Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 2.2.

B + V Geschichte v. 1933 - 1938

Die Rüstungskonjunktur ab 1933

Der Aufrüstungs- und Kriegskurs des NS-Staats half B + V wie vielen anderen Industrieunternehmen aus der Krise. Der erste Marineauftrag, den die Werft nach der Machtübernahme ausführte, wirkte noch vergleichsweise harmlos: Am 3. Mai 1933 wurde das Segelschulschiff "Gorch Fock" zu Wasser gelassen. In demselben Monat erhielt B + V den Auftrag zum Bau eines Versuchskessels und einer Turbinenanlage für ein Torpedoboot, der durch ein Sofortprogramm zur Arbeitsbeschaffung finanziert wurde. 1 Weitere Marinebestellungen von zunehmendem Umfang folgten. Neben dem Aviso "Grille" (einer dem "Führer" und dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine vorbehaltenen Staatsjacht, die zugleich als Spähkreuzer und Minenleger konzipiert war), Tendern, Geleitbooten und Segelschulschiffen entstanden bei B + V nun wieder Kampfschiffe, so drei Zerstörer und der Schwere Kreuzer "Admiral Hipper". Es soll hier nicht unterschlagen werden, dass B + V zwischen 1933 und 1939 außerdem eine Reihe von zivilen Schiffen baute. Doch auch bei ihnen standen vielfach staatliche Geldmittel und Interessen der NS-Machthaber im Hintergrund, etwa beim Bau des KdF-Schiffs "Wilhelm Gustloff" (1937/38). Zwei Schnelldampfer für die Wörmann-Linie wurden 1936/37 in der Erwartung produziert, dass das nationalsozialistische Deutschland sich bald wieder in den Besitz von Kolonien bringen würde.2 Die Belegschaft wuchs, wie es schien, ohne Ende. Anfang 1933 waren bei B + V knapp 2.700 Personen beschäftigt gewesen; im März 1936 waren es schon über 10.000, im August 1939 über 15.000.

Was die Werftbesitzer später nicht mehr wahrhaben wollten: Sie gehörten sowohl zu den Nutznießern als auch zu den Stützen der zum Krieg treibenden Diktatur. Dass sie sich 1933 mit fast 35.000 Mark an der "Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft" beteiligten, ist hierbei nur ein relativ kleiner Mosaikstein.3 Vor allem Rudolf Blohm sammelte Ämter und Titel: Staatsrat in Hamburg (1933), Abteilungsleiter der Reichsgruppe Industrie (1934), Wehrwirtschaftsführer (1937), Leiter des Hauptausschusses Schiffbau (1942). Aber auch Walther Blohm, der in einer Biographie von 1993 als Mann mit wachsenden Antipathien gegen den Nationalsozialismus geschildert wird 4, konnte nur mit Hilfe der damaligen Staatsführung seinen Plan realisieren, B + V um ein Flugzeugwerk zu erweitern. Die im Juni 1933 gegründete Tochterfirma Hamburger Flugzeugbau GmbH (HFB) stieg sogleich in das von der NS-Führung stark forcierte Luftrüstungsprogramm ein.5 Zunächst produzierte die HFB Baugruppen für 450 Junkers-"Behelfsbomber" Ju 52. Der Hamburger Senat unter dem nationalsozialistischen Bürgermeister Carl Vincent Krogmann gewährte B + V beim Aufbau des neuen Produktionszweigs vielfältige, auch finanzielle Unterstützung.6 Das von Göring geführte Reichsluftministerium verhalf der B+V-Tochter zu einem eigenen Flugplatz in Wenzendorf bei Buchholz, der im September 1935 in Betrieb genommen wurde. So konnte die HFB von der Teilfertigung zum Bau kompletter Flugzeuge übergehen. Nach Plänen von Dornier und Junkers produzierte man in Wenzendorf bis 1940 über 600 Militärflugzeuge. Aber die HFB, die 1937 als Abteilung in die Muttergesellschaft B + V integriert wurde, entwickelte auch eigene Flugzeugtypen. Hierfür hatten die Brüder Blohm 1933 den früheren Dornier-Konstrukteur Richard Vogt aus Japan zurückgeholt, der dort zehn Jahre lang für Kawasaki und das von der Eroberung Asiens träumende japanische Militär Flugzeuge entworfen hatte.7 Vogt war jener Typ von erfindungsbesessenem Ingenieur, der auch dem Teufel Flügel bastelt, wenn man ihm nur den Raum zur Entfaltung seiner technischen Fantasie gibt und die Bezahlung stimmt. Von den Vogtschen Konstruktionen ging das Flugboot Ha 138 als Seefernaufklärer für die Wehrmacht 1938 in die Serienproduktion. Da die Wasserflugzeuge auf der Elbe starteten und landeten, errichtete B + V ab 1936 auf Finkenwerder ein neues großes Flugzeugwerk mit kombiniertem Land- und Wasserflughafen - aus ihm ist das heutige Werk von -> Daimler-Benz Aerospace Airbus hervorgegangen. Zwei Monate vor Kriegsbeginn wurde hier die Produktion aufgenommen, der volle Ausbau des Werks war im März 1940 beendet. Dass B + V in so kurzer Zeit "zu einem beachteten Mitstreiter unter den grossen Flugzeugwerken der ganzen Welt heranreifen" konnte, so schrieb Chefkonstrukteur Vogt in einer B+V-Publikation, war "nur möglich bei dem Aufschwung, den unsere Luftwaffe unter ihrem Schirmherrn, den Feldmarschall Hermann Göring, genommen hat".8

