AZADI infodienst nr. 78
juni 2009


 

verbotspraxis

 

Bundesinnenministerium: Alles ist PKK

Im Zusammenhang mit den Newroz-Feiern im März hatte es bereits im Vorfeld und während der Demonstration in Hannover zahlreiche Behinderungen und behördliche Auflagen gegeben, gegen die juristisch vorgegangen wurde. Strittig war auch in Hannover, ob es sich beim Zeigen bestimmter Fahnen um verbotene Symbole handelt, insbesondere im konkreten Fall um jene des KCK (Vereinigte Gemeinschaften Kurdistans). Im Schreiben der Polizeidirektion Hannover über die Auflagen heißt es u. a.: „Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat jedoch mit Schreiben vom 17.03.09 – Az.: ÖS II 3 – 619 314-270 – mitgeteilt, dass die Verwendung von Kennzeichen der KCK dem Kennzeichenverbot nach Ziffer 9 des Tenors der Verbotsverfügung des BMI vom 22.11.1993 gegen die ‚Arbeiterpartei Kurdistans’ (PKK) unterfällt. (…) Die Verbotsverfügung vom 22.11.1993 gegen die PKK erstreckt sich im Ergebnis auf die KCK (einschließlich ihrer Kennzeichen) unter welcher Bezeichnung die PKK aktuell auftritt. (…)“
Diese Sichtweise kommt auch im Schreiben des Verwaltungsgerichts Hannover vom 12. Mai 2009 an die Anwältin der Föderation der kurdischen Vereine, YEK-KOM, die die Demonstration in Hannover angemeldet und organisiert hat, zum Ausdruck.

(Azadî)

Bremens Polizei sinniert über
„Stellung und Bedeutung Abdullah Öcalans“

Die Direktion Kriminalpolizei/LKA Bremen hat sich in einem Papier vom 26. Mai 2009 Gedanken zur „Stellung und Bedeutung Abdullah Öcalans“ gemacht, in dem es u. a. heißt: „Seit seiner Verbringung in die Türkei befindet sich Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali in Einzelhaft. Er kann jedoch über seine Anwälte Kontakte zur Außenwelt aufrechterhalten und lenkt auf diese Weise entscheidend die Geschicke der Organisation. Ein enger ihm treu ergebener Führungszirkel setzt nach wie vor seine Anweisungen in der Partei durch.“ Er werde „trotz seiner Verhaftung von der Partei weiterhin als Führer anerkannt“, was „in der Satzung des KONGRA-GEL festgeschrieben und zuletzt auf dem 5. Kongress des KONGRA-GEL im Mai 2007 und dem sich daran anschließenden 4. CDK-Kongress ausdrücklich unterstrichen“ worden sei. Mit Verweis auf den Verfassungsschutzbericht 2008 heißt es ferner: „Führer des KCK ist, über alle wechselnden Benennungen der PKK hinweg, trotz seiner Inhaftierung Abdullah Öcalan.“ Die im Jahre 2008 im Rahmen der „Propagandaoffensive Êdî Bese (Es reicht) bundesweit durchgeführten Massenveranstaltungen, die die Erlangung der Freiheit Ö. zum Inhalt hatten, [sprächen] für eine weiterhin andauernde, herausragende Stellung Öcalans innerhalb des KONGRA-GEL.“

(Azadî/Papier der Polizei Bremen v. 26.5.2009)

Kurdischer Verein und Privatwohnungen in Heilbronn durchsucht
Fahnen als Anlass für Kriminalisierung

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart wurden in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2009 sowohl die Räume des kurdischen Vereins „Kurdische Gemeinschaft Heilbronn“ sowie mehrere Privatwohnungen und etwa vorhandene Autos durchsucht.
Begründet wird das Vorgehen laut Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 14. April mit Ermittlungsverfahren gegen eine Kurdin und drei Kurden wegen Verstoßes gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot. Sie werden verdächtigt, „Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK“ zu sein. Eine polizeiliche Überprüfung der „Räumlichkeiten“ des Vereins, sei festgestellt worden, dass „in der Mitte eines Hauptraums 3 Fahnen (3 x 2m) aufgehängt waren“, bei denen es sich „um die KKK-Fahne, ein Abbild Abdullah Öcalans und eine KONGRA-GEL-Fahne“ gehandelt habe.

Dies sei der Beleg dafür, „dass die Beschuldigten den Verein und die Vereinsräumlichkeiten für die Arbeit der örtlichen PKK-Funktionäre zur Verfügung stellen“ und somit „den organisatorischen Zusammenhalt der PKK unterstützen“ würden. Dann folgt die übliche Behauptung, bei KONGRA-GEL handele es sich um eine „durch bloße Umbenennung entstandene Nachfolgeorganisation“ der PKK, die eine Ausweitung und Aufrechterhaltung des politischen Betätigungsverbots rechtfertigen soll. Die Formulierung im Gerichtsbeschluss, dass die „Besucher des Vereins an die PKK gebunden werden sollen“, zielt genau darauf ab, die Kurd-inn-en von einer politischen oder kulturellen Aktivität fernzuhalten und die kurdischen Einrichtungen zu kriminalisieren. Deshalb befindet sich auch alle Besucherinnen und Besucher von kurdischen Vereinen im Fokus der Strafverfolgungsbehörden.
Das Amtsgericht Stuttgart hat dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Durchsuchung der Privatwohnungen zugestimmt, weil angenommen wurde, dass die Beschuldigten auch Unterlagen des Vereins und „über ihre Tätigkeit für die PKK zuhause aufbewahren.“

(Azadî, 10.6.2009)

Verhaftungswelle in der Türkei und Frankreich

Während Antiterroreinheiten am 17. Juni in fünf kurdischen Provinzen der Türkei bei Razzien 19 Aktivisten der prokurdischen DTP (Partei für eine Demokratische Gesellschaft) verhaftet haben, wurden am Vortag auch in Nizza/Frankreich zwölf politisch aktive Kurden festgenommen, darunter sechs Geschäftsleute. Bei den polizeilichen Durchsuchungsaktionen sind deren Geschäfte und Läden verwüstet worden, so die Metzgerei Merinos oder der Supermarkt Gida, wo die Rolläden völlig zerstört und verschiedene Unterlagen beschlagnahmt wurden. Allen gemeinsam wird vorgeworfen, Kontakte zur Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, zu pflegen bzw. diese zu unterstützen. In der Türkei sind seit Mitte April über 400 DTP-Parteiaktivist-inn-en, Mitglieder der kurdischen Frauen- und Gewerkschaftsbewegung in Haft genommen worden.
In Frankreich befinden sich inzwischen über 20 Aktivisten in Untersuchungshaft, darunter auch sechs Geschäftsleute, die der Finanzierung der kurdischen Bewegung beschuldigt werden.
Bereits am 13. Januar 2009 wurden die Wohnungen von Mitgliedern eines kurdischen Kulturzentrums in Marseille durchsucht und sechs Personen verhaftet.

(Azadî/ANF/ISKU, 16.6.2009)

Staatsanwaltschaft Nürnberg stellt Ermittlungsverfahren ein

Die Strafermittlungsverfahren gegen Hüseyin G. und Bayram G. wurden laut Verfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg vom 5. Juni 2009 nach § 