Das
verlorene Geld der Zentralbank von Mosul
Ferda Çetin - Yeni Özgür Politika
In den frühen Morgenstunden
des 10. Juni hat ISIS (Islamischer Staat im Irak und in Syrien) das Zentrum
von Mosul eingenommen. Die Einnahme der Stadt hat nicht nach Belagerung
und Kämpfen stattgefunden. Ein Gouverneur der Stadt hat sich mit den Sicherheitskräften
und seinen Leuten ergeben, ohne dass ein einziger Schuss gefallen war.
Alles deutet darauf hin, dass 429 Mill. Dollar, die sich in der Zentralbank
von Mosul befanden, in die Hände von ISIS geraten sind. Türkische Medien
berichteten, dass ISIS dieses Geld „nach Robin-Hood-Manier“ unter der
Bevölkerung von Mosul verteilte. Aber niemand in der Stadt hat dieses
Geld je gesehen oder auch nur davon gehört. Denn es hat einfach nicht
stattgefunden. Nachdem dieses Geld in Vergessenheit geraten war, traf
sich Atheel al-Nujaifi, der Gouverneur von Mosul, mit Fehim Taştekin in
Hewler (Hürriyet, 14.Juni 2014). Während des Treffens trat „eine Dame,
die für die Finanzen in Mosul verantwortlich sei“ an Taştekin heran und
beklagte: „Unsere Situation ist sehr schlecht, ISIS hat 500 Mill. Dollar
von der Zentralbank beschlagnahmt und an die Menschen verteilt.“
Journalisten, die sich in der Verwaltung von Mosul gut auskennen, wurden
dazu befragt. Es gibt kein Institut oder Amt, das sich „Finanzamt von
Mosul“ nennt. Dementsprechend kann es auch keine „Dame geben, die für
die Finanzen von Mosul verantwortlich“ sein kann. Offensichtlich ist dies
eine Manipulation. Der Gouverneur Atheel al-Nujaifi und seine Helfer haben
gleich in den ersten Stunden des Angriffs die Nachricht in Umlauf gebracht,
ISIS habe 429 Mill. Dollar beschlagnahmt. Sie haben es nicht dabei belassen
und erklärt, das Geld sei an die Bevölkerung verteilt worden. Diese Geschichte
des „Geldverteilens“ sollte eine mögliche Gegenerklärung der ISIS, „es
könne keine Rede davon sein, dass sie Geld der Mosuler Bank beschlagnahmt
haben“ von vornherein blockieren.
Denn Daten und Belege weisen darauf hin, dass Atheel al-Nujaifi bereits
schon vorher über den Angriff von ISIS informiert war. Es geht noch weiter,
denn es gibt Erklärungen von ihm selbst dazu. „Ich habe noch einen Tag
vor der Einnahme Mosuls mit dem türkischen Botschafter in Mosul Öztürk
Yılmaz telefoniert. Ich habe ihn gebeten die gefährliche Situation, in
der Mosul sich befindet, Ankara mitzuteilen.“(Internet Haber, 12. Juni
2014) Kann der Gouverneur al-Nujaifi, der im Voraus über den Angriff auf
Mosul informiert war und seine Bekannten gewarnt hat, vergessen haben,
dass bei diesem Angriff das Erste die Beschlagnahmung der Mosuler Zentralbank
sein würde und in der Bank eine hohe Summe Geld gelagert war?
Journalisten, die Mosul, die Familie Nujaifi und den Gouverneur Atheel
al-Nujaifi gut kennen, deuten an, dass die Behauptung, ISIS hätte 429
Mill. Dollar aus der Zentralbank an sich genommen, nicht der Wahrheit
entspricht. Und nicht nur das, sondern dass sich diese hohe Summe Geld
zurzeit nicht in den Händen der ISIS, sondern in der Kasse von Atheel
al-Nujaifi befindet.
Eine vom Gouverneur al-Nujaifi unterschriebene Weisung vom 6. Juni 2014
an die Sicherheitskräfte und Stadtpolizei weist noch deutlicher auf die
„Spur“ der 429 Mill. Dollar hin. Vier Tage vor dem Angriff wurde diese
Weisung, die in der südkurdischen Presse breit diskutiert wurde, erlassen
(ANF, 11.Juni 2014). Diese Weisung, mit Unterschrift des Mosuler Gouverneurs
al-Nujaifi, war der Befehl, „sich nicht gegen die ISIS zu stellen und
nicht zu kämpfen“.
In der sieben Punkte enthaltenden Anordnung des Gouverneurs wurden die
militanten ISIS-Kämpfer „Mudschaheddin“ genannt. Es wird den Sicherheitskräften
befohlen, nicht zu kämpfen, wenn die Mudschaheddin den Angriff einleiten.
Die Anordnung an Kommandanten und Soldaten ist, nicht zu telefonieren
und beim Rückzug Fahrzeuge und militärisches Material nicht mitzunehmen.
In al-Nujaifis Weisung wird befohlen, alle schriftlichen Wirtschaftsverträge
nach Erhalt der Weisung zu verbrennen. Somit werden alle Belege über die
Eigentümer der Gelder und der jeweiligen Höhe in der Mosuler Zentralbank
verschwunden sein.
Der Gouverneur al-Nujaifi ist in der Nacht des Angriffs auf Mosul mit
den 429 Mill. Dollar aus der Zentralbank nach Dohuk geflüchtet; und die
Regierung in Südkurdistan ist über dies alles informiert. Es gibt eine
direkte Verbindung dieses Geldes zu den Kritiken des Gouverneurs an der
Regierung Maliki und den Komplimenten für die kurdischen Führungskräfte.
Dass sich die 429 Mill. Dollar der Zentralbank von Mosul nicht in den
Händen der ISIS, sondern in denen der Familie Nujaifi befinden, dafür
gibt es mehr als ein Argument. Die Vergangenheit der Familie und ihre
jederzeit „guten“ Beziehungen zur Regierung werfen einen Schatten auf
die Wahrheit der Geschichte des Mosuler Gouverneurs Atheel al-Nujaifi.
Die Familie Nujaifi ist eine der größten und bekanntesten Familien Iraks.
Der ältere Bruder des Gouverneurs, Usama an-Nujaifi, war während der Diktatur
Saddams zwölf Jahre lang (1980–1992) Minister für Industrie und Bergbau
und seit 2010 Präsident des irakischen Parlamentes.
Usama an-Nujaifi hat sich eine Woche vor dem Angriff der ISIS auf Mosul
in Ankara mit Tayyip Erdoğan und eine Woche nach dem Angriff in Hewler
mit Masud Barzanî getroffen. Haben diese Treffen vielleicht etwas mit
dem Angriff der ISIS auf Mosul und den entwendeten 429 Mill. Dollar aus
der Zentralbank vom Mosul zu tun?
YÖP, 23.06.2014, ISKU
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