Zusammenfassung:
Antikurdische Pogrome in Inegöl, Dörtyol und Erzurum
Die antikurdischen Lynchangriffe,
die seit Monaten stattfinden und immer wieder Todesopfer forderten, haben
nun einen neuen Höhepunkt erreicht. Es wurden BDP-Büros, mehr als hundert
Häuser und Arbeitsplätze der kurdischen Bevölkerung, angestachelt von
den staatlichen Verantwortlichen von türkischen Faschisten und Nationalisten,
niedergebrannt. Die Angriffe lassen die Gefahr eines aufziehenden Bürgerkrieges,
vor dem die kurdische Freiheitsbewegung immer wieder warnt, konkret werden.
Wer nicht bereit war an seinen Häusern türkische Fahnen zu hissen, wurde
angegriffen.
DIE SITUATION IN HATAY
Nach einer Guerillaaktion, bei der in Hatay vier Polizisten ihr Leben
verloren haben, brachen die tagelangen rassistischen Pogrome aus. In Dörtyol
wurde das Gebäude der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) und mehr
als 50 kurdische Geschäfte von türkischen Nationalisten mit Fahnen in
der Hand niedergebrannt. Die Angriffe, die seit mehreren Tagen andauern,
führten dazu, dass sich die kurdische Bevölkerung in ihren Stadtteilen
verbarrikadierte, um sich zu schützen. Die Angriffe hatten am 26.07. begonnen,
nachdem drei vermeintliche PKKler Personen festgenommen und auf das Polizeirevier
gebracht worden waren. Als ein BDP-Vertreter zur Verhandlung zum Gouverneur
ging, wurde er „für einen PKKler“ gehalten und von Nationalisten beschossen.
Es gibt auch Gerüchte über Tote, die aber bisher nicht bestätigt werden
konnten. Das Polizeirevier wurde von hunderten Nationalisten belagert
die den Stützpunkt angriffen und Parolen gegen Kurden und PKK riefen.
Die Polizei musste zeitweise in die Luft schießen. 200 Personen setzten
zur gleichen Zeit das BDP-Gebäude und 50 Läden und Cafés in Brand und
plünderten diese. Der Kreisvorsitzende der BDP Halil Baybaris erklärte
dazu:
„Sie haben unser Partei-Büro niedergebrannt. Außerdem haben sie die im
Stadtzentrum befindlichen von Kurden und Kurdinnen betriebenen Cafés mit
Molotowcocktails in Brand gesetzt. Wir sind im Moment sehr besorgt. Die
Polizei, die uns schützen sollte, nimmt nicht einmal unsere Anrufe entgegen.
Jetzt gibt es hier für keinen Kurden die Sicherheit von Leib und Leben.“
Am folgenden Tag, den 27.07., gingen die Angriffe auf Kurdinnen und Kurden
und die BDP weiter, ohne dass die Polizei oder das Militär eingriff. Tausende
versammelten sich erneut im Stadtzentrum und griffen kurdische Läden und
die kurdische Bevölkerung an. Sie riefen dabei „Allah ist groß“. Die Ladenbesitzer
waren gezwungen sich selbst zu verteidigen, da staatliche Kräfte nicht
eingriffen. Daraufhin griff die Polizei die Kurden und Kurdinnen an, die
sich selbst verteidigten. Sie schossen mit Gasgranaten auf die kurdische
Bevölkerung und verletzten dabei unter anderem auch Personen aus der BDP-Führung.
In einem anderen Stadtviertel wurden sie sogar beschossen und mindestens
ein Kurde wurde verletzt.
In den kurdischen Vierteln errichteten die Menschen Barrikaden und alle
Einwohnerinnen und Einwohner versammelten sich auf der Straße. Die Verantwortlichen
der BDP versammelten sich mit dem Rest der Bevölkerung. Sie versuchten
auch zu verhindern, dass die Auseinandersetzungen noch weiter eskalieren.
Der Kreisvorsitzende der BDP Halil Baybaris erklärte gegenüber Roj TV:
„Die kurdische Bevölkerung ist nicht mehr wie früher. Die Häuser und Heimat
der Bevölkerung wurden niedergebrannt, sie kamen in die Metropolen und
sie haben nichts mehr zu verlieren.“
Die kurdische Bevölkerung lebt in einem Belagerungszustand, während das
Stadtzentrum von Tausenden besetzt ist, die rassistische Parolen rufen.
Währenddessen halten Polizei und Militär kritische Öffentlichkeit und
kurdische Politiker und Politikerinnen aus dem Kreis Hatay fern. Ein Korrespondent
der Nachrichtenagentur DIHA wurde mit dem Tod bedroht und nicht in den
Landkreis gelassen. Am 29.07. versuchte eine Delegation der BDP Dörtyol
zu erreichen. Sie wurden an der Stadtgrenze auf Befehl des Gouverneurs
mit Panzern gestoppt und nicht in die Stadt gelassen. Der Covorsitzende
der BDP Selahattin Demirtaş erklärte dazu: „Sie haben unsere Forderungen
nach Frieden mit Panzern und Artillerie gestoppt.“
Nach dem Zurückweisen der Delegation kam es zu einer Autobahnblockade
von ca. 2000 KurdInnen von Hatay. Sie wurden mit Gasgranaten von der Polizei
angegriffen.
Der Gouverneur von Hatay erklärte bezüglich der rassistischen Angriffe:
„Ich trete der Entrüstung unserer Bürger mit Verständnis entgegen.“
|