Licht am Horizont
Annäherungen an die PKK
V. Rolle der Führung in geschichtlichen und revolutionären Prozessen
V.4. Revolutionäre Führung heute
V.5. Führung gesellschaftlicher Prozesse in der kurdischen Gesellschaft
V.6.1. Entstehung und Entwicklung der PKK

V.5. Führung gesellschaftlicher Prozesse in der kurdischen Geschichte

Das kurdische Volk ist eines der Völker, dessen Geschichte am meisten durch einen akuten Mangel an Führung gelitten hat.

Die Vorfahren der Kurden, die Meder, kamen wahrscheinlich um 1000 v.u.Z. aus Nordeuropa und siedelten zwischen Urmiya-See und Van. Nach vielen Kriegen besiegten die Meder zuerst die Perser und dann 612 v.u.Z. die Assyrer. 550 v.u.Z. wurden die Meder wiederum von den Persern niedergerungen. Es begann eine Zeit der Besatzungen, wodurch die kulturelle Entwicklung zunächst stillgelegt wurde. Durch die Gründung von Klan-Konföderationen konnte ein gewisser Schutz vor dem assyrischen Imperium errichtet werden. Die erreichte Einheit hatte bereits eine solche politische Stärke, daß sich ihr auch andere ethnische Gruppen anschlossen. Durch diesen Zusammenschluß kam es zur Vermischung von kulturellen und gesellschaftlichen Merkmalen.

Die Ausdehnung wechselnder antiker Reiche brachte die Kurden später dazu, sich in die Berge zurückzuziehen und von dort aus Widerstand zu leisten. Das Fehlen einer politischen Einheit schwächte wiederum Jahrhunderte später den Widerstand gegen die Zwangsislamisierung. Mit Beginn der Herrschaft der Araber wurden Kapitulation und Verrat gelebt. Die Islamisierung bringt auch einen Feudalismus von oben.

Bis zum Beginn der türkischen Besatzung im 11. Jahrhundert brachte der Feudalismus gewisse soziokulturelle Entwicklungen mit sich. Aufgrund von Kapitulation und Kollaboration konnten die sozialen und kulturellen Entwicklungen nicht mehr fortgesetzt werden. Während sich im Europa des 16. Jahrhunderts der Kapitalismus zu entwickeln begann und der Feudalismus seinen rückständigen Charakter verstärkte, dauerte die Existenz starker Feudalstaaten jedoch noch an. Einen ständigen Interessenskonflikt um Kurdistan gab es zwischen dem osmanisch-türkischen Fürstentum, dem Sultanat der Mameluken und dem Safawidenstaat. Die Osmanen nutzen die schlechten Beziehungen der kurdischen Fürsten zu den Safawiden, um erstere für sich zu gewinnen. Durch Versprechen und andere Taktiken gelang es den Osmanen, den kurdischen Fürsten Idrisi Bitlisi, der die kurdischen Fürstentümer einigte, an sich zu binden. Mit Hilfe der Kurden gelang dann der Sieg über die Safawiden - und plötzlich war ganz Kurdistan in osmanischer Hand. Durch die politische und militärische Stärke der kurdischen Fürsten wurde zugleich das Osmanische Reich geschützt, die Fürstentümer erlangten eine wichtige strategische Bedeutung. Zugleich sahen sich die Osmanen veranlaßt, die Gebiete durch eine Politik des 'Teile und Herrsche' zu schwächen. Es wurden territoriale Untereinheiten gebildet. Die Herrscher, die sich dagegen stellten, wurden vernichtet. Das Osmanische Reich verlor immer mehr Territorien, und gleichzeitig wuchs der Ausbeutungsdruck in Anatolien. Die Fürsten rebellierten gegen diese Einschränkung ihrer Macht. Zwei Aufstände, 1806 und 1820, wurden jeweils in kurzer Zeit niedergeschlagen. Der osmanische Herrscher Mahmut II. wollte anstelle der Armee eine neue Militärorganisation einführen, für deren Aufbau er die Unterstützung der kurdischen Fürsten in Anspruch nehmen wollte. Wenig später erreichte der Aufstand von Bedirhan Bey 1842 zunächst eine kurze Unabhängigkeit, wurde aber bald von seinem Cousin Yezdan Izattin Ser verraten. Später haben die Söhne des Bedirhan Bey erneut rebelliert, was auf eine kurze Tradition des Widerstandes verweist.

