Das
Rojava-Modell wird zum Vorbild werden
Aldar Xelîl, Mitglied des Kurdischen
Hohen Rats, erklärte, dass in Kürze in Rojava eine Übergangsregierung
ausgerufen wird. Dieses Modell soll auf der Grundlage der Einheit der
Völker und einem gemeinsamen Leben zum Vorbild werden. Xelîl erklärte,
dass sie im Vorfeld der Genfer Konferenz in Rojava eine Übergangsregierung
ausrufen werden und darin der Wille zum gemeinsamen und autonomen Leben
aller gesellschaftlichen Gruppen vertreten sein wird.
„Die konstituierende Versammlung wird einen gesellschaftlichen Vertrag
vorbereiten. Darin sollen die Rahmenbedingungen für das Arbeiten, den
Dialog und die Beziehungen untereinander festgelegt werden. Die konstituierende
Versammlung ist vorübergehend zusammengesetzt worden. Mit den Wahlen wird
eine habituelle Versammlung und die Regierung konstituiert“, so Xelîl
und appellierte an kurdische Gruppen, die ihre gesamte Energie gegen die
kurdische Befreiungsbewegung in Rojava einsetzen: „Lassen wir jegliche
Unstimmigkeiten bei Seite. Lasst uns diese Gelegenheit nutzen! Als Kurden
sollten wir eine erneutes Lausanne nicht zulassen.“
Aldar Xelîl erklärte weiter, dass die Nichtanerkennung der ausgerufenen
Übergangsregierung durch Staaten und auf internationaler Ebene, sie nicht
aufhalten werden. „Ein Teil der oppositionellen Gruppen haben ihre Führung
außerhalb von Syrien zusammengesetzt. Die Länder der Welt haben sie anerkannt.
Auch wenn einige sie ‚Regierung‘ nennen, in der Praxis haben sie nichts
vorzuweisen. Auch wenn das Ausland sie anerkennt, die Bevölkerung tut
es nicht. Unser Modell der Verwaltung ist vollkommen gegenteilig. Auch
wenn dieses Modell bisher noch nicht ausgerufen worden ist, arbeitet es
schon längerfristig auf allen Ebenen und ist dabei, sich zu institutionalisieren.
Es wird von der Bevölkerung und allen Gruppen anerkannt, aber bisher wurde
es vom Ausland nicht akzeptiert“, so Xelîl.
Aldar Xelîl hat auf folgende
Fragen der Tageszeitung Yeni Özgür Politika zu dem vorübergehenden Regierungsmodells
beantwortet.
Was waren die Prioritäten bei
den Vorbereitungen zur Übergangsregierung? Warum ist die konstituierende
Versammlung zu diesem Zeitpunkt zusammengesetzt worden?
Auch wenn es so aussieht, als sei dieses Thema erst in den letzten Tagen
auf die Tagesordnung genommen worden, so haben wir doch unsere Vorbereitungen
zur Übergangsregierung in Rojava schon vor längerer Zeit begonnen. Seit
dem 19. Juni [2012, d. Übers], dem Beginn der Revolution in Rojava, begann
parallel dazu die Tätigkeit. Seit die Gebiete in Rojava vom Baath-Regime
befreit werden konnten, war es ein Punkt auf der Tagesordnung und Schritt
für Schritt wurde dafür der Grundstein gelegt. In den letzten sechs Monaten
sind die Vorbereitungen zur Regierung beschleunigt worden.
Mit allen ethnischen Gruppen haben wir Gespräche geführt und die Vorbereitungen
getroffen. Wir haben darauf geachtet, dass alle kleinen und großen Gruppen
vertreten sind. In der Praxis haben zivilgesellschaftliche Gruppen und
Institutionen dahingehend gearbeitet und diese dauern auch weiterhin ohne
Unterbrechung an. Wir als Kurden haben ohnehin praktisch in den von uns
bewohnten Regionen diese Verwaltungsaufgaben ausgeführt. Aber wir wollen
die anderen Gruppen einbeziehen und diese Arbeit gemeinsam ausführen.
