|   Kampagne für 
        Pinar Selek:
 Petition mit mehr als hundert UnterstützerInnen aus über 20 Ländern veröffentlicht
 
 Mehr als 130 Einzelpersonen und Organisationen aus über zwanzig Ländern, 
        darunter 23 Parlamentsabgeordnete sowie viele Persönlichkeiten aus Wissenschaft 
        und Zivilgesellschaft, haben in einer Petition ihre Besorgnis über das 
        seit acht Jahren andauernde Verfahren gegen die türkische Soziologin Pinar 
        Selek zum Ausdruck gebracht und die Forderung erhoben, dass die Anklage 
        gegen Frau Selek angesichts nicht vorhandener Beweise endlich fallengelassen 
        wird.
 
 Die Petition mit der Liste der UnterstützerInnen und das dazu gehörige 
        fact sheet können in deutscher 
        und türkischer 
        Sprache heruntergeladen werden.
  Pınar 
        Selek
   
        Der feministischen 
        Soziologin und Friedens-aktivistin Pınar Selek droht in der Türkei eine 
        lebenslange Haftstrafe aufgrund einer Tat, die sie nicht begangen hat. 
         Zur 
        Person: Pınar Selek, geboren 1971 in Istanbul, studierte in Ankara Soziologie 
        und absolvierte in Paris ihren Master. Ihr Vater ist ein bekannter Rechtsanwalt 
        in Istanbul. Sie begann früh, sich mit den bestehenden Problemen und Widersprüchen 
        in ihrem Land auseinander zu setzen, arbeitete als freie Soziologin mit 
        Straßenkindern und veröffentlichte in Buchform eine Studie über die Gewalt 
        an Transsexuellen und Transvestiten in Istanbul. Nebenbei übersetzte sie 
        ein Buch des Zapatista Marcos ins Türkische. Bei soziologischen Studien 
        zu den Hintergründen des in der Türkei seit langen Jahren andauernden
  Krieges 
        zwischen der türkischen Armee und der kurdischen PKK zog sie die Aufmerksamkeit 
        des Staates auf sich. Sie wurde festgenommen, unter Folter verhört und 
        ins Gefängnis gesteckt. Nach zweieinhalb Jahren wurde sie aus der Haft 
        entlassen und arbeitet seitdem aktiv in der Frauen- und Friedensbewegung. 
        Sie ist Mitgründerin der Frauenkooperative Amargi und organisierte nach 
        ihrer Haftentlassung sehr erfolgreich „Frauentreffen“ für einen Dialog 
        und Austausch in kurdischen Städten, zu denen sie mit anderen engagierten 
        Frauen aus den türkischen Metropolen fuhr. Auch die Aktion „Frauen laufen 
        aufeinander zu“, bei der aus verschiedenen Städten der Türkei Frauengruppen 
        zu langen Fahrten ins zentral gelegene Konya aufbrachen, wurde von Pınar 
        Selek mit initiiert. Weiterhin engagierte sie sich für Gewaltopfer wie 
        im Fall von Gülbahar Gündüz, die von Polizisten verschleppt und vergewaltigt 
        worden war, und in der Organisierung der Frauenbewegung. 2004 veröffentlichte 
        sie das Buch „Barışamadık“ (Wir haben keinen Frieden geschlossen), in 
        dem sie die Friedensbewegung und den Militarismus in der Türkei analysiert. 
        Sie schreibt außerdem für die Tageszeitung „Ülkede Özgür Gündem“. Zum 
        Prozess: Wessen sie angeklagt wurde, erfuhr Pınar Selek anderthalb Monate nach 
        ihrer Verhaftung, als sie nach Folter und Verhören im Gefängnis Nachrichten 
        schaute. Sie wurde verantwortlich gemacht für eine Explosion in einem 
        belebten Basar in Istanbul am 9. Juli 1998, bei dem sieben
  Menschen 
        ums Leben kamen und weitere 120 verletzt wurden. Seit sieben Jahren läuft 
        ein Prozess gegen sie und weitere 14 Angeklagte, von denen sich zur Zeit 
        noch drei in Haft befinden. Der Prozess war von Beginn an geprägt von 
        Ungereimtheiten, die das Konstrukt der Anklage immer deutlicher werden 
        ließen. So ließ das Gericht im Laufe der Jahre immer neue Sachverständigengutachten 
        anfertigen, die aber stets das gleiche Ergebnis lieferten: Ursache der 
        Explosion in dem Basar sei eine geplatzte Gasflasche gewesen, keine Bombe. 
        Auf Drängen des Innenministeriums und der Istanbuler Polizeidirektion 
        wurde schließlich von der Kriminalabteilung der Jandarma ein neues Gutachten 
        erstellt, von dem Professorin Inci G. Gökmen von der Technischen Universität 
        Mittlerer Osten erklärte, sie sei aufgefordert worden, es zu unterschreiben, 
        nachdem zwei weitere Dozenten es bereits abgesegnet hatten. Sie lehnte 
        ab und veröffentlichte am 10.07.2002 ein eigenes Gutachten, in dem die 
        These vertreten wird, dass die Explosion im Zusammenhang mit einer defekten 
        Gasflasche steht. Unter Folter erpresste Zeugenaussagen gegen Pınar Selek 
        sind inzwischen wieder zurück genommen worden. Bei der letzten Hauptverhandlung 
        am 28.12.2005 forderte der Staatsanwalt in seinem Abschlussplädoyer zur 
        Verblüffung aller Prozessbeobachter für Pınar Selek und vier weitere Angeklagte 
        eine lebenslängliche Haftstrafe. Die Verhandlung wurde auf den 17. Mai 
        2006 vertagt. Der 
        bisherige Verlauf des Prozesses macht deutlich, dass Pınar Selek mit einer 
        konstruierten Anklage zum Schweigen und zur Untätigkeit verurteilt werden 
        soll. Ähnlich wie in den bekannt gewordenen Fällen des Schriftstellers 
        Orhan Pamuk und des armenischen Verlegers Hrant Dink geht es um die Unterdrückung 
        unliebsamer Positionen. Zweck des Prozesses gegen Pınar Selek ist die 
        Verhinderung ihrer politischen Arbeit, die sich nie darauf beschränkte, 
        gesellschaftliche Probleme anzuprangern, sondern Menschen zusammenbringt, 
        um über ein gegenseitiges Verständnis Wege für ein friedliches Zusammenleben 
        aller zu ebnen.  Pressemitteilung:ISKU | Informationsstelle Kurdistan e.V.
 Hamburg, 12.Januar 2006
  Anhang:„Ein völlig absurder Prozess!“
 Von Müjgan Arpat, aus: Gündem Frauenbeilage, 07.01.2006, ISKU
 „Wir sind Zeuginnen“
 Unterstützungserklärung Intellektueller aus der Türkei
 pdf-Datei:Pressemitteilung
 "Ein völlig absurder Prozess
 
