Friedenskonferenz
in Ankara
Die erste Friedenskonferenz
auf Aufruf des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan wurde gestern in Ankara
abgehalten. Die kurdische Führungspersönlichkeit hatte in seiner historischen
Newroz-Botschaft am 21. März 2013 erklärt, dass vier Konferenzen abgehalten
werden sollten, um den „aktuellen demokratischen Lösungsprozess zu diskutieren,
ein Bewusstsein zu schaffen und Beschlüsse zu fassen“. Bis zu 400 Intellektuelle,
KünstlerInnen, SchriftstellerInnen, GewerkschafterInnen, Frauenaktivistinnen
und VertreterInnen aus zivilgesellschaftlichen Organisationen sind auf
dieser Konferenz zusammengekommen, in der auch die Botschaften von Yaşar
Kemal, Vedat Türkali, Murathan Mungan und Orhan Pamuk verlesen wurden.
Vedat Türkali erklärt in seiner Botschaft: „Zum ersten Mal fließt kein
Blut mehr; deshalb empfinde ich für Öcalan große Zuneigung.“ Auch viele
PolitikerInnen waren anwesend, unteranderem die BDP-Kovorsitzenden Selahattin
Demirtaş und Gültan Kışanak, die Kovorsitzende des Kongresses für eine
demokratische Gesellschaft DTK Aysel Tugluk, die Kovorsitzenden der HDP
und ÖDP sowie die Vorsitzenden der EMEP und SDP.
Besonders auffällig zu beobachten war, dass es auf dieser „Konferenz des
Friedens und der Demokratie“ keine großen Sicherheitsmaßnahmen gab. Es
gab keine Protesten von anderen Gruppierungen. In einer ruhigen Atmosphäre
sind VertreterInnen aus islamischen Kreisen, alevitischen Organisationen,
linken Gruppen, VertreterInnen verschiedener Ethnien und hohen Funktionären
der CHP sowie viele namenhafte Persönlichkeiten der Türkei, zusammengekommen.
Die Beschlüsse der Konferenz, die am heutigen Tag enden wird, werden an
den türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan und dem Repräsentanten des
kurdischen Volkes Abdullah Öcalan geschickt. Im Juni wird eine weitere
Friedenskonferenz in Amed (Diyarbakir) stattfinden. Danach folgen Konferenzen
in Brüssel und Hewler (Erbil). Die Eröffnungsrede der Konferenz wurde
von dem BDP-Abgeordneten aus Istanbul Sırrı Süreyya Önder abgehalten,
der erklärte, dass man für einen dauerhaften Frieden zusammengekommen
sei.
„Lasst uns alle zusammen die
Zukunft aufbauen“
Die BDP-Kovorsitzende Gültan Kışanak erklärte in ihrer Rede, dass die
Menschen in den Phasen der bewaffneten Kämpfe viel Leid erfahren mussten.
Sie machte darauf aufmerksam, dass die Verhandlungen einen historischen
Charakter haben, und es kein Zurück mehr gebe. Jeder müsse seinen Teil
für diesen Prozess geben.
Die Rolle der Frau
„Ohne die Frauen kann es keinen Frieden geben“,‘ erklärte Prof. Dr. Nükhet
Sirman. Nur so könne sich der Frieden in der gesamten Gesellschaft ausbreiten.
Wenn die gesellschaftliche Ordnung nicht verändert wird, werden die Frauen
nicht in ihre Häuser zurückkehren.
Die kurdische und armenische
Sprache
Der Anwalt Mehmet Emin Aktar sagte auf Kurdisch in seiner Rede, dass die
Hoffnungen auf den Frieden mit dem neuen Prozess erstarkt seien. Danach
folgte eine armenische Rede von Garo Paylan. Die Professorin Şebnem Korur
Fincancı bedankte sich bei dem kurdischen Volk für dessen Widerstand,
äußerte aber Bedenken hinsichtlich des Friedensprozesses. Sie betonte,
dass die Konferenz ein Schritt zum Frieden sei.
Es braucht eine neue Verfassung
Prof. Dr. Gençay Gürsoy erklärte, dass die Absicht der Konferenz ein dauerhafter
Friede sei. Eine 30-jährige blutige Phase neige sich dem Ende zu. „Das
leise und unauffällige Zurückziehen der PKK-Guerillas steigert unser Vertrauen
in die Friedensphase. Doch wir wissen alle, das es für einen dauerhaften
Frieden und eine Lösung der kurdischen Frage eine Verfassung braucht,
die eine pluralistische, egalitäre, patizipative, libertäre, dezentrale
soziale Ordnung möglich macht.“
Große Unterstützung der Phase
in Qers (Kars)
Die Ostanatolien-Delegation der „Kommission der Weisen“ hat sich in Quers
(Kars) mit tausenden Menschen getroffen und mit der dortigen Bevölkerung
über den laufenden Prozess gesprochen. „Seit drei bis vier Monaten gibt
es keine neuen Märtyrer mehr. Die Mütter weinen nicht. Als ein CHPler
verurteile ich die Annährungsweise von Kılıçdaroğlu und meiner Partei“‚
erklärte ein CHP-Sympathisant gegenüber der Delegation. Ein Soldat, der
sich zurzeit im Urlaub befindet, erklärte der Delegation: „Ich bitte euch,
dass keine Mutter mehr weinen muss. Das Blutvergießen soll aufhören. Geschwister
erschießen sich gegenseitig.“ Anschließend ist man im Stadtzentrum zusammengekommen.
In beiden Versammlungen wurden die Forderungen nach Bildung in der eigenen
Muttersprache und die Freiheit für alle politischen Gefangenen, einschließlich
Abdullah Öcalans, geäußert. Die Delegation hat sich gestern Abend auf
den Weg nach Erdexan (Ardahan) gemacht.
Das Volk will Frieden und Freiheit
An den Volksversammlungen zum laufenden Prozess in dem Bezirk Stewr (Savur)
in der Provinz Merdin (Mardin), die von der BDP und des DTK organsiert
werden, haben tausende Menschen teilgenommen. Die gemeinsamen Forderungen
der Menschen waren die Freiheit Abdullah Öcalans und die Anerkennung der
Grundrechte des kurdischen Volkes.
Aktionen der Frauen
dauern an
Die Demokratische Freie Frauenbewegung (DÖKH) führt die Initiative „Demokratische
Befreiung und Lösung“ mit dem Aufstellen von Zelten in Dersim, Colemêrg
(Hakkari) und Şirnex (Şırnak fort. Tausende Menschen haben sich in Dersim
abends zur Volksversammlung getroffen, die von der BDP-Abgeordneten Emine
Ayna besucht wurde.
Quelle: Özgür Gündem,
26.05.2013, ISKU
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