Nach diesem Prinzip, alle Gruppen einzubeziehen, haben wir für eine demokratische
und gemeinsame Perspektive gehandelt.
Auch vorher sind schon Schritte hin zur Realisierung eines Regierungsmodells
getan worden. Aber die Angriffe der Banden, die sich auf alle Regionen
Rojavas ausgebreitet haben, haben diese Arbeiten gelähmt. Die Einbeziehung
einiger kurdischer Kreise und arabischer und aramäischer Schichten hat
Zeit in Anspruch genommen.
Wir befinden uns derzeit sowohl bei der Organisierung, der Institutionalisierung
als auch bei der Sicherheit in einer deutlich besseren Situation. Auch
die Gruppen, mit denen wir Gespräche führen, nehmen das Regierungsmodell
positiv auf. Es gibt den Wunsch nach Partizipation und es wurde eine Einigung
getroffen. Im Allgemeinen gibt es auch in Syrien die Möglichkeit einer
Lösung. Zudem ist es erkennbar, dass, zwar spät, auch äußere Kräfte bestrebt
sind, eine Lösung zu finden. Der Wunsch nach einer zweiten Genfer Konferenz
ist daher als Ergebnis dieser Bestrebungen zu sehen. Wir sehen, dass eine
politische Lösung für Syrien an der Tagesordnung ist.
Sogar einige bewaffnete Gruppen, die gegen das Regime kämpfen, sind eher
in Richtung einer politischen Lösung geneigt. Jede Gruppe versucht vor
Genf Partei zu beziehen und mit vereinten Kräften in Genf teilzunehmen.
Es gibt Vorbereitungen der Kräfte der syrischen Koalition oder unterschiedlicher
Gruppierungen innerhalb der syrischen Opposition, ebenfalls ihre Regierungen
auszurufen.
Mit der Revolution in Rojava verwalten wir speziell seit dem 19. Juni
die Regionen, in denen sich hauptsächlich Kurden aufhalten. Mit einem
Regierungsmodell wollen wir dies als System zusammenführen. In der derzeitigen
Phase der Revolution in Rojava ist es ein notwendiger, nicht aufschiebbarer,
Schritt. Aus diesem Grund erachten wir es als wichtig, ohne Verzögerung
und baldmöglichst die Regierung auszurufen und offiziell in die Praxis
umzusetzen.
Wie sieht das Modell der geplanten
Übergangsregierung aus?
Wir agieren mit der Perspektive der demokratischen Kultur. Wie der Mittlere
Osten in der Vergangenheit der gemeinsame Lebenspunkt aller Völker war,
so wollen wir heute dieses Modell in Rojava in die Praxis umsetzen. Wir
wollen beweisen, dass ein demokratisches, auf der Einheit und Gemeinschaft
angelehntes Leben der Völker miteinander, nicht nur in der Theorie existiert,
sondern auch in der Gegenwart umgesetzt werden kann.
Araber, Aramäer, Chaldäer, Kurden, Assyrer und Armenier haben in der Vergangenheit
des Mittleren Ostens bewiesen, dass ein gemeinschaftliches Leben möglich
ist. Und wir betonen, dass es auch gegenwärtig möglich ist. Unsere derzeitig
geführten Aktivitäten zur Institutionalisierung laufen auf der Grundlage
einer demokratischen Autonomie und zielen auf deren schrittweisen Aufbau
ab. Auch wenn diese Organisierung zurzeit keinen konkreten Namen hat,
so wollen wir doch eine vorübergehende, gemeinschaftliche Regierung, in
der wenigstens alle Einheiten in Rojava ihre Vertretungen haben und sich
selbst verwalten.
Aus dieser Sicht wird das Regierungsmodell kein von oben aufgesetztes
sein werden. Die Grundlage ist die Einbeziehung aller noch so kleinen
Gruppierungen der Gesellschaft. Daher ist niemand für eine obere Instanz
beauftragt worden oder hat niemand die Befugnis dazu erhalten. Es ist
eine Versammlung einberufen worden, innerhalb derer alle Einheiten Rojavas
ihren Platz erhalten haben und intern einen konstituierenden Rat bestimmt
haben. Dieser konstituierende Rat wird zunächst intern Kommissionen bilden.