Die kurdischen Herrscher versuchen vom osmanisch-russischen Krieg 1877-78 zu profitieren. Vor allem gegen Ende des 19. Jahrhunderts griff das Osmanische Reich für seine Kriegsausgaben immer mehr auf Kurdistan zurück. Die verarmte Bevölkerung rebellierte von Zeit zu Zeit dagegen, und wandte sich aus Mangel an Führern Seyh Ubeydullah zu, der den Aufstand von 1880 vorbereitete. Ziel war zunächst die Errichtung eines kurdischen Nationalstaats. Zunächst wurde der Aufstand von den Osmanen unterschätzt, später jedoch gemeinsam mit persischen Kräften niedergeschlagen. Seyh Ubeydullah kapitulierte. Ursache für den Aufstand war der Widerstand gegen eine verschärfte Unterdrückung der Kurden, was sich in einer größeren Zahl zu rekrutierenden Soldaten und erhöhter Steuern und Abgaben sowie in wachsendem Druck auf die Bevölkerung widerspiegelte - aber wesentlich in spontaner Rebellion zum Ausdruck kam. Weil der nationale Charakter des kurdischen Volkes aber auch auf der Stammesstruktur und religiösen Gedanken basierte, konnten die Aufstände niedergeschlagen werden. Die kurdische Persönlichkeit reagierte in diesem Zusammenhang nur auf die Gefährdung eigener Interessen, es existierte noch kein Bezug auf gesamtgesellschaftliche Werte, bzw. waren diese noch nicht verinnerlicht. Die Ideale der bürgerlichen Aufklärung, wie Freiheit, Gleichheit, Menschenrechte, waren in Kurdistan zu dieser Zeit aus naheliegenden Gründen noch nicht präsent. Der Begriff der Ehre und des Glaubens wurde nur auf den eigenen Klan bzw. Stamm bezogen. Die kurdischen Fürsten setzten sich nur für die persönliche Macht und die eigenen Bedürfnisse ein und waren damit anfällig für Kapitulation und Kollaboration gegenüber den Herrschenden, bis hin zur Übernahme von Agentenfunktionen. Unter den Bedingungen eines fehlenden nationalen Rahmens konnten Individuen keine Führungseigenschaften entwickeln, selbst nicht die Angehörigen der privilegierten Schichten, die dazu eigentlich prädestiniert waren. Die gesellschaftliche Entwicklung war also in dieser Hinsicht blockiert.

In der Regierungszeit von Sultan Abdulhamid wurde nach innen eine proislamische, nach außen eine pro-deutsche Politik verfolgt. In diesem Rahmen entwickelte sich die türkische Bourgeoisie, jedoch eingeschränkt dadurch, daß verschiedene Schutzmechanismen für das Feudalsystem existierten.

Zur Niederschlagung nationaler Aufstände wurden 1891 die kurdischen 'Regimenter von Abdulhamid' gebildet. Damit waren die kurdischen Fürsten ein weiteres Mal betrogen worden. Mit den 'Hamidiye Regimentern' akzeptierten sie erneut, eine Entwicklung der kurdischen Nation grundsätzlich in Frage zu stellen. Denn mit diesen Einheiten sollten nicht nur kurdische Aufstände eingedämmt, sondern auch Volksbewegungen in Armenien und auf dem Balkan niedergeschlagen werden. An den Hamidiye-Regimentern beteiligten sich nur sunnitische Stammesführer, deren Territorien als die 36 'blutigen Fürstentümer' berühmt-berüchtigt waren. Vor allem mit alevitischen Stämmen gingen sie barbarisch um. 1906 protestierten Teile der kurdischen Bevölkerung in Bitlis, Viransehir und Diyarbakir gegen diese Politik, jedoch weiterhin ohne nationale Organisierung. Diese Aufstände wurden mit dem Zugeständnis einiger Rechte gestoppt.

Am 24. Juni 1908 kommt die 'Partei für Einheit und Fortschritt' (Ittihat ve Terakki-Partisi) an die Macht, die zweite konstitutionelle Regierung wird proklamiert, sie stellt Pan-Türkismus und -Turanismus in den Vordergrund ihrer Politik. Die Minderheiten, gegen die sie gerichtet war, versuchten zu ihrem eigenen Schutz eine gemeinsame Haltung einzunehmen und organisierten sich unter anderem in verschiedenen Vereinen. Das galt auch für kurdische Intellektuelle und Politiker, die auch Zeitschriften herausgaben, in deren Titel der Begriff Kurdistan auftauchte.

