30./31. Woche – Rückblick der Guerillaaktionen Teil 1

Die Ereignisse in Kurdistan überschlagen sich. Die kurdische Guerilla befindet in der Region Colemêrg/Şemzînan seid nun mehr als zehn Tagen auf einem Gebiet von über 40 km² in kriegerischen Auseinandersetzungen mit zehntausend türkischen Soldaten und aller Logistik die der türkische Staat zu bieten hat. Ein großer Teil dieses Überblicks wird sich mit den Ereignissen in der Region Şemzînan und Colemêrg im Allgemeinen, denn während in Şemzînan heftige Kämpfe stattfinden, hat die Guerilla große Regionen in der ganzen Provinz Colemêrg (Hakkari) unter Kontrolle. Nach Aussagen des KCK-Exekutivratsvorsitzenden Murat Karayılan führt die Guerilla jetzt nicht mehr nur „Operationen im Hit-and-Run-Stil durch, sondern erobert feindliche Stellungen und setzt sich dort fest“, um das türkische Militär zu kontrollieren. Das türkische Militär reagiert auf die militärische Stärke der Guerilla mit der Räumung von Dörfern und Praktiken des Terrors, die an die 90er Jahre zurückdenken lassen. Neben diesen „revolutionären Operationen“ setzt die Guerilla jedoch in allen Teilen Kurdistans ihre Aktionen gegen die militärische Infrastruktur, Kriegsökonomie und gegen Kriegsprofiteure und Dorfschützer fort.

Revolutionäre Operation beginnt in der Provinz Colemêrg
Der Kreis Şemzînan ist Teil der Provinz Colemêrg (Hakkari), die an der iranischen und irakischen Grenze liegt. Sie ist traditionell ein Gebiet, in der die kurdische Freiheitsbewegung besonders stark ist und so begann hier auch die Kampagne der „revolutionären Operationen.“

Situation in der Region Gever/Colemêrg
Wie wir vor wenigen Wochen berichtet haben, hatten Guerillas in einer großangelegten Operation am 19.06.2012 eine neue strategische Phase begonnen. Im diesem Rahmen besetzte die Guerilla strategische Gipfel in der Region Gever (Yüksekova) in den Cilo-Bergen. In den darauf entstehenden Gefechten fielen 14 KämpferInnen der HPG und 109 türkische Soldaten, vier Sikorsy-Hubschrauber wurden beschädigt und die Militäroperation musste sich erfolglos zurückziehen.

Militärbasen umzingelt
Die türkischen Militärstützpunkte von Oramar und Sitazin in dieser Region sind bis zum heutigen Tage nicht über den Boden zu versorgen. Ein Versorgungshubschrauber wurde im Rahmen dieser Blockade ebenfalls am 24. Juli von der Guerilla abgeschossen. Häufig müssen, wie z. B. am 04.08. gegen 8.00, Versorgungshubschrauber des türkischen Militärs für diese Basen aufgrund der Luftabwehr der Guerilla in dieser Region beschädigt umkehren.

Strategisch wichtige Brücke zerstört
Am 30.07. zerstörte die Guerilla die strategisch wichtige Brücke zwischen dem Sitazin- und Oramar-Militärstützpunkt.
49 Soldaten sterben beim Versuch den Goman Berg zu erobern
Am 29. Juli versuchte das türkische Militär mit aller Macht den Goman-Berg, der wenige Kilometer von Şemzînan entfernt ist, zu erobern. Es wurde sowohl mit Artillerie bombardiert, als auch Hubschrauber eingesetzt um Truppen abzusetzen. Es kam zu schweren Kämpfen bei denen 49 türkische Soldaten getötet und ein Sikorsky-Hubschrauber abgeschossen wurden.

Angriff auf Militärstützpunkte
Am 02.08. griff die Frauenguerilla YJA-Star den Militärstützpunkt von Oramar zwischen 15:00-16:00 an. Dabei wurden drei militärische Stellungen vernichtet. Weiterhin fand am Morgen des 04.08. ein Angriff auf den Garê-Militärstützpunkt mit schweren Waffen statt. Dabei entstand schwerer Sachschaden.

