Die
KCK zum aktuellen Stand des Lösungsprozesses
Unser weiteres
Vorgehen hängt von der Haltung der Regierung ab
Mit einer umfassenden
Deklaration haben die Kovorsitzenden des Exekutivrates der Gemeinschaft
der Gesellschaften Kurdistans (KCK) die Haltung der kurdischen Freiheitsbewegung
zum aktuellen Stand des Lösungsprozesses bekannt gegeben.
Darin listen sie die drei Hauptforderungen der KurdInnen im Lösungsprozess
auf, ohne deren Erfüllung alle anderen Schritte keinerlei Bedeutung hätten:
verfassungsrechtlicher Schutz der kurdischen Identität und Kultur, Anerkennung
der Demokratischen Autonomie, Recht auf muttersprachlichen Unterricht.
Werde ihr „Recht auf ein freies und demokratisches Leben nicht anerkannt“,
sei es ihr „legitimes Recht“, „mit ihrem eigenen Willen und ihrer eigenen
Kraft das freie und demokratische Leben“ aufzubauen, dann werde „die neue
Phase eines vieldimensionalen Widerstands beginnen“, heißt es in der Erklärung.
Alle Teile der kurdischen Freiheitsbewegung würden eine politische Lösung
im Rahmen des von Abdullah Öcalan am 21. März dieses Jahres verkündeten
Manifests unterstützen. Ob aber die Phase der Gefechtslosigkeit weiter
anhalten werde, hänge davon ab, welchen Weg die AKP-Regierung und der
türkische Staat in den kommenden Tagen einschlagen.
Scharfe Kritik wird am „Demokratiepaket“ der AKP-Regierung geübt. Weder
das einseitige Zusammenschnüren solcher Reformpakete unter Nichtbeachtung
der kurdischen Seite noch die Inhalte seien im Sinne des Lösungsprozesses.
Das „Demokratiepaket“ habe deshalb große Teile der Gesellschaft enttäuscht.
Jede Aktion der Regierung, die nicht den Willen und die Forderungen der
kurdischen Seite ernst nehme, sei deshalb als Teil einer Hinhalte- und
Betrugsmasche zu werten, so die KCK-Exekutivratsvorsitzenden.
Die Erklärung gibt einen Überblick von den Anfängen der kurdischen Frage
über die Entstehung der kurdischen Freiheitsbewegung als deren Folge und
die bisherigen einseitigen Friedensinitiativen der PKK bis zur aktuellen
Entwicklung im gegenwärtigen Friedensprozess.
Im Folgenden dokumentieren wir den Schlussteil der Deklaration:
Drei Hauptforderungen
Für eine tiefgreifende Lösung der kurdischen Frage gibt es drei grundlegende
Forderungen. Ohne ein Erfüllen dieser Hauptforderungen macht es keinen
Sinn, über Details zu sprechen. Diese grundlegenden Forderungen sind offensichtlich.
Sie drücken ein Ganzes aus, das nicht voneinander zu trennen ist.
Erstens:
Die verfassungsrechtliche und gesetzliche Sicherung der Existenz, Identität
und Kultur der KurdInnen; die Anerkennung des Rechts auf freie Meinungsäußerung
und Organisierungsfreiheit mit der kurdischen Identität.
Zweitens: Das Recht auf Selbstverwaltung als Teil der
Anerkennung der kurdischen Gesellschaft. Die Akzeptanz der Demokratischen
Autonomie.
Drittens: Die Akzeptanz muttersprachlichen Unterrichts
auf allen Ebenen.
Dies sind Forderungen,
von denen das kurdische Volk nicht abrücken wird. Ohne die Umsetzung dieser
drei Hauptforderungen kann nicht von einer Abkehr von Vernichtung und
Assimilation sowie dem kulturellen Genozid gesprochen werden. Bestenfalls
lässt sich sagen, dass Vernichtung, Assimilation und kultureller Genozid
unter neuen Bedingungen fortgeführt werden. Die drei Hauptforderungen,
die die Vernichtung, die Assimilation und den kulturellen Genozid beenden
werden, können nur mit einer demokratischen Verfassung umgesetzt werden
und sind Forderungen, die sich gegenseitig komplementieren. Wenn auch
nur eine von ihnen nicht erfüllt wird, ergeben die anderen keinen Sinn
mehr. Das freie und demokratische Leben mit kurdischer Identität ist nur
gemeinsam mit diesen drei integralen Bestandteilen möglich. Wie sie konkretisiert
und umgesetzt werden können, kann über Diskussionen, Verhandlungen und
Vereinbarungen bestimmt werden. Ohne die KurdInnen als GesprächspartnerInnen
anzunehmen, ihren Willen anzuerkennen und ohne mit ihren VertreterInnenn
zu verhandeln, können diese Hauptforderungen nicht verwirklicht werden.