Die Kommissionen werden praktische Schritte hin zum genannten Regierungsprojekt
festlegen. Und die daraus resultierende Verwaltung wird dementsprechend
beauftragt werden.
Wie standen die anderen Gruppierungen
in Rojava zum Regierungsmodell? Gab es Schwierigkeiten bei der Unterstützung
und Mitwirkung?
Die von uns gebildeten Kommissionen und die bisherige Arbeit sind erste
praktische Schritte zu diesem Regierungsmodell. Die Völker und alle Gruppierungen
in der Region sind sich einig darin, dieses Projekt ins Leben zu rufen.
Die Dienste zur Sicherheit, zum Schutz, zur Gesundheitsversorgung und
zur Bildung, die Deckung des Bedarfs an Wasser und viele weitere Tätigkeiten
werden gegenwärtig gemeinsam ausgeführt. Nur ein Teil der Gesellschaft
nimmt nicht daran teil. Von Anfang an war das die Herangehensweise.
Dieses Verfahren ist neu, es steht im Gegensatz zum sogenannten Schema
F und ist noch ungewohnt. Zunächst gab es auch Gruppen, die Bedenken und
Zweifel daran hatten und es als eine kurzfristige Taktik bewerteten. Die
Überzeug, dass diese Arbeiten im Dienst des gesamten Volks in Rojava stehen,
und der Zweck nicht ist vom Volk weg in die eigene Tasche zu arbeiten,
sondern dem Volk zu dienen und zu geben, brauchte Zeit. Wir sind in Rojava
bei der Institutionalisierung auf Schwierigkeiten gestoßen. Insbesondere
die aktive Mitarbeit der Kurden bei den Gründungsarbeiten stach bei manchen
bei einigen Themen ins Auge. In der ersten Zeit gab es Gruppierungen,
die gegen die Kurden waren. Es wurden antipropagandistische Aktivitäten
geführt.
Solche Zweifel wurden aber durch die Überwindung der Schwierigkeiten insbesondere
bei der Sicherheit, durch die Arbeit in den ersten Reihen und durch erkennbare
Ergebnisse ausgeräumt. Bei dem Volk entwickelte sich Vertrauen und die
Zuversicht an der Durchführbarkeit. Es wurde versucht, trotz aller Schwierigkeiten,
dem Volk zu dienen. Dies war eine Prüfung für uns und wir haben diese
Prüfung trotz aller Mängel, Embargos und Hindernisse bisher mit Erfolg
bestanden. Selbstverständlich dauert dieser Prozess an.
Dieser Erfolg hat die Beteiligung der anderen Gruppen tagtäglich beeinflusst.
Und mit Überzeugung und gemeinsamer Arbeit ist die Beteiligung gestiegen.
In wie weit bindet die Übergangsregierung
andere kurdische Politiker und andere Gruppen in Rojava mit ein?
Wie ich schon gesagt habe, die Beteiligung aller Gruppierungen an die
Regierung haben wir zur Grundlage genommen. Wir sind auf keinen Fall für
den Ausschluss irgendeiner Gruppierung aus diesem Regierungsmodell. Trotz
dessen hielten sich einige kurdische Gruppen und teilweise einige aramäische
Gruppen fern und noch immer gibt es Gruppierungen, die Abstand halten.
Es gibt auch Gruppen, die gegen die Regierung in Rojava aktiv sind, die
Antipropaganda betreiben. Dies sind insbesondere Gruppen, die sich gemeinsam
mit äußeren Dynamiken bewegen. Die Gruppen, die sich gemeinsam mit dem
Volk bewegen, die den Schmerz des Volkes teilen, verinnerlichen vollkommen
dieses Projekt und unterstützen es.
Aus welchen Einheiten setzt
sich die konstituierende Versammlung zusammen?