 weitere 
        Texte und Artikel: Sie 
        haben das beschmutzt, was für uns von größter Reinheit war Tag 
        des Urteils für Pinar Selek Prozesse 
        wegen Meinungsfreiheit in der Türkei Erneut 
        kein Urteil im „Misir-Basar-Prozess“
 Schlussplädoyers im „Misir-Basar-Prozess“
 jW: 
        Verhandlung gegen Pinar Selek vertagt Kein 
        Urteil im Prozess gegen Pinar Selek  Verteidigung 
        Pinar Seleks in der Verhandlung am 17. Mai 2006 jW: 
        Komplott gegen Pinar Selek  
         Pinar 
        Selek legt heute ihre Verteidigung vor "Gebt 
        mir wenigstens die Erlaubnis, wie eine Kakerlake zu leben" „Ich 
        lebe, trotz allem…“Interview 
        mit Pinar Selek in der türkischen Tageszeitung Sabah
 Anzeige 
        gegen Unterstützer von Pinar SelekPınar 
      Selek: Stoppt dieses Grauen... 
 Pinar 
        Selek: Die Herrschaft der Angst 282 
        ZeugInnen für Pınar Selek! Freiheit, 
        gibt es das? DTP 
        und die Hoffnung  
        Pinar 
        Selek: Trotz allem Soziologie Pinar 
        Selek: Frieden? 
 Ermittlungsverfahren gegen
 Gündem-Journalisten
 