Denn die Anerkennung der GesprächspartnerInnen und des politischen Willens
der KurdInnen ist mit einem Mentalitätswandel in der kurdischen Frage
verbunden. Der reale Lösungswille wird sich mit dem Ablegen der alten
Mentalität und Annäherungsweise zeigen und verwirklichen.
Ohne die KurdInnen als GesprächspartnerInnen, ohne ihren politischen Willen
zu akzeptieren – folglich zu sagen, das Problem werde sich lösen, ohne
zu verhandeln –, bedeutet, die KurdInnen zu betrügen und hinzuhalten.
Wir stehen
für eine politische Lösung
Als kurdische Freiheitsbewegung stehen wir für eine demokratisch-politische
Lösung. Wir haben stets diesen Weg präferiert und unser Vorsitzender Apo
bringt seit mehr als zwanzig Jahren große Mühen für diesen Weg auf. Die
theoretische Neuerung und der Paradigmenwechsel der kurdischen Freiheitsbewegung
bedingen eine solche Herangehensweise für die Lösung. Der Vorsitzende
Apo hat in seinem Newroz-Manifest 2013 dargelegt, welche Lösung er wünscht.
Alle Organisationen und Elemente der kurdischen Freiheitsbewegung stehen
für diesen Lösungsansatz.
Auch heute bevorzugt unsere Bewegung auf der Basis von Verhandlungen mit
dem türkischen Staat diese Form der Lösung. Aus diesem Grund legen der
Vorsitzende Apo und die kurdische Freiheitsbewegung solch eine geduldige
und vernünftige Herangehensweise an den Tag. Sie ist für den türkischen
Staat und die AKP-Regierung eine historische Gelegenheit. Doch bis jetzt
haben sie sich dieser Chance nur grob angenähert. Wenn Staat und Regierung
sich von dieser Haltung abwenden, der Vorsitzende Apo und die Freiheitsbewegung
wirklich als Gesprächspartner akzeptiert werden, die notwendigen gesetzlichen
Maßnahmen getroffen werden, damit sie ihren Rollen gerecht werden können,
für die Lösung der kurdischen Frage zu Verhandlungen übergegangen wird
und unabhängige BeobachterInnen sowie wichtige Kreise der Gesellschaft
in den Lösungsprozess eingebunden werden, dann werden wir als Bewegung
selbstverständlich die uns zufallenden Aufgaben wie bisher ohne zu zögern
erfüllen.
Ob und wie die Phase der Gefechtslosigkeit anhalten wird, hängt von der
Haltung der AKP ab. Wenn die Pflichten für die Lösung der kurdischen Frage
nicht erfüllt werden, wenn an der heutigen Haltung in gleicher oder veränderter
Form festgehalten wird, dann wird unsere Bewegung diese Situation bewerten
und im Sinne unseres Paradigmas den Weg für den Aufbau des freien und
demokratischen Lebens mit eigenem Willen und eigener Kraft mit neuen Mitteln
und Wegen einschlagen. Im Falle, dass das Recht auf ein freies und demokratisches
Leben nicht anerkannt wird, ist es ein legitimes Recht, dass die KurdInnen
mit ihrem eigenen Willen und ihrer eigenen Kraft das freie und demokratische
Leben aufbauen. In diesem Falle wird die neue Phase eines vieldimensionalen
Widerstands beginnen. Ob die Phase der Gefechtslosigkeit anhalten wird,
für welchen Weg und welche Mittel wir als Bewegung uns entscheiden werden,
hängt von der Haltung der türkischen Regierung und des türkischen Staates
in den kommenden Tagen ab. Die letzten Jahrzehnte haben unter Beweis gestellt,
dass die Demokratisierung der Türkei und die Lösung der kurdischen Frage
nur durch den Widerstand vorangebracht werden. Der Aufruf unseres Vorsitzenden
am diesjährigen Newroz-Fest richtete sich besonders an die Kreise, die
für die Demokratisierung stehen. Er forderte vor allem die Demokratiekräfte
und die kurdische Bevölkerung dazu auf, diesen Prozess zu verteidigen
und zu unterstützen. Dass die AKP-Regierung keinerlei Schritte in Richtung
einer Lösung unternimmt, den Prozess gar für ihr politisches Kalkül in
Gefahr bringt, ist offensichtlich geworden. Deshalb ist es wichtig, dass
sich die Gesellschaft gegenüber dieser Haltung klar positioniert. Wir
rufen die Demokratiekräfte und unsere Bevölkerung dazu auf, sich im Sinne
einer Lösung zu organisieren und einen vieldimensionalen Widerstand zu
leisten.
Quelle: ANF, 10.10.2013
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