An der Sitzung der konstituierenden Versammlung haben Kurden, Araber,
Aramäer, Assyrer und Chaldäer, diesen Gruppen angehörige Vertreter der
Parteien und Institutionen teilgenommen. Sie haben als Teile der ethnischen
Einheiten ihren Platz eingenommen. Unter ihnen gibt es auch zivile und
unabhängige Personen. Die 55 Personen der konstituierenden Versammlung
setzen sich aus Vertretern dieser Gruppen zusammen.
Welche Arbeiten werden vorrangig
aufgenommen?
Die konstituierende Versammlung ist auch verantwortlich für die Vorbereitung
von Dokumenten für das Regierungsprojekt und die praktische Umsetzung.
Die konstituierende Versammlung wird als erstes einen Gesellschaftsvertrag
vorbereiten. Vielleicht gibt es allgemein Benennungen wie Verfassung oder
ähnliches, aber wir können es Gesellschaftsvertrag nennen. Die Prinzipien
der Rahmenbedingungen für die Arbeit, den Dialog und die Beziehungen werden
in diesem Vertrag festgelegt. Um eine Regierung zu bilden, die diese Verwaltung
und Entscheidungen vorbringt, muss eine Wahl durchgeführt werden. Die
Gesetze zu den Wahlen müssen ebenfalls festgelegt werden. Auch das Regierungssystem
und das Regierungsmodell muss festgelegt werden. Die von der konstituierenden
Versammlung beauftragten Kommissionen sind vollständig dafür verantwortlich.
Die Kommissionen legen ihre Ergebnisse der konstituierenden Versammlung
vor und wenn diese angenommen werden, werden sie in die Praxis umgesetzt.
Folgendes muss auch unterstrichen werden: Die konstituierende Versammlung
ist vorübergehend zusammengesetzt worden und nach den Wahlen mit der Festlegung
der Regierung wird ein ständiges Parlament gegründet.
Es ist erklärt worden, dass
administrativ-rechtlich 3 Bezirke entstehen werden? Warum werden 3 Bezirke
bevorzugt?
Efrîn, Kobanê und Cizîr sind geografisch drei voneinander getrennte Regionen.
Zwischen diesen Regionen gibt es arabisch besiedelte Gebiete. (Gegenwärtig)
gibt es Probleme bei den Verbindungswegen und Beziehungen. Es ist nicht
möglich, von der Region Efrîn nach Kobanê oder von Cizîr nach Efrîn zu
gelangen. Mit dem Beginn der Angriffe sind in diesen Regionen die Verbindungswege
betroffen worden und es entstanden auf den Wegen Probleme. Daher wird
jeder Bezirk sich selbst organisieren und die eigene regionale Verwaltung
festlegen und alle drei Regionen werden zusammen eine höhere Regierung
stellen.
Es gibt aufgrund der geografischen Schwierigkeiten von uns getroffene
Entscheidungen. Denn es ist nicht möglich, dass eine Region täglich die
Tätigkeiten in den anderen Regionen verfolgt.
Jede Bezirksregierung wird ihre Entscheidungen intern mit den Einheiten
ihrer Region bestimmen. Allgemeine strategische Entscheidungen, die alle
drei Regionen betreffen, werden von der allgemeinen Regierung getroffen.
Die drei Regionen werden einvernehmlich mit der allgemeinen Regierung
zusammen arbeiten.
Die Regierung wird sich regional nach den unteren Einheiten richtet. Jede
Region wird sich selbst verwalten. Efrîn wird beispielsweise eine regionale
Verwaltung haben, aber jede Provinz kann ihre eigene Verwaltung und ihren
Rat haben. Die Verwaltung wird von unten nach oben verlaufen und in der
allgemeinen Regierung ihre Vertreter haben.
Was sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten
der vorübergehenden Regierung? Welche Bereiche werden ihre Arbeiten einschließen?
Beginnend bei der Sicherheit, der Gesundheit, Politik, Ökonomie, Handel,
Agrarwirtschaft, Kultur und Bildung, sie ist verantwortlich für alle Bereiche.
Jeder Bereich wird intern eine Verwaltungseinheit zusammensetzen und Aufgaben
übernehmen. Und aus den Einheiten dieser Bereiche wird eine allgemeine
Verwaltung entstehen.
