Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
Die "Karawane"-Bewegung begann kurz vor den Bundestagswahlen 1998.
Unter dem Motto "Wir haben keine Wahl, aber eine Stimme!" reisten wir in
35 Tagen durch 44 deutsche Städte und ermöglichten Zehntausenden
von Flüchtlingen ihre politischen Forderungen zu artikulieren. Dort
wurde der Grundstein dafür gelegt, unter Flüchtlinge und MigrantInnen
aus Afrika, Südamerika, Asien und dem Nahen Osten sowie deutschen
AntirassistInnen und AnifaschistInnen eine zielgerichtete Einheit zu bilden.
Doch es ist nicht nur die Angst vor Abschiebung oder der persönlich
erlebte Rassismus, die uns zusammengebracht haben:
Während des G8-Gipfels 1999 in Köln drückten wir unter
dem Motto "Wir sind hier, weil Ihr unsere Länder zerstört", ein
weiteres Mal unsere politischen Forderungen aus. Mit einem Hungerstreik
klagten wir als Flüchtlinge aus vier Kontinenten die Herrschenden
der westlichen Industrienationen vor der Weltöffentlichkeit an. Um
ihre Profite zu maximieren, unterstützen die westlichen Staaten die
diktatorischen und faschistischen Regime in unseren Herkunftsländern.
Auf diese Weise schaffen sie erst die Ursachen für unser Leid und
unsere Flucht.
Als wir begannen, für unsere Rechte zu kämpfen, sahen wir
uns anfänglich verstärkten Repressionen ausgesetzt,. Doch in
den letzten eineinhalb Jahren waren wir zunehmend darin erfolgreich, gerade
diejenigen zu verteidigen, die sich trotz der Gefahren engagierten und
sich unserem Kampf anschlossen. Außerdem begann die Karawane als
Netzwerk zwischen verschiedenen Städten und Nationalitäten zu
fungieren und legte somit das Fundament dafür, als eine starke und
ernstzunehmende Bewegung in Kraft zu treten.
Schon wird unser Kampf von den Industrienationen auf eine höhere
Ebene gezogen, mit immer neuen technischen Innovationen rüsten sie
ihren Repressionsapparat auf, um "ausländische Kriminelle" fernzuhalten
oder sich ihrer zu entledigen. Gleichzeitig wird mit geschickter Propaganda
die Plünderung unserer Länder gerechtfertigt und gedeckt und
die brutale Unterdrückung jeglichen Widerstandes verschleiert.
Wir denken, daß es nun an der Zeit ist, zu reflektieren; genauso
besteht aber auch die Notwendigkeit, den Kampf unvermindert fortzuführen.
Wir müssen einerseits unsere Errungenschaften und Erfolge festigen
und ausbauen, aber auch neue Überlebens- und Widerstandsstrategien
erwägen. Die Kafkaeske Festung Europa wird zu einem sehr realen Alptraum
für Flüchtlinge. Wenn schon "gewöhnliche" europäische
BürgerInnen zum Spitzeltum und der Beteiligung am Kampf gegen den
imaginären Feind von außerhalb ermutigt werden, wird der Erfolg
des Kampfes unserer Brüder und Schwestern in unseren Herkunftsländern
mehr und mehr davon abhängen, wie effektiv wir unsere Solidarität
hier gestalten und wie wirkungsvoll die Strategien sein werden, die wir
entwickeln. Aber Abschiebung und Isolation machen den Aufbau einer solchen
Solidarität nahezu unmöglich. Vor diesem Hintergrund organisiert
die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen
einen zehntägigen Kongress, der darauf abzielt, die Kräfte für
den Aufbau einer schlagkräftigen Einheit gegen Abschiebung und soziale
Ausgrenzung zu bündeln
Abschiebung stellt nicht nur deshalb eine massive Menschenrechtsverletzung
dar, weil Menschen, die vor Verfolgung, Folter und Tod fliehen, zynisch
an ihre Häscher ausgehändigt werden, sondern auch deshalb, weil
Abschiebung das grundlegende Recht aller Menschen auf Freizügigkeit
verletzt. In der Abschiebepraxis des Westens manifestiert sich ein weltweites
Netzwerk von Apartheid zwischen einigen wenigen, die sich an Früchten
des Neoliberalismus ergötzen, und den vielen, die, wie es ein tamilischer
Dichter einst ausdrückte "ihr Schicksal nur wie mit einem auf die
Stirn gebrannten Kainsmal ertragen". Die kleine Zahl derer, die den Weg
in die "Festung Europa" gefunden haben, sieht sich einem ständig stärker
werdendem Druck und ebensolcher Demütigung ausgesetzt, die nur das
eine Ziel kennen: uns das Leben so schwer zu machen, so daß wir "freiwillig"
zurückkehren.
