GegenDruck Nr. 20 - Januar/Februar 1998
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Diskussion um "Drogenpavillion“ geht weiter

Monopoly um Standorte

Auch die Standortfrage um den sogenannten "Drogenpavillion“ geht in eine neue Runde. Die Bielefelder KommunalpolitikerInnen haben sich Ende November für das von "Fachleuten“ erarbeitete dezentrale Drogenhilfekonzept entschieden. Schon die Voraussetzung für die Umsetzung dieses Konzeptes, die Suche nach geeigneten Räumen, gestaltet sich schwierig.
Von der Stadtverwaltung wurden 45 (!) mögliche Räume vorgeschlagen. Bei den zur Begutachtung eingeladenen Initiativen und Organisationen wurde kräftig gesiebt. Zum Beispiel wurde die Aids-Hilfe nicht zu Rate gezogen, dafür aber die IG Metall.
Zur Realisierung des Konzeptes ist vorgesehen, drei Einrichtungen mit zeitversetzten Öffnungszeiten zu schaffen. Diskutiert wird zum einem an eine Runden Tisch, an dem sich auch der örtliche Sheriff für "öffentliche Sicherheit“ zu Wort meldete. Das Plädoyer von Polizeichef Kruse für den Standort im Veterinäramt an der Wilhelm-Bertelmann-Straße umreißt die vertretenen kommunalpolitischen Vorstellungen. Er drängt auf eine Entscheidung. Die Bedingungen für den Standort seien erfüllt, da dieser zentral sei, der Abstand zur Wohnbebauung größer und die Liegenschaft der Stadt Bielefeld gehöre. Entlarvend ist hier mal wieder der räumliche Abstand, der gehalten werden soll, die gängige, auch sichtbargemachte Trennung von "normal“ und "nicht-normal“.
Zum anderen wird in "aufgeklärten“, interessierten Bürgerkreisen diskutiert, wie denn ihr mehr oder weniger mühsam erworbenes Eigentum geschützt werden könne, der grüne Rasen anschaulich schön und die Welt in ihrer "vorgesehenen“ Ordnung bleiben könne. Aber man hat natürlich auch Mitleid mit denen, die nicht mehr so funktionieren können oder wollen, wie es ins Bild von einer "heilen Welt“ im Kapitalismus, oder wie meistens verschleiernd gesagt wird, Marktwirtschaft, paßt. Man will ihnen nicht immer gleich das Lebensrecht absprechen, aber man will sie auch nicht haben.

Interessenfrage

Was hier passiert, heißt ganz einfach, die politisch vorgegebenen Zustände individuell zu akzeptieren und sich der Verwertungslogik anzupassen. Die momentane parlamentarische Politik bietet Lösungen an, die diesem Interesse Zukunft verspricht. So lassen sich viele gerne vor den Karren der "Inneren Sicherheit“ spannen. Darin wird das dem falschen bürgerlichen Bewußtsein entgegengesetzte, personifizierte "Böse“ bekämpft, damit ihnen vermeintlich "Gutes“ widerfährt. Es wird von ihnen ja "Gutes für alle“ gewollt. Ein falsches Bewußtsein, da es nicht fragt, wer und warum etwas und aus welcher Funktion und mit welchem Interesse verfolgt. Vielen reicht es, sich selbst als Maßstab für Verhalten zu nehmen und die "Anderen“ auszugrenzen, und sind damit voll auf der Verwertungslogik aufgesessen.

Zustimmung und Folgen

Aus emanzipativen Ansätzen, kollektives Wohnen und Arbeiten im Stadtviertel, ist eine Diskussion über den "Drogenpavillion“ zu vernehmen. So geht es meistens um die individuellen Ursachen und Folgen von Drogen und Sucht und wie Reformen und Veränderungen aussehen könnten, die beides anerkennen und ein erträgliches Leben ermöglichen würden.
Dieses umsetzen wollen, aber gleichzeitig mehr Polizeipräsenz zu fordern, mutet skurril an. Kontrolle und Bespitzelung steht einem erträglichen Leben diametral entgegen. In anderen Diskussionen zur gleichen Thematik wurden DrogenuserInnen mit der entgegengesetzten Begründung abgelehnt, sie bedeuteten mehr Polizeipräsenz.
Ein Gedanke, der auf ein verständliches Unbehagen beim Anblick der - nicht gerade vertrauenserweckenden - "Freunde und Helfer“ schließen läßt. Aber auch hier wird das eigene Wohnklima wichtiger genommen als die Interessen von DrogenbenutzerInnen.
Auch wird oft vergessen, was für eine Veränderung der Situation der DrogenuserInnen notwendig ist: für eine Freigabe von Drogen, die Einrichtung von Fixerräumen und gegen eine Kriminalisierung von DrogenkonsumentInnen einzutreten.
Einige meinen, mit dem Aufruf "Dealer, verpißt euch!“ diese aus den politischen Zentren zu drängen und die Zahl der DrogenuserInnen zu verkleinern. Dealer haben das Interesse Geld zu verdienen und Waren zu verkaufen. Auch daß ein Mensch, der Haschisch kaufen möchte, außerdem Heroin angeboten bekommt, ist nichts Neues. Den Verkauf der Droge zu verhindern ist nur eine Seite dieses Aufrufes. Ausgeblendet bleibt, daß es eine Notwendigkeit für UserInnen ist, zu kaufen.
Per Gesetz wird in der BRD eine Einteilung von erlaubten Drogen wie Nikotin, Coffein und Alkohol und verbotenen, wie unter anderem Kokain, Heroin gemacht. Die Stoffe Haschisch und Marihuana befinden sich gesetzlich gerade im Schwebezustand zwischen legal und illegal - je nach Bundesland. Historisch gezeigt hat sich, daß sich durch ein Verbot eines rauscherzeugenden Stoffes dessen Gebrauch nicht verhindern läßt.

Um was es geht

Eine Frage, die sich bei Betrachtung der aktuellen Geschehnisse stellt, ist: Um wen oder was geht es in diesen Diskussionen überhaupt? Um Häuser, Wählerstimmen, Parteiklüngel, saubere Vorgärten und Kinderspielplätze, selbstbestimmtes Wohnen oder um Unterstützung für DrogenbenutzerInnen?
Letzteres wird in den Diskussionen oft ausgeblendet oder den "Fachleuten“ überlassen. Sie sollen sich Gedanken machen um die gesundheitlichen Einschränkungen durch gestreckte und verunreinigte Stoffe und die soziale Verelendung, durch Fixierung auf die Droge und die Frage der Beschaffung.
Die Probleme der Junkies, deren Alltagsaufgabe darin besteht zu überleben, was sie mit der Droge und dem Rausch wollen oder können, interessiert dabei nur wenige.

Toni

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