Ergebnis war auch, daß die feudale Kompradorenklasse wieder belebt wurde. Ziel war unter anderem, sie von ihrem eigenen Land, von ihren Ursprüngen, dem Volk, zu trennen und nach Istanbul zu ziehen.

So wurden die von ihren jugendlichen Kindern in Istanbul gegründeten Vereine vom Staat überwacht, was die Entstehung einer nationalen Führung verhinderte. Auf der anderen Seite war der türkischen Nationalismus am Wachsen, unter anderem auf der Basis der Armee und im Rahmen der Staatsbildung.

Im I. Weltkrieg war das Osmanische Reich besiegt worden und löste sich im Kampf mit den imperialistischen Mächten auf, wodurch auch die türkische Bourgeoisie geschwächt wurde. Damit entstanden Möglichkeiten der nationalen Befreiung des kurdischen Volkes, die aber nicht genutzt wurden. Zum einen aus dem Grund, das keine Klasse vorhanden war, die eine Avantgarde spielen konnte, zum zweiten wurde die Religion gegen die Kurden ausgespielt. Drittens wurden künstliche Konflikte zwischen Armeniern und Kurden geschürt, die den kurdischen Nationalismus schwächten, aber die türkische Bourgeoisie stärkten. Letztere begriff, daß sie sich dem Kapitalismus anpassen mußte und setzte darauf, die Massen intensiver auszubeuten. Grund für den mangelnden Erfolg kurdischer Aufstände ist letztendlich, daß ein kapitalistisches System, das türkische, ein feudales, das kurdische, besiegte. Dem entsprach die ideologische, politische und soziale Basis dieser Auseinandersetzungen. Der türkische Kapitalismus war jedoch nicht organisch aus einer inneren Entwicklung gewachsen, sondern von außen oktroyiert worden. Die Defizite des türkischen Kapitalismus wurden mit militärischer Gewalt überdeckt, eine progressive Seite existierte nicht. Dieser Kapitalismus ging eine Synthese mit dem türkischen Nationalismus ein.

Führung in der kurdischen Gesellschaft nach Entstehung
der türkischen Republik

Mustafa Kemal hatte die Kurden als taktische Alliierte für den türkischen Befreiungskampf gewonnen, betrog sie aber gleichzeitig, da er ihre schrittweise Vernichtung plante. Die kurdischen feudalen und religiösen Autoritäten fühlten sich betrogen und stellten sich an die Spitze nationaler Aufstände. Noch vor Gründung der TR fand die erste einer langen Reihe von Erhebungen in Kocgiri statt, die Sivas, aber teilweise auch und Erzincan erfaßte. Die Aufständischen ließen sich provozieren und ihre Rebellion wurde von Topal Osman und Nasrettin Pascha, zwei Banditenführern, erbarmungslos niedergeschlagen.

1925 wurde im Norden Kurdistans der Scheich-Said--Aufstand begonnen, der sich innerhalb von zwei Wochen auf vierzehn Provinzen ausdehnte. Der türkische Ministerpräsident Fethi Okyar trat zurück, weil sein Versuch einer unblutigen Beendigung der Erhebung mißlang. Sein Nachfolger wurde Ismet Inönü. Der ungenügend vorbereitete Aufstand, der auch nach seinem verfrühten Beginn nur schlecht organisiert war und in dem es an nationalem Bewußtsein mangelte, wurde innerhalb von zwei Monaten niedergeschlagen. Scheich Said und seine Anhänger wurden durch sogenannte 'Unabhängigkeitsgerichte' zum Tode verurteilt und hingerichtet. Zur Anwendung kam dabei ein Gesetz, das in vielem den heutigen Gesetzen für die kurdischen Ausnahmezustandsgebiete ähnelt.

Nach dem Aufstand wurde die kemalistische Politik gegenüber den Kurden institutionalisiert. Eine dieser Institutionen waren die 'Freiheitsgerichte', die alle populären Führungsversuche zerschlagen sollten. 1934 wurden dann die Zwangsmigrationsgesetze für aufständische Gebiete erlassen. Sie enthielten auch die Festlegung, daß Privateigentum und Kapital der Betroffenen konfisziert wird und somit eine Kapitalakkumulation als auch letztlich die Herausbildung einer nationalen Bourgeoisie verhindert wird. Mit dem Ziel der Assimilierung wurden Kurden in der Türkei angesiedelt und die von ihnen geleerten Gebiete mit Türken besiedelt.