Soziale Ausgrenzung hat zwei Dimensionen. Zum einen verhindert sie jeglichen
Kontakt zwischen Flüchtlingen und der örtlichen Bevölkerung
- von Integration ganz zu schweigen. Aber sie ist auch der Versuch, Flüchtlinge
in ein politisches Vakuum einzusperren, so daß es uns unmöglich
gemacht wird, etwas gegen die hinterhältige Propaganda des Westens
zu unternehmen, die die Zustände in unseren Herkunftsländern
beschönigt, verschleiert und verharmlost. Genauso wie die Isolierung
von Flüchtlingen uns daran hindert, unsere Solidarität mit dem
Widerstand unserer Brüder und Schwestern in unseren Herkunftsländern
auch nur zum Ausdruck zu bringen.
Wir glauben, daß der Kampf gegen Abschiebung und Isolation alle
Facetten unseres Widerstandes zusammenbringen kann. Wenn wir gegen Abschiebungen
kämpfen, kämpfen wir nicht nur für unser Recht als Menschen
behandelt zu werden, sondern wir zerreißen auch den Schleier aus
Lügen und Korruption, mit dem der Westen versucht, die Ausbeutung
unserer Länder und den Widerstand unserer Brüder und Schwestern
totzuschweigen, sowie die tyrannischen Regime zu legitimieren. Dabei besteht
ihre einzige Legitimation darin, sich zum Erfüllungsgehilfen der Verbrechen
der Industrienationen zu machen.
Wenn wir gegen Isolation kämpfen, kämpfen wir nicht nur für
unser Recht, Teil der menschlichen Gesellschaft sein zu dürfen und
nicht in Gettos eingepfercht zu werden, sondern auch darum, echte Solidarität
mit denen üben zu können, die in den Ländern, die wir hinter
uns gelassen haben, kämpfen und weiter Widerstand leisten.
Der unerbittliche Angriff auf unsere Rechte, hat unseren Willen nicht
brechen können. Aus den Isolationsgefängissen genannt "Flüchtlingslager"
heraus werden wir unseren Kampf führen. Diese vom "The Voice" Afrika-Forum,
der Jenaer Karawane-Gruppe, koordinierte Konferenz wird unsere Entschlossenheit
dokumentieren, mit der wir "gemeinsam gegen Isolation und Deportation"
kämpfen werden.
Obwohl wir Flüchtlingskongreß" sagen, und er im Wesentlichen
von Flüchtlingen organisiert wird, möchten wir alle ernsthaften
antirassistischen Kräfte ermutigen, sich vorzubereiten und den Zeitraum
vom 21. April bis zum 1. Mai 2000 freizuhalten, um an diesem wichtigen
Ereignis teilnehmen zu können. Euer Beitrag wird ein notwendiger Teil
beim Aufbau eines erfolgreichen Widerstands sein. Außerdem rufen
wir alle Flüchtlinge, MigrantInnen und AntirassistInnen zu diesem
frühen Zeitpunkt auf, ihre Ideen und Vorstellungen zu den Inhalten
des Kongresses beizusteuern, da das Programm noch weitgehend offen ist.
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