 Reinheit 
        und Aufrichtigkeit
 
 20 
        Fraueneinrichtungen zeigen
 Solidarität mit Pinar Selek
 
 Soviele Fehler kann ein
 Rechtsstaat nicht ertragen
 
 Lebenslange 
        Haft beantragt
 
 36 
        weibliche Intellektuelle unterstützen Pinar Selek
 
 Der Nationalstaat basiert auf Assimilation
 
 Der Frieden hängt von uns ab
 
 Drohungen…
 
 PINAR SELEK: Ich bereue...
  Aus 
        dem Funken ist ein Feuer entstanden  
        Ein Weg aus bunten Tüchern Die 
        Bündel mit Worten von Freiheit füllen
 Verschleppt und vergewaltigt
 
 Länderbericht zur Türkei von amnesty international
 
 Der Kulturrevolution entgegen
 
 Interview mit Pinar Selek
 
 Frauen wollen Frieden
 Auch 
        wir haben einen Tanz 
 weitere Initiativen:American 
        Association for the Advancement of Science | mit vorgefertigten Protestschreiben 
        an türkische Politiker in englischer Sprache
   |  |  |  | 
 Initiative 
        „Solidarität mit Pinar Selek“c/o ISKU e.V.
 Schanzenstraße 117
 20357 Hamburg
 eMail: pinarselekledayanisma@nadir.org
Hamburg, 8. Juni 2006
 Pressemitteilung
 - Freispruch für Pinar Selek -
 