1930 fand der Agri-Aufstand statt, der mit großer Härte bekämpft wurde, was die Anwendung von Spezialkriegsmethoden mit einschloß, darunter die Proklamation eines Amnestiegesetzes. In Zusammenarbeit mit dem Iran opferte die Türkei das Gebiet des kleinen Ararat der gemeinsamen Aufstandsbekämpfung. Die insgesamt angewandten Methoden sollen die Kurden von jedem weiteren Aufstand abschrecken.

Letztes Opfer dieser Politik wurde Dersim, das schon immer ein Zentrum des Widerstandes und der Patriotismus war. Mit dem Erlaß des 'Gesetzes von Dersim' wird die Bevölkerung provoziert. 1937 begann der Aufstand unter Führung von Scheich Riza. Der türkische Staat war vorbereitet und fand den Kollaborateur und Verräter Rayber. Mit dem Massaker an der Bevölkerung wurde eine potentielle Gefahr liquidiert.

Von den Führern des Aufstandes wurde der Kemalismus nicht richtig analysiert. Selbst wenn das in Ansätzen erfolgte, gab es außerdem Mängel in der Organisierung und eine feudal beschränkte Auffassung von nationaler Unabhängigkeit. Die feudalistische Führungen der Aufstände waren den vielfältigen Taktiken und dem pragmatischem Herangehen von Mustafa Kemal nicht gewachsen. Mit dem Aufstand von Dersim endet die Reihe der Erhebungen in Nordwestkurdistan. Eine neue Phase der Kapitulation und Entfremdung begann. Zwischen 1925 und 1940 wurde die militärische Besetzung Kurdistans komplettiert.

Im Zuge der kemalistischen Reformen, mit denen religiöse Traditionen und Werte des Volkes vernichtet und der Laizismus durchgesetzt wurden, erfolgte auch die Liquidierung der nichtmuslimischen Elemente der türkischen Bourgeoisie. Letztere blieb somit frei von Opposition und festigte das von ihr dominierte Ein-Parteien-System. Auch durch die Einführung von Gesetzen bezüglich der Presse, der Universitäten und vor allem gegen die Kurden herrschte Ende der 40er Jahre Friedhofsruhe im Land.

Die Injektion der kemalistischen Ideologie war begleitet von intensiven Spezialkriegsmethoden, darunter der Hinrichtung von 33 unschuldigen Kurden. Da 1943 die sowjetische Armee Ostkurdistan besetzt hatte, sah sich die TR zu quasi warnenden Maßnahmen veranlaßt. Unter dem Einfluß der USA sollte die Türkei zu einem parlamentarischen System übergehen, die die Bourgeoisie vertretenden Parteien sollten dabei den Direktiven der Armee unterstellt werden. Zwischen 1950 und 1960 finanzierten die USA Investitionen zur Industrialisierung. Die Beziehungen der türkischen Bourgeoisie zum US-Monopolkapital wurden vertieft, erhielten neokolonialistischen Charakter, der sich auf dem klassischen Kolonialismus Kurdistans entwickelte. Die Ausbeutung der Rohstoffe und der billigen Arbeitskräfte wurde intensiviert. Die Ausdehnung des Kapitalismus führte zu einer großen Migrationswelle in die Metropolen. In den vier größten Städten der Türkei wuchs die Bevölkerungszahl zwischen 1950 und 1960 um 75%. Die in diesen Prozessen entstandene Persönlichkeit, aus den Dörfern gekommen und in die Gecekondus der Städte geworfen, war apolitisiert, ohne Kultur und emotional. Sie war ein Bestandteil der großen Arbeitermassen, die sich bald auch organisierten. Die industrielle Bourgeoisie war mit der agrarorientierten Politik der regierenden demokratischen Partei unzufrieden und putschte sich am 27. Mai 1960 mit Unterstützung der Armee an die Macht. Bei diesem Putsch, nach dem dann die CHP regierte, wurden auch 485 Kurden in Sivas in einem Lager interniert, von denen 55 ins Exil verbannt bzw. zwangsumgesiedelt wurden. Zu der neuen kemalistischen Verfassung konnten Kurden ihre Meinung nicht äußern.

