Şakran,
das zweite Pozantı?
Im Februar vergangenen Jahres
wurde öffentlich, dass im M-Typ-Gefängnis von Pozanti bei der Stadt Adana
aus politischen Gründen inhaftierte Minderjährige vom Gefängnispersonal
und erwachsenen Insassen der Anstalt vergewaltigt, sexuell belästigt und
gefoltert wurden.
Nun meldeten am 27.05.2013 mehrere türkische Nachrichtenportale, wie zum
Beispiel die türkische Zeitung „Milliyet“ oder die unabhängige Internetzeitung
T24, nach Angaben des größten Anwaltsvereins der Türkei CHD Çağdaş Hukukçular
Derneği (Zeitgenössische Juristenvereinigung) von ähnlichen Fällen gegenüber
inhaftierter Minderjährigen im Şakran-Gefängnis in Izmir.
In einer Pressekonferenz der Izmir-Abteilung des CHD wurde erklärt, dass
die Minderjährigen im Sakran-Gefängnis mit Folter und unmenschlichen erniedrigenden
Praktiken seitens des Gefängnispersonals konfrontiert werden. Das Vorstandmitglied
des Vereins Nergis Tuba Aslan, die mit einer Kommission das Gefängnis
besuchte, erklärte dort im Namen des Vereins unter anderem: „Die inhaftierten
Minderjährigen haben uns erzählt, dass sie permanenter Gewalt durch den
Gefängnisdirektor und die Gefängniswärter ausgesetzt seien. Sie haben
erklärt, dass die Gefängniswärter sie mit Plastikschellen gefesselten
Händen und Füßen in Gummizellen bringen, dort die Kameras ausschalten
und sie dann brutal zusammenschlagen.“
Aslan erklärte während der Pressekonferenz zudem, dass der Kodirektor
des Gefängnisses, die Minderjährigen mit einem Schlauch schlage. Bei ihrem
Besuch im Gefängnis, erzählte ihr eines der Minderjährigen I. A., dass
der Direktor auf ihn minutenlang mit einem Schlauch eingeschlagen hätte.
Nach den Schlägen mit dem Schlauch, waren die Arme und Beine des Minderjährigen
geschwollen und blau angelaufen“, erklärte Aslan.
Zudem sei I. A. vor seiner Gefangennahme aufgrund eines Unfalls an einem
seiner Augen verletzt gewesen. Da er vor seiner Gefangenahme in Behandlung
war, konnte er an dem Auge noch etwas sehen. Doch nach seiner Gefangenahme
wurde seine noch nicht abgeschlossene Behandlung beendet und die Forderung
die Behandlung im Gefängnis fortzuführen, nicht beachtet. Er sehe nun
nichts mehr mit seinem verletzten Auge.
Nach den Prügelattacken der Gefängnisangestellten, werden die Minderjährigen
– auf Entscheidung des Direktors – in den sogenannten „Sicherungs- bzw.
Beobachtungsraum“ verlegt. Dies sind drei Quadratmeter große Zellen, ausgestattet
mit einem Bett, WC und Wasserhahn. Insgesamt gebe es von diesen Zellen
22 Stück, die immer belegt seien. Die Minderjährigen würden Tage, manchmal
sogar Monate lang in diesen Zellen festgehalten.
S. D., ein weiteres inhaftierter Minderjähriger, hätte vor einem Monat
zudem versucht, aufgrund der in Haft erlebten Folter, mit der Einnahme
von Waschmittel, Selbstmord zu begehen. Man hätte ihn nach vier Tagen
im staatlichen Krankenhaus wieder zurück ins Gefängnis gebracht. Wenn
eine Delegation die Minderjährigen besuchen komme, lasse der Gefängnisdirektor
die Zellen räumen und alle in die Gemeinschaftszellen bringen.
Aslan fuhr fort, dass die verantwortliche Gefängnisleitung, die Gefängniswärter
und die Jandarma Hand in Hand diese Folterpraxis an den inhaftierten Minderjährigen
anwenden und durch das Rechtssystem geschützt werden. Die Izmir-Abteilung
der Anwaltsvereinigung werde dagegen Strafanzeige stellen.
Das Justizministerium der Türkei hat am 28. Mai auf den Bericht des CHD,
mit den Vorwürfen von Folter gegenüber inhaftierten Minderjährigen im
Sakran-Gefängis, Stellung bezogen. In der Erklärung heißt es unter anderem,
dass Maßnahmen aufgrund der „ethnischen Herkunft“ (kurdisch) gegen die
Minderjährigen angewandt werden, dass dieser Vorwurf „haltlos sei“. Bezugnehmend
auf die Beschreibung des Sakran-Gefängnisses als „zweites Pozanti“ durch
den BDP-Abgeordneten von Mersin, Ertuğrul Kürkçü heißt es, dass vor kurzer
Zeit eine Menschenrechts-Kommission des türkischen Parlaments das Gefängnis
besucht habe und dieses als „Vorzeige-Gefängnis“ bewertet hätte. Auch
die Vorwürfe, dass die Minderjährigen in den Gummi-Zellen vor ausgeschalteten
Kameras zusammengeschlagen worden sind, oder sie mit Plastikschellen gefesselt
worden seien, wird vom türkischen Justizministerium bestritten.
Quellen: T24, Milliyet, 28.05.2013,
ISKU
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