 Heute fand vor dem 12. Schweren 
        Strafgericht in Istanbul-Besiktas die Urteilsverkündung im Prozess um 
        die Explosion im Misir-Basar im Jahr 1998 in Istanbul statt. Die Soziologin 
        Pinar Selek wurde freigesprochen. Das Gericht erklärte, es gebe 
        keine konkreten Beweise dafür, ob die Explosion durch einen Bombenanschlag 
        oder durch ein eine defekte Gasflasche verursacht wurde. Der Anklagepunkt 
        „Unterstützung einer illegalen Organisation“ gegen Pinar Selek und weitere 
        Angeklagte wurde wegen Verjährung fallen gelassen. Drei der insgesamt 
        15 Angeklagten wurden wegen „Mord im Auftrag der PKK“ in einem anderen 
        Fall zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, zwei weitere zu 
        jeweils 12,5 Jahren und einer zu fünf Monaten.  Pinar Selek war bei der Urteilsverkündung 
        nicht anwesend, sondern nahm in der gleichen Zeit an einem von Antimilitaristen 
        organisierten Antigewalttraining teil. Auch in Pinars Namen bedanken 
        wir uns bei allen, die unsere Kampagne für einen Freispruch unterstützt 
        haben. Der Verlauf des acht Jahre andauernden Prozesses hat gezeigt, dass 
        ein Freispruch ohne die hergestellte Öffentlichkeit sehr fraglich gewesen 
        wäre. An dieser Stelle möchten wir daran erinnern, dass in der Türkei 
        nach wie vor zahlreiche Prozesse gegen unliebsame AktivistInnen geführt 
        werden, um diese mundtot zu machen. Auch in diesen Fällen mit z.T. weniger 
        prominenten Angeklagten ist eine kritische Beobachtung durch die internationale 
        Öffentlichkeit gefordert. ______________________________________________________________________________ Ein 
        völlig absurder Prozess!Von 
        Müjgan Arpat Als 
        Pınar Selek vor fünf Jahren aus dem Gefängnistor trat und sagte: „Trotz 
        allem werde ich meinen Kampf für Frieden fortsetzen“, haben wohl aufgrund 
        ihrer Erlebnisse wenige, außer den Menschen ihrer näheren Umgebung, daran 
        geglaubt. Denn es war ja auch kein leichter Brocken, den sie zu schlucken 
        hatte: In der Öffentlichkeit wurde sie, eine Frau, die feministisch, antimilitaristisch, 
        gegen jede Art von Gewalt produzierenden Machtmechanismen eingestellt 
        und in ihrem Kampf nicht oberflächlich und rhetorisch blieb, sondern sich 
        mitten hinein stürzte, plötzlich der Öffentlichkeit als Bombenlegerin 
        präsentiert. Sie war festgenommen, mit Stromschlägen bearbeitet, am Palästinenserhaken 
        aufgehängt und weiteren Foltermethoden ausgesetzt worden. Während ihrer 
        zweieinhalbjährigen Haftzeit erlebte sie das Todesfasten und die berüchtigte 
        Gefängnisoperation vom 19. Dezember 2000. Die Polizisten, die sie festnahmen, 
        sagten zu ihr: „Du wirst schon sehen, du wirst es nicht aushalten können 
        und dich umbringen“.  Aber 
        Pınar Selek fand im Gefängnis die Möglichkeit, mit Kriegsopfern zusammen 
        zu kommen und ihren Kampf noch besser zu begreifen. Als sie das Gefängnis 
        verließ, war sie stärker als zuvor. Lachend merkt sie an, dass das Gefängnis 
        für eine Soziologin „ohnehin ein Paradies“ sei. Sofort nach ihrer Entlassung 
        setzte sie ihren Friedenskampf dort fort, wo sie ihn vor zwei, drei Jahren 
        unterbrechen musste – zum Missfallen vieler. Eine 
        Auflistung ihrer Projekte und Arbeit würde den Rahmen dieses Artikels 
        sprengen. Die LeserInnen dieser Zeitung kennen sie ohnehin. Trotzdem möchte 
        ich ein paar Beispiele nennen. Direkt nach ihrer Freilassung gründete 
        Pınar Selek mit feministischen Frauen die Frauenkooperative „Amargi“. 
        Sie arbeitet in verschiedenen Feldern der Friedens- und Frauenbewegung. 
        Bevor sie ins Gefängnis kam, hatte sie eine Untersuchung zur Gewalt gegen 
        Transsexuelle und Transvestiten in Istanbul begonnen, die sich nach ihrer 
        Haftentlassung abschloss. Diese Arbeit wurde als Buch veröffentlicht. 
        Danach veröffentlichte sie das Buch „Wir haben keinen Frieden geschlossen“, 
        in dem sie mit feministischem Blickwinkel die Friedensbewegungen und den 
        Militarismus im Land hinterfragte und untersuchte.  In 
        dieser Zeit habe ich Pınar kennen gelernt. Ich kam gerade aus dem Ausland 
        und war auf der Suche nach etwas, das ich tun könnte. Und ich fand Pınar. 
        Sie schien nicht aus diesem Land zu kommen. Normalerweise beschäftigen 
        sich die Menschen leider nur mit den eigenen Problemen. Pınar hatte zu 
        allen „anderen“, allen Diskriminierten, allen Unterdrückten etwas zu sagen. 
        Sie bezog Stellung und kämpfte. Sie war einer der wenigen Menschen, die 
        das, was sie sagen, auch leben. Sie war zu einem Teil des Kampfes gegen 
        den Krieg geworden, der in diesem Land seit Generationen andauerte. Mit 
        den Soziologen, die am Schreibtisch Wörter produzieren und Feldforschung 
        betreiben, ohne mit den Menschen, denen ihre Untersuchung gilt, den geringsten 
        Kontakt zu haben, hatte sie keine Ähnlichkeit. Können Sie sich vorstellen, 
        während Sie mit Straßenkindern arbeiten, monatelang mit ihnen auf der 