Situation in der Region Şemzînan/Colemêrg
Am 23. Juli weitete die Guerilla ihre Aktionen aus, als das türkische Militär eine Straßenkontrolle der HPG im Nachbarkreis Şemzînan angriff. Die Luftverteidigungskräfte der HPG, welche die umliegenden Gipfel eingenommen hatten, warfen die militärischen Verstärkung durch Hubschrauber zurück, und es kam es zu schweren Auseinandersetzungen bei denen dutzende türkische Soldaten getötet worden sind, wie schon im letzten Wochenrückblick berichtet worden ist. In der Zeit, die seitdem Vergangen ist, versucht das türkische Militär vergeblich in der Region an Boden zu gewinnen. Im Gegenteil, während am Anfang der Operation die Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen stattfanden, bombardiert das türkische Militär jetzt pausenlos Guerillastellungen, auf dem Goman-Berg, der etwa ein Kilometer von der Kreisstadt Şemzînan entfernt ist, die Soldaten sind nicht Lage dorthin vorzudringen. Nach Angaben des Bürgermeisters von Şemzînan, Sedat Töre (BDP), haben die Kämpfe ein Ausmaß erreicht, das es in 30 Jahren Krieg in dieser umkämpften Region nicht gegeben habe. Nach Angaben der Guerilla haben sie ein Gebiet bis 35 km innerhalb der türkischen Grenze unter Kontrolle. Dies ist Reaktion auf das permanente Bombardement gegen die südkurdische Zivilbevölkerung aus türkischen Artilleriestellungen nahe der Grenze. Allerdings muss angemerkt werden, dass die HPG die Grenze zwischen den beiden Teilen Kurdistans de facto aufgehoben hat. Die Grenzstützpunkte des Militärs befinden sich praktisch unter Belagerung durch die Guerilla und werden ständig mit schweren Waffen angegriffen. Hier kann sich das türkische Militär am Boden quasi nicht mehr bewegen.
Bei den Kämpfen sind bis jetzt 5 kurdische Guerilla und dutzende Soldaten gefallen. Allein zwischen dem 01. und 04. August fielen zwei Guerilla und mindestens 37 türkische Soldaten bei einem zwei Tage andauernden pausenlosen Gefecht, bei dem die Armee einen strategischen Gipfel zu erobern versuchte. Die Kämpfe werden jeden Tag heftiger. Die Region wird pausenlos aus Kampfhubschraubern und F-16 Bombern beschossen.

Angriff auf Hauptquartier des Regionalgouverneurs, Polizeidirektion und Jandarma-Gebäude an
Dennoch scheint die Guerilla in ihrer Bewegungsfreiheit kaum eingeschränkt zu sein. So führte sie am 02.08. einen Angriff auf das schwer bewachte Hauptquartier des Regionalgouverneurs in Şemzînan Stadt durch. Dabei starben nach Guerillaangaben drei Soldaten. Am 03.08. gegen 19:00 Uhr griffen Guerillaeinheiten in Şemzînan die Polizeidirektion und Gebäude der Jandarma an. Spezialeinheiten versuchten die Guerilla nach der Aktion in das Gebiet unter Guerillakontrolle zu verfolgen, wurden aber zurückgeworfen.

Fünf Angriffe auf Militärkonvois zwischen Rubarok und Şemzînan
Wie schon am 01. August, als die Guerilla zwischen Rubarok und Şemzînan einen Militärkonvoi angriff und dabei ein Panzerfahrzeug vollständig zerstörte, wurden auch am 02. August gleich drei Mal hintereinander um 10:30 Uhr, 13:00 und 15:00 Uhr türkische Militärkonvois zwischen Rubarok und Şemzînan Stadt angegriffen. Keiner dieser Konvois erreichte sein Ziel, sie mussten wieder umkehren. Nach den Aktionen beschoss das Militär das Gebiet mit Artillerie und setzte es in Brand.
Am 03.08. setzte die Guerilla ihre Angriffe auf Militärkonvois zwischen Rubarok und Şemzînan fort. Ein Versorgungskonvoi, der mit Munition beladen war und von Şemzînan nach Rubarok ausrückte, wurde gegen 6:00 Uhr morgens angegriffen, dabei starben drei Soldaten. Zwei mit Munition beladene Lastwagen explodierten.
Ein weiterer Militärkonvoi wurde mit einem Sprengsatz am 30.07. auf der Beguzan-Brücke angegriffen. Dabei starben mindestens 15 Soldaten.

