitet nicht ein.

Oktober ?97

10.10.97:

Nach 23.00Uhr versuchen fast 20 Neonazis in das Gelände des Leisniger
Flüchtlingsheimes einzudringen. Ein Heimbewohner stellt sich ihnen in
den Weg. Dabei mißhandeln sie ihn mit Baseballschlägern und schießen
ihm mit einer Gaspistole ins Gesicht. Er muß medizinisch versorgt
werden. Die Angreifer flüchten nach dieser Aktion unerkannt.

21.10.97:

Gegen 16.30Uhr wird ein Asylbewerber aus Afghanistan im Zentrum von
Leisnig von einem Neonazi mit einem Bleirohr zusammengeschlagen. Der
Afghane hat eine gebrochenen Nase und Verletzungen am Bein. Er wird zum
Krankenhaus gebracht.

November ?97

22.11.97:

Im Schützenhaus in Leisnig soll ein Faschokonzert mit der Band
"Proissen Heads" stattfinden, das als Geburtstagsparty getarnt ist.
Mehr als 300 Neonazis, darunter auch bekannte NF-Mitglieder sind im
Schützenhaus. Die Polizei räumt das Gebäude erst aufgrund massiven
Drucks aus der Öffentlichkeit.

Einige Konzertbesucher versuchen bewaffnet in das Asylbewerberheim
einzudringen, nur durch einen Hinweis greift die Polizei rechtzeitig
ein und verhindert den geplanten Überfall.

Leisnig und Umland nicht in Nazihand !

Rechte Organisationen und Gruppierungen in Leisnig und Umgebung

Der Landkreis Döbeln ist ein Zentrum für organisierte Plattformen aus dem
rechten Spektrum. In den letzten Jahren haben sich hauptsächlich in Döbeln
und Leisnig, sichtbare Strukturen aus dem braunen Netzwerk angesiedelt,
vertreten durch verschiedene Organisationen und Gruppierungen.

Ihre Forderung, "Die Nationale und Antikapitalistische Wirtschaftsordnung"
jetzt zu schaffen, ist der Versuch, mit sozialer Demagogie und in
scheinbarer Solidarität mit den am stärksten von Arbeitslosigkeit und
Sozialabbau betroffenen Teilen der Bevölkerung, ihre Ziele zu erreichen.
Eine besondere Stellung nimmt hier die NPD ein, die ein Sammelbecken für
Rechtsextremisten darstellt. In Leisnig gibt es ein aktives Parteipotential
der NPD.

Entwicklung:

Der ehemalige Anstaltsleiter der Landesklinik für Psychiatrie Hochweitzschen
und Vorsitzender des DVU-Landesverbandes Sachsen wirbt in der Bevölkerung
öffentlich BürgerInnen für seine Partei. Nach Bekanntwerden muß er seinen
Posten als Anstaltsleiter aufgeben.

Noch 1994 gibt es aktive Mitglieder der verbotenen "Nationalen Front" in
Leisnig, besonders zu erwähnen sind die bekannten Neonazis Uwe
Schwarzenhols, auch in der Vikingjugend aktiv, und Björn Zenschner.
Letzterer fällt im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen rechtsradikalen
Hintergrundes auf und wird als Anwerbungskader der NF geführt. Er versorgt
die Leisniger Faschoszene mit Informationen und Propagandamaterial.

Die Kameradschaft Mittelsachsen, im Zusammenhang mit dem Besitzer eines
Antiquitätenladens, Thomas Mallkowskie, der die rechtsextreme Zeitschrift
"Neue Werte" herausgibt, nimmt eine wichtige Position in der Neonaziszene
ein. An dieser Zeitung arbeitet unter anderen auch Uwe Schwarzenhols mit.

Am 05. April 1997 findet in "Dost?s Gasthof" eine von großem Polizeiaufgebot
geschützte Versammlung der DSU statt. Als Redner tritt der bekannte
französische Rethoriker Dr. Pierre Krebs, ein bekannter Rechtsextremist in
Erscheinung. Ein Großteil der Besucher stammt aus dem NPD-Umfeld.

Am 10. Juni 1997 gründet sich der Kreisverband Döbeln der NPD und der JN,
zur Zeit die populärste Partei des braunen Netzwerkes und Auffangbecken für
Mitglieder zerschlagener Neonaziorganisationen, unter Leitung von Anja
Ubricht.

Seit Ende August ´97 wird im Landkreis Döbeln, insbesondere in den Städten
Leisnig und Döbeln, massiv Propagandamaterial faschistischer Organisationen
verteilt.

Nehmen wir den Nazis den Platz für ihre Organisationen !