        Straße zu leben und zu schlafen? Oder während einer Untersuchung zu Gewalterlebnissen 
        von Transsexuellen und Transvestiten mit ihnen zu leben, die gleichen 
        Reaktionen aus der Gesellschaft zu erfahren und den Moment mit zu erleben, 
        wenn diese gezwungen sind, sich selbst zu verkaufen? Haben Sie jemals 
        die Bedingungen geschaffen, auf Treffen und Versammlungen die gleichen 
        Männer, die jetzt als Demokraten und Revolutionäre auftauchen, sehen und 
        dabei die Scheinheiligkeit der Gesellschaft erkennen zu können? Pınar 
        ist eine, die mit denen lebt, arbeitet und kämpft, die zu „anderen“ gemacht 
        wurden. Weder 
        in ihren Untersuchungen noch in ihrem politischen Leben kommt Oberflächlichkeit 
        vor. Wort und Leben sind eins bei ihr. Auf welchem Gebiet sie auch arbeitet, 
        zunächst geht sie mit der Neugier eines Kindes zwischen die Menschen, 
        die zu „anderen“ gemacht werden, die diskriminiert oder unterdrückt werden. 
        Sie hört ihnen zu, versucht zu begreifen und sagt erst dann, was sie zu 
        sagen hat.  Das 
        Komplott, mit dem sie zur „Bombenlegerin im Misir-Basar“ gemacht worden 
        ist, ist meiner Meinung nach genau aus diesem Grund konstruiert worden. 
        Pınar wollte immer untersuchen, welche Gründe es für den seit Jahrzehnten 
        herrschenden Krieg in diesem Land gibt, welche Kräfte einen Frieden verhindern, 
        wer von einer Fortsetzung des Krieges profitiert, was die PKK als eine 
        der Kriegsparteien zu diesem Thema denkt und was für eine Politik sie 
        verfolgt. In ihrem Buch „Wir haben keinen Frieden geschlossen“ zitiert 
        sie Quincy Wright mit folgenden Worten: „Wenn ein Krieg beendet werden 
        soll, müssen zunächst die Gründe dafür verstanden werden. Um zu verstehen, 
        muss man das Thema untersuchen“.  Als 
        feministische und antimilitaristische Soziologin wollte Pınar Selek genau 
        das tun. Um den Krieg zu begreifen, wollte sie seine Ursachen untersuchen 
        und eine Antwort auf die Frage finden: „Wie können wir die Gewalt aus 
        den gesellschaftlichen Beziehungen ausschließen und Frieden schließen?“. 
        In ihrem Buch sagt sie: „Wir haben keinen Frieden schließen können. In 
        diesem Land wird Politik seit Tausenden von Jahren mit Waffen gemacht. 
        Die Unbewaffneten werden zuerst isoliert, dann wie Sekten an das System 
        gebunden. Das lang andauernde Schweigen schärft die Wut wie ein Messer. 
        Die eigene Geschichte wird aus dem Nebel heraus gefiltert und denen gegenüber, 
        die diese Geschichte nicht kennen, laut heraus geschrien. Ohne die Geschichte 
        der Aufstände, Verbote, Kerker, Massaker und Völkermorde [...] zu kennen, 
        können wir auch die Motivation derer nicht begreifen, die Waffen in den 
        Händen halten und ihr Leiden herausschreien. Es wurde nie darüber diskutiert, 
        warum die Frau, die sich 1996 in einer Gruppe von Soldaten in die Luft 
        sprengte, Zilan hieß. Dabei gibt es immer noch Menschen, denen die Traueroden 
        aus dem Massaker am Bach Zilan in den Ohren klingen“. Warum 
        ist Pınar in dieses Komplott geraten? Pınar Selek erkannte bei Gesprächen 
        mit PKKlern, dass auch diese nach Möglichkeiten suchten, den Krieg zu 
        beenden und einen Kampf ohne Waffen zu führen. Aber diese Suche passte 
        den militaristischen Kräften nicht, die von einer Fortsetzung des Krieges 
        profitieren. Sie entwarfen ein Komplott-Szenario für Pınar Selek, das 
        sie umgehend in die Tat umsetzten. Ihre Forschungsarbeit wurde ihr weggenommen. 
        Ganze anderthalb Monate nach ihrer Festnahme wurde sie erstmalig mit der 
        Anschuldigung konfrontiert, eine Bombe im Misir-Basar gelegt zu haben. 
        Bei ihrer Festnahme und während der unter Folter stattfindenden Verhöre 
        wurde keine einzige Frage im Zusammenhang mit der Explosion gestellt. 
        Sie selbst erfuhr von der Anschuldigung, die Verantwortliche für die Explosion 
        zu sein, in den Nachrichten im Fernsehen, nachdem sie verhaftet und ins 
        Gefängnis überstellt worden war. Das Szenario für das Komplott wurde aus 
        unter Folter erpressten Aussagen, vorschriftswidrigen Verhören und gefälschten 
        Protokollen erstellt.  Ich 
        finde den Prozess gegen Pınar Selek im Zusammenhang mit der Explosion 
        im Misir-Basar immer noch so absurd, dass ich ihn gar nicht weiter ernst 
        genommen habe, weil ich immer davon ausgegangen bin, dass sie früher oder 
        später freigesprochen werden muss. Es ging mir mehr um den Zeitpunkt, 
        damit diese Gewalt, die gegen Pınar ausgeübt wird, ein schnelles Ende 
        findet. Aber wie alle anderen auch, wurde ich am 28. Dezember 2005 durch 
        das Schlussplädoyer des Staatsanwaltes eines Besseren belehrt. Die Staatsanwaltschaft 
        forderte eine lebenslange Haftstrafe für Pınar Selek. Als ob der gesamte 
        Prozess nicht stattgefunden hätte, als ob die gesamte Anklage nicht mit 
        Beweisen, wissenschaftlichen Gutachten und Zeugen widerlegt worden wäre, 