Guerilla führt Straßenkontrolle zwischen Gever und Şemzînan durch
Am 02.08. führte die Guerilla eine Verkehrskontrolle zwischen 19:00 und 20:30 Uhr auf der Straße von Gever nach Şemzînan durch. Straßenkontrollen der Guerilla sind in dieser Region wie in vielen anderen Regionen alltäglich geworden und dauern in den letzten Wochen in der Region Şemzînan teilweise mehrere Tage.

Guerilla erobert weitere strategisch wichtige Gipfel
Der Gipfel des Gedik-Berges, auf dessen Militärstellung sich Premierminister Erdoğan zusammen mit dem damaligen Generalstabschef Başbug vor wenigen Monaten siegessicher an der Seite der Armee den Medien präsentierte, fiel am 28.07. in die Hände der Guerilla. Damit befinden sich nun auch die entscheidenden Gipfel des Goman-Berges unter Guerillakontrolle und die Guerillas können von dort aus militärische Angriffe mit Luftabwehrwaffen beantworten und Luftangriffen entgegenwirken. So bleiben die Luftangriffe des Militärs ebenfalls weitgehend erfolglos. Der Gedik-Gipfel ist insofern wichtig, da er die Verteidigungsstellung des türkischen Militärs über den wichtigen Grenzstützpunkt Gediktepe darstellte, der damit ebenfalls aufgelöst wurde.
Aktionen in der Umgebung der Provinzhauptstadt Colemêrg (Hakkari)
Die Guerilla zeigte mit etlichen Aktionen in und die Provinzhauptstadt Colemêrg (Hakkari), dass die ganze Region ein Kampfgebiet darstellt. Die Guerilla führte sowohl Aktionen im Stadtzentrum als auch auf wichtigen Hauptverkehrsstraßen der Region durch.

Angriff auf Spezialeinheit in der Stadt
Am 01.08. fand ein Angriff auf zwei Skorpion-Panzerfahrzeuge türkischer Spezialeinheiten in Colemêrg im Stadtviertel Tekser statt. Dabei wurde eines dieser Fahrzeuge zerstört und vier Spezialsoldaten verletzt. Das Militär schoss daraufhin willkürlich im Stadtviertel um sich.

Schwere Kämpfe auf der Straße zwischen Colemêrg und Wan
Am Abend des 03.08. fanden zwei Angriffe auf einen Unterstützungskonvoi des türkischen Militärs statt, der von der kurdischen Großstadt Wan nach Şemzînan unterwegs war. Der Konvoi, der aus dreißig Fahrzeugen bestand, wurde zunächst mit einem Sprengsatz angegriffen. Als daraufhin Spezialeinheiten ausrückten, detonierte ein zweiter Sprengsatz und es kam zu Gefechten. Die Straße zwischen Wan und Colemêrg blieb gesperrt.

Angriffe auf Militärbasen in Çele/Colemêrg
In der Kreistadt Çele (Cukurca) griff die Guerilla in der Nacht zum 05.08. um 23:00 Uhr zwei Militärstützpunkte gleichzeitig an. Die Kämpfe dauern an. Von den Militärbasen in der Region Çele wird häufig südkurdisches Gebiet mit Artillerie beschossen und Dörfer und zivile Infrastruktur bombardiert. Es kommt zu schwersten Gefechten. Die Guerilla scheint mehrere strategische Gipfel nun auch in Çele einzunehmen. Weitere Informationen folgen.

ISKU | Informationsstelle Kurdistan