Wie wird das Arbeitssystem
aussehen?
Unsere gebildeten Kommissionen werden diese Tätigkeiten ausführen. Unter
Berücksichtigung der Bedürfnisse der Gesellschaft setzt sie auf jeder
Ebene Kommissionen zusammen. Anschließend setzt sie in jedem Tätigkeitsfeld
eine Verwaltung zusammen.
Um das Arbeitssystem detailliert darzustellen, kann es gegenwärtig zu
früh sein. Einige Themen sind zurzeit noch im Entwicklungsstadium und
es werden noch Gespräche über die Details geführt. Wir können folgendes
Beispiel anführen: Es wird ein zentrales Komitee und die dazugehörige
Verwaltung geben, die zu Gesundheitsfragen in Rojava arbeitet und ihn
jedem Gebiet gibt es regionale Geschäftsstellen, Einheiten. Alle Einheiten
sind der allgemeinen Gesundheitszentrale angebunden. Es ist beabsichtigt,
auf anderen Ebenen wie Ökonomie, Sicherheit, Bildung, Beziehungen usw.
ein ähnliches System aufzubauen.
Wird es ein Problem in der
Anerkennung der Übergangsregierung durch andere Staaten geben? Haben sie
hierbei schon Vorgehensweisen erlebt?
Unsere Grundkraft liegt in der Gesellschaft und wir agieren für die Gesellschaft.
Natürlich wäre es zufriedenstellend, wenn nach der Ausrufung unserer Regierung
Staaten und auf internationaler Ebene eine Anerkennung stattfände, dieses
würden wir positiv aufnehmen. Wir sehen das Gegenteil aber nicht als Hindernis
für unsere Arbeit. Wir werden im Rahmen unseres Projekts unsere Arbeit
zur Regierung ununterbrochen weiterführen. Ein Teil der oppositionellen
Gruppen haben ihre Regierungen außerhalb Syriens aufgebaut. Die Länder
der Welt erkennen sie auch an. Auch wenn einige den Namen „Staat“ angenommen
haben, gibt es in der Praxis keine Entsprechung. Auch wenn das Ausland
sie anerkennt, das Volk erkennt sie nicht an.
Unser Regierungsmodell steht vollkommen im Gegensatz dazu. Schon lange
vor der Ausrufung arbeitete sie lange in allen Bereichen und institutionalisierte
sich. Das Volk und alle anderen Gruppierungen erkennen es an, aber die
Länder der Welt haben es bisher nicht anerkannt. Für uns ist hauptsächlich
das Volk wichtig, daher nehmen wir unsere Energie. Das Volk erkennt uns
an, freiwillig, selbstlos und aufopfernd steht es uns in jeder Etappe
bei. Bisher sind wir von keinerlei Kräften unterstützt worden. Es muss
aber auch gesagt werden, dass wir seit dem Zusammenschluss der konstituierenden
Versammlung auf keine Ablehnung oder Gegenreaktion gestoßen sind. Wir
erhoffen uns die Anerkennung.
Wie werden die Beziehungen
zwischen Übergangsregierung und Syrien aussehen? Haben sie Rahmenbedingungen
dazu aufgestellt?
Wir haben derzeit kein Regierungsmodell erarbeitet, was ganz Syrien einschließt.
Aber wir denken, dass langfristig ganz Syrien davon beeinflusst wird.
Die Situation des sich derzeit an der Macht befindlichen syrischen Regimes
ist bekannt. Es ist nicht in der Lage, das Land zu führen und die Probleme
zu lösen. Im Falle der Bildung einer neuen syrischen Führung muss die
Realität der Kurden und anderer ethnischen Gruppen berücksichtigt und
eine entsprechende Herangehensweise entwickelt werden. Kurden und andere
Völker müssen anerkannt werden. Wir hoffen, dass wir mit der regionalen
Verwaltung einer neuen syrischen Führung im Dialog stehend, gemeinsam
arbeiten werden. Dies muss in allen Regionen wie Ökonomie, Politik, Handel
usw. stattfinden. Die Kurden müssen anerkannt werden, wir müssen Vertreter
im Parlament und der Regierung haben. Wir müssen uns in unseren Regionen
im Rahmen unseres Projekts mit Vertretern anderer Völker verwalten können.