        wurden im Plädoyer lediglich die Anklagepunkte vom Anfang wiederholt. 
        Ich würde gerne wissen, ob der Herr Staatsanwalt noch ruhig schlafen kann. In 
        den Akten und an den Verhandlungstagen sind so viele Dokumente und Beweise 
        hervor gebracht worden, die belegen, dass es sich bei der Anklage um ein 
        erdachtes Szenario handelt, dass es mir schwer fällt, zu entscheiden, 
        welchen Punkt ich zuerst nennen soll. So wurde Pınar Selek in Kurtulus 
        festgenommen, aber im Polizeiprotokoll steht als Festnahmeort Beyoglu, 
        Oda Kule. Im Protokoll findet sich unter den Gegenständen, die bei ihr 
        bei der Festnahme gefunden und beschlagnahmt worden sind, kein Schlüssel, 
        aber im Protokoll zur Tatortbegehung ist vermerkt, dass die „Werkstatt 
        mit dem bei Pinar Selek aufgefundenen Schlüssel geöffnet“ worden ist. 
         Mit 
        wissenschaftlichen Gutachten, die während des Prozesses von verschiedenen 
        Institutionen erstellt worden sind, wird belegt, dass Ursache der Explosion 
        nicht eine Bombe, sondern eine Gasflasche gewesen ist. Abdülmecit Öztürk 
        als einer der Zeugen hat ausgesagt, dass er Pınar Selek nicht kennt, gefoltert 
        worden ist und seine unter Folter erpresste Aussage falsch ist. Es hat 
        sich herausgestellt, dass es sich bei denjenigen, die unter Folter gegen 
        Pınar Selek ausgesagt haben, nicht um PKK-Überläufer handelt, sondern 
        um Sedat Pekers Männer [Nationalistischer Krimineller, der trotz mehrerer 
        Anklagen und längerer Untersuchungshaft niemals rechtskräftig verurteilt 
        wurde]. Und so wurde Pinar Selek nach zweieinhalb Jahren aus der Haft 
        entlassen, als das Komplott durch Gutachten und andere Beweise aufflog 
        und auch die Öffentlichkeit nicht mehr an ihre Schuld glaubte. Nach 
        ihrer Freilassung intervenierten sowohl das Innenministerium als auch 
        die Istanbuler Polizeidirektion in der Besorgnis, weitere Details des 
        Komplotts könnten bekannt werden, auf illegale Weise in das Gerichtsverfahren, 
        indem sie ohne in irgendeiner Weise vom Gericht dazu aufgefordert zu sein, 
        trotz etlicher bereits bestehender Gutachten die Forderung aufstellten, 
        eine neue Abordnung aus Wissenschaftlern müsse zusammen gestellt werden. 
        Damit übten sie Druck auf das Gericht aus und beeinflussten den Verlauf 
        des Prozesses. Trotz 
        des Einspruches der Verteidigung, diese Intervention sei illegal und dürfe 
        nicht in die Akten eingehen, erfüllte das Gericht die Forderung und schickte 
        die Akte auf Beschluss vom 27.02.2002 an das im Rahmen der EU-Anpassungsgesetze 
        inzwischen aufgehobene Staatssicherheitsgericht (DGM) in Ankara – als 
        ob es in Istanbul keine Fachleute für dieses Thema gebe – und forderte 
        von einer fünfköpfigen Kommission, in der sich auch zwei Jandarma-Angehörige 
        befanden, ein neues Gutachten. Prof. Inci G. Gökmen von der Technischen 
        Universität Mittlerer Osten gab daraufhin eine Erklärung ab, sie sei in 
        die Kriminalabteilung der Jandarma zitiert worden, wo sie aufgefordert 
        worden sei, ein Gutachten zu unterzeichnen, das von der Jandarma erstellt 
        und von zwei weiteren Dozenten bereits unterschrieben worden sei. Dieses 
        habe sie abgelehnt. In einem eigenen Gutachten, das die Professorin am 
        10.07.2002 veröffentlichte, wird die These vertreten, dass die Explosion 
        im Zusammenhang mit einer defekten Gasflasche steht. Von 
        Anfang an wurde mehrmals versucht, auf rechtswidrige Weise in das Verfahren 
        einzugreifen. Verschiedene Abteilungen der Polizei und andere Gruppen 
        bemühten sich, eigene Schreiben als Beweise in die Akten aufnehmen zu 
        lassen. Ein weiterer Beleg dafür, dass der Prozess unter Druck von oben 
        verläuft, ist die Tatsache, dass aus unbekannter Stelle innerhalb des 
        Justizministeriums eine kontinuierliche Berichterstattung über den Verlauf 
        des Prozesses angefordert und vom Gericht aus dieser Forderung nachgekommen 
        wird.  Es 
        ist alles getan worden, damit der zu einer Lügengeschichte gewordene und 
        seit sieben Jahren andauernde Prozess kein Ende findet. Staatsanwaltschaft, 
        Polizei, Innen- und Justizministerium haben Druck gegen das Gericht ausgeübt. Der 
        Prozess zur Explosion im Misir-Basar wird immer noch selbst von der demokratischen 
        Öffentlichkeit nicht wie die Prozesse, die nach den die Meinungsfreiheit 
        einschränkenden Paragraphen 301 oder 305 eingeleitet worden sind, bewertet. 
        Meiner Meinung nach sollten die Intellektuellen und Demokraten der Türkei 
        dem Prozess gegen Pınar Selek, der auf einem Komplott beruht, das aufgrund 
        der wissenschaftlichen Arbeit Seleks inszeniert wurde, die gleiche Aufmerksamkeit 
        schenken wie den anderen Prozessen, in denen es um Meinungsfreiheit geht. 
        Sie sollten Pınar in ihrem Kampf nicht allein lassen. Ich 
        frage mich auch, wie die Türkei auf dem Weg in die EU diesen Prozess Europa 
        erklären will. Quelle: 
        Gündem Frauenbeilage, 07.01.2006, ISKU
 