Nach dem Putsch von 1960 wurden die Namen aller kurdischen Dörfer türkisiert und auch der Gebrauch kurdischer Vor- und Familiennamen verboten. Von türkischen Intellektuellen und Revolutionären wurde diesem Problem keine Aufmerksamkeit geschenkt, wenn nicht sogar die kemalistische Politik gedeckt. Am 12. März 1971 putschten Armeeoffiziere gegen eine revolutionäre Gefahr, die für sie unter anderem vom Einfluß des Befreiungskampfes in Vietnam ausging. Das Kapital in der Türkei konzentrierte sich weiter, immer in Abhängigkeit von den USA. Gegen die faschistische Diktatur entwickelte vor allem die türkische Jugend ihren Widerstand. In Kurdistan erreichten nationale Verleugnung und Kapitulation dramatische Dimensionen. Die entfremdeten Persönlichkeiten waren einmal von Angst, andererseits von Stammes- oder religiösen Ideen beherrscht. Die Assimilation war fast siegreich. Mit dem 12. März wurden jene Revolutionäre vernichtet, die sich als Alternative zu Reformismus und Revisionismus in der Türkei verstanden. Sie rekrutierten sich aus der Armee, der Bürokratie und der Wirtschaft. Mit diesem Schritt wurde die Linke, die zunächst starken Widerstand geleistet hatte, zurück in den Rahmen des Staates gezogen, beispielsweise in die Reihen der halbfaschistischen, sich kommunistisch gebenden CHP (Cumhurriyet Halk Partisi).

In Kurdistan existierten objektive Bedingungen für eine Revolution. Der Kapitalismus zerstört feudale Strukturen und schafft entsprechende Denkweisen. Reformistische Organisationen wie die DDKD (Revolutionäre Kulturzentren des Ostens) entstanden, die sowohl in der KDP als auch von der revolutionären Welle in der Türkei beeinflußt wurden. Ihre revolutionären, radikalen Elemente werden mit dem Putsch vom 12.03.1971 gestoppt.

Die herrschende kurdische Klasse, die sich abhängig von der türkischen Bourgeoisie dem Kapitalismus annähert, war am Aussterben. Eigene Nationalität und Sprache waren vergessen und aufgegeben. Nach der Logik 'Küsse die Hand, die du nicht besiegen kannst' wurden Kurden zu den vertrautesten Spionen türkischer Herrschaft, womit sie eine weitere Chance auf Unabhängigkeit verspielten. Als Kollaborateure und Bürokraten wurden sie Verbindungsglied zum türkischen Kapital, sie opferten die gesellschaftlichen und sozialen Interessen des kurdischen Volkes ihren eigenen egoistischen Bedürfnissen. Die Türkisierung dieser Klasse ging tiefer als die der Türken selbst. Ziya Gökalp zum Beispiel wurde zu einem der wichtigsten Förderer der offiziellen türkischen Sprache.

Sowohl in den türkischen Metropolen als auch in Europa proletarisierten sich Millionen von Kurden, indem sie die schmutzigsten, gefährlichsten und schwersten Arbeitsplätze zu den niedrigsten Löhnen annahmen. Hinzu kam, daß sie diskriminiert wurden und werden, weil in ihnen eine Unruhequelle vermutet wird. Der kurdische Mensch steht in einer ausweglosen Situation: Fern vom eigenen Land, seiner Natur, ganz zu schweigen von der nationalen Identität und Sprache, aufgrund seines Glaubens degradiert und trotz harter Arbeit fast nicht in der Lage, sich zu ernähren. Eine der möglichen Konsequenzen daraus ist, die eigene Rückständigkeit als Schicksal zu betrachten, die andere ein Hoffen auf günstige Gelegenheiten, eine dritte die Rebellion. Diese Persönlickeit ist logischerweise weit entfernt von Ideologie, Politik, Philosophie, Wissenschaft, Kunst und Kultur. Das zwingt sie, sich in der Familie zu verschließen, die zur Zufluchtsstätte für den kurdischen Mann wird, der wiederum die Frau in diesem Verhältnis gefangen hält. Die Familie ist der Gordische Knoten, die Institution, die den kurdischen Menschen erstickt. Im Ergebnis wird der kurdische Mensch zu einem Bestandteil des kemalistischen Ausbeutungssystems. Dem Kleinbürger geht es nur um persönliche Sicherheit und um die eigenen Interessen -weder in der herrschenden Nation noch in der eigenen sieht er seinen Platz, passiv und verängstigt lebt er von einem Tag zum andern. Kurdische Intellektuelle, die diesen Prozeß teilweise erfassen, bleiben isoliert. Damit fehlt jede, selbst die geistige Voraussetzung für Veränderung.