Gibt es Zweifel an der Übergangsregierung,
denen sie gegenüber stehen?
Die Kurden waren in der Revolution diejenigen, die am stärksten agierten.
Sie waren Vorbild für alle Völker. Trotz aller Hindernisse, Embargos und
Angriffe haben wir Kurden unseren Kampf geführt, unsere Haltung bewahrt
und unseren Unterschied zu anderen Gruppen aufgezeigt. In vielen Bereichen
waren die Kurden federführend. Wir sind innerhalb Syriens die Hoffnung
bringende Gruppe und tragen in uns die Zuversicht und das Potential. Unsere
bisher gezeigte Praxis beweist dies vollkommen.
Andere Gruppen waren leider nicht in der Position sich selbst aufrecht
zu halten, geschweige denn die Führung zu übernehmen. Wir haben als Kurden
von Anfang an die Vorbereitungen für eine Revolution getroffen und die
Organisation und Tätigkeiten, einschließlich der Sicherheit, schrittweise
entwickelt. In vielen Bereich wurden Erfolge erzielt. Wenn wir unter schwierigsten
Bedingungen verwaltet haben, dann können wir in der folgenden Phase noch
systematischer verwalten. Und es wird für alle Völker in Syrien und dem
Mittleren Osten ein Modell für ein am Volk orientiertes demokratisches
und gemeinschaftliches Leben sein.
Im Kampf um Befreiung und Demokratie müssen auch außergewöhnliche Situationen
beobachtet werden. Auch wir sind wie die anderen Völker während der Revolutionsphase
mit außergewöhnlichen Situationen konfrontiert worden und werden noch
weiter damit konfrontiert. Es ist nicht möglich, eine Revolution zu schaffen,
ohne starkem Willen und Kampf. Mit diesem Bewusstsein haben wir gehandelt.
Einen Teil dieses Kampfes haben wir geleistet und wir werden auch für
die Zukunft, egal was es kostet, vorbereitet sein. Unser Volk hat sich
nicht vor Selbstaufopferung gescheut und ist auch weiter bereit. Mit dieser
Opferbereitschaft sind die Angriffe gebrochen worden. Wir schauen nun
noch stärker in die Zukunft.
Unser Kampf basiert auf einer langen Geschichte, wir haben ein Paradigma
und die uneingeschränkte Unterstützung unseres Volkes. Daraus haben wir
Kraft geschöpft und erkannt, dass allen Bedingung trotzend, Grenzen überwunden
werden und viel aufgebaut werden kann.
Gibt es schon einen bestimmten
Zeitpunkt für die Ausrufung der Übergangsregierung?
Die dementsprechenden Arbeiten haben schon begonnen. Sehr bald wird die
konstituierende Versammlung zusammenkommen und die Kommissionen beauftragen.
Wir visieren die Ausrufung der Übergangsregierung noch vor der Genfer
Konferenz an.
Was ist ihr Appell an die kurdischen
Gruppen, die ihre gesamte Energie gegen ihren Kampf einsetzen?
Es gibt ein Umfeld, das eine starke Teilnahme der Kurden in Genf nicht
möchte. Dies ist auch der Grund für die Angriffe der letzten Monate in
Rojava. Aber es kann nicht die Rede davon sein, dass dies unsere Forderungen
hemmt, unseren Befreiungsmarsch hindert und unseren Willen bricht. Pläne,
die Kurden zu spalten, werden geschmiedet und versucht umzusetzen. Wir
rufen im Vorfeld der Genfer Konferenz alle Gruppen dazu auf, die Unstimmigkeiten
beiseite zu legen und gemeinsam zu handeln. Diese Möglichkeit muss gut
wahrgenommen werden. Wir müssen mit dem Wissen und der Verantwortung agieren
und die Wiederholung eines Lausannes nicht zuzulassen.
Yeni Özgür Politika, 14.11.2013,
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