        
          | Wir 
              sind Zeuginnen   Wir, 
              die Unterzeichnenden, sind Zeuginnen dafür, dass Pınar 
              Selek eine 
              feministische, antimilitaristische Gewaltgegnerin und Forscherin 
              ist. Wir sind davon überzeugt, dass sie mit den Anschuldigungen, 
              die ihr seit Jahren zur Last gelegt werden, nichts zu tun hat und 
              fordern, ihre Arbeit und ihre Forschung im Rahmen der Gedankenfreiheit zu 
              bewerten.
 Ihre Arbeit kann nicht als Straftat betrachtet werden.
 Wir erklären hiermit, dass wir deshalb an der Seite der Soziologin 
              Pınar Selek stehen.
 Prof. Aksu Bora, Aslı Altan, Aslı Erdoğan (Autorin), Ayfer Tunç 
              (Autorin), Yrd. Doç. Ayşe Parla, Ayşe Günaysu (Dolmetscherin), Berat 
              Günçıkan (Journalistin), Esra Kahraman (Journalistin), Doç Dr. Filiz 
              Kardam, RA Filiz Kerestecioğlu, Filiz Karakuş, Filiz Koçali (SDP-Vorsitzende), 
              Gaye Boralıoğlu, Güldal Kızıldemir, Güler Kazmacı (Journalistin), 
              Gülnur Savran (Autorin), Prof. Jale Parla, Jülide Kural (Theaterschauspielerin), 
              Karin Karakaşlı (Autorin), Müjgan Arpat (TV-Korrespondentin), Neşe 
              Şen, Nevin Sungur (TV-Korrespondentin), Nilgün Yurdalan, Nilüfer 
              Akbal (Sängerin), Perihan Mağden (Autorin), Pınar İlkkaracan (Psychotherapeutin), 
              Dr. Selma Acuner, Prof. Dr. Semra Somersan, Prof. Sibel Irzık, Sırma 
              Köksal (Verlegerin), Prof. Şebnem Korur Fincancı, Talin Sucuyan 
              (Journalistin), Yaprak Zihnioğlu (Autorin), Yüksel Selek (Philosophin), 
              Zeynep Atikkan (Journalistin), Zeynep Tanbay (Tanzkünstlerin).
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