Die Werft wurde von der braunen Prominenz gerne als Bühne für pressewirksame Auftritte genutzt. Allein Hitler besuchte B + V zwischen 1934 und 1939 fünfmal. Die Reden, die Hitler am 17. August 1934, Ley am 4. April 1935, Göring am 6. Dezember 1935 und Reichsstatthalter Kaufmann bei verschiedenen Anlässen an die "Gefolgschaft" von B + V richteten, dienten hauptsächlich dem Zweck, die bisher sozialdemokratisch oder kommunistisch orientierte Arbeiterschaft umzupolen.9 Bei vielen B+V-Arbeitern gelang dies zumindest zeitweise, aber etliche gingen der Propaganda nicht auf den Leim. Die Formen der Widersetzlichkeit reichten von symbolischen Gesten wie der Verweigerung des Hitler-Grusses10 bis hin zu aktiver antifaschistischer Arbeit in illegalen Betriebszellen.

Die symbolträchtigste Veranstaltung war in dieser Zeit der Stapellauf der "Bismarck", des damals grössten Schlachtschiffs der Welt, am 14. Februar 1939. Die Spitzen aus Partei, Staat und Wehrmacht waren war fast vollzählig versammelt. In einer schwülstigen Taufrede, die eine einzige, friedensrethorisch verpackte Kriegsdrohung war, erklärte Hitler, "der Geist des Eisernen Kanzlers" solle den Soldaten und Offizieren des Schlachtschiffs "mahnend voranleuchten in den Stunden schwerster Pflichterfüllung".11 Die "Bismarck" war laut Hitler "der erste Riese eines neuen Geschwaders von 35000-Tonnen-Schlachtschiffen"; in Wirklichkeit war das Schiff mit einer Konstruktionsverdrängung von 41.700 t und einer Einsatzverdrängung von 50.900 t noch erheblich grösser, womit Deutschland gegen die Flottenabmachungen mit England verstiess.12




Anmerkungen:

(1) Vgl. auch zum Folgenden Birgit Wulff: Arbeitslosigkeit und Arbeitsbeschaffungsmassnahmen in Hamburg 1933-1939, Frankfurt a.M. 1987, S. 139ff.
(2) Prager (wie Anm. 12), S. 165f. - Hitler hatte 1935/36 wiederholt betont, dass Deutschland seine kolonialen Ansprüche niemals aufgeben werde (vgl. Kurt Johannsen/Heinrich Kraft: Das Kolonialproblem Deutschlands, Hamburg 1936, Vorwort und S. 31ff.)
(3) Susanne Wiborg: Walther Blohm. Schiffe und Flugzeuge aus Hamburg, Hamburg 1993, S. 84
(4) Wiborg (wie vorige Anm.)
(5) Vgl. Hermann Pohlmann: Chronik eines Flugzeugwerkes 1932- 1945, Stuttgart 1979, S. 213ff.
(6) Vgl. Carl Vincent Krogmann: Es ging um Deutschlands Zukunft 1932-1939, Leoni 3. Aufl. 1977, S. 183f.; Wulff (wie Anm. 21), S. 180f.
(7) Vgl. auch zum Folgenden Richard Vogt: Weltumspannende Memoiren eines Flugzeug-Konstrukteurs, Steinebach/Wörthsee o.J. (1976)
(8) Blohm & Voss 1933-1939 (Werftinterne Publikation), Hamburg o.J. (1940), S. 31
(9) Hitlers Rede vor der B+V-Belegschaft am 17.8.1934 ist abgedruckt bei Werner Johe: Hitler in Hamburg, Hamburg 1996, S. 113f.
(10) Es gibt ein inzwischen berühmtes Foto, das zahlreiche B+V-Belegschaftsmitglieder mit zum Hitler-Gruss erhobenen Arm und nur einen Arbeiter mit demonstrativ verschränkten Armen zeigt. Der Zeitpunkt der Aufnahme und die Identität des Arbeiters ist nicht einwandfrei geklärt (Hamburger Abendblatt 15.11. und 24.11.1995; vgl. Irene Eckler: Die Vormundschaftsakte 1935-1958, Schwetzingen 1996, S. 34f.). - Am 27.3.1936 weigerte sich ein Grossteil der Arbeiterschaft von B + V, die Reden von führenden Nationalsozialisten anzuhören (vgl. Karl Ditt: Sozialdemokraten im Widerstand, Hamburg 1984, S. 105ff.).
(11) Die gesamte Rede ist dokumentiert bei Johe (wie Anm. 29), S. 203ff.; auszugsweise wurde sie abgedruckt in: Blohm & Voss 1933-1939 (wie Anm. 28), S. 28
(12) Prager (wie Anm. 11), S. 162 und 171