Ignoranz der Behörden

Das Problem des Neofaschismus in Leisnig wird durch die Verantwortlichen der
Stadt Leisnig meist überspielt. Gerade Heiner Stephan (Bürgermeister) und
der CDU-Fraktionsvorsitzende Manfred Wehrmann argumentieren in der
Öffentlichkeit über Vorfälle und klare Fakten hinweg. Dabei wird nicht nur
behauptet, daß "Leisnig kein Nazitreff" sei (Zitat: H. Stephan, Döbelner
Anzeiger 25.10.97), was alleine schon durch die Anzahl der Polizeieinsätze
gegen rechte Gewalttäter widerlegt wäre, sondern auch ohne jeden Grund
gefordert: "Doch auch Asylbewerber müssen sich so benehmen, daß sie keinen
Anlaß zu Anschlägen geben ..." (Zitat: M. Wehrmann, Döbelner Anzeiger
25.10.97).

Vielmehr versucht die Stadt mit Alibiprojekten, wie dem Jugendclub
"Terrasse" ihr Ansehen im Thema Jugendarbeit zu verbessern. Der klägliche
Versuch endet als Treffpunkt der Neofaschistischen Szene, von wo aus sich
die Faschos formieren, gewalttätig agieren und ihre Ideologie durch Musik
und Propagandamaterial verbreiten können.

Anstatt das neofaschistische Problem an der Wurzel zu fassen, wird in
Leisnig ein konstant ignoranter Kurs weitergefahren, der die Formierung des
rechten Konsens in Leisnig nicht im Geringsten einschränkt. Im Gegenteil:
Mit Aussagen in der Tagespresse wird gezielt gegen AntifaschistInnen
argumentiert und anstatt Jugendprojekte mit geschultem Fachpersonal zur
Verfügung zu stellen, gestaltet die Stadt nichts außer Perspektivlosigkeit.

Wir denken, daß das Problem auf keinen Fall gelöst werden kann, indem man es
ignoriert, wenn man überhaupt Ignoranz unterstellen darf.

Deshalb ist es unser Anliegen, gemeinsam mit den Leisniger BürgerInnen ein
Zeichen zu setzen, gegen einen Neofaschismus, der ein bedrohliches Ausmaß
annimmt.

Probleme werden unlösbar, indem man sie nicht erkennt !

Aufruf:

Es gab und gibt sehr viele Beweggründe für eine antifaschistische
Demonstration in Leisnig. Ein wichtiger Grund dafür ist, daß es die Stadt
Leisnig nicht geschafft hat, das Problem des Neofaschismus seit 1990 in den
Griff zu kriegen. Dies zeigen besonders die Jahre 1996/97, wo wieder
verstärkt Neonazis aus Leipzig und dem Muldentalkreis in Aktion treten um
ihren traditionellen Schwachsinn unters Volk zu bringen. Dabei interessiert
es die Stadt Leisnig, insbesondere den Bürgermeister Heiner Stephan, sehr
wenig, daß man Ausländer und ihr Asylbewerberwohnheim mehrmals angegriffen
hat oder das man auf andersdenkende Jugendliche einschlägt oder sie sogar
mit Signalmunition beschießt. Deshalb soll diese Demonstration auf das
Problem der faschistischen Szene und die anderen rassistischen Mißstände,
die vom Bürgermeister immer noch geduldet werden, in Leisnig aufmerksam
machen.

Unser Ziel soll es sein, die Stadt nicht zu einem Treffpunkt für Nazis
verkommen zu lassen. Um dieses Ziel zu erfüllen, werden wir weiterhin eine
verstärkte Öffentlichkeitsarbeit leisten, die der Bevölkerung zeigen soll,
daß die rechte Szene in Leisnig sehr aktiv ist.

Wir haben die Lügen satt, die uns Kommunalpolitiker erzählen und es leugnen
wollen, daß Faschismus und Rassismus in der Stadt allgegenwärtig ist.
Unseren Unmut darüber wollen wir mit dieser Demonstration zum Ausdruck
bringen, denn Politiker sind mitschuldig, wenn sie faschistische Tendenzen
zulassen und ihnen den Konsens geben, den sie benötigen.

Lassen wir es nicht zu, daß die Faschos ihren Aktionsradius ausdehnen und
ihre Strukturen aufbauen können!

Nennen wir endlich Namen von Politikern, die Mitschuld sind an diesem
Zustand in Leisnig!

Deshalb kommt mit uns am 04.04.98 zur Demo!

Lassen wir die Faschisten nach dieser Demonstration mit ihrer Unsicherheit
zurück !

Antifa RDL

Unterstützer:

Antifa RDL, Aktion Leisniger Bürger, Infoladen Leisnig, Freies Bürgerforum
Landkreis Döbeln, JUSO AG - Roßwein, DGB Ortskartell Döbeln - Roßwein,
Autonome Antifa Mittweida, R.O.T.K.Ä.P.C.H.E.N., AG Freizeit und Reisen,
Antifaschistisches Schulnetz Leipzig, Autonome Antifa Westsachsen, AZ
Barrikade Freiberg, ...

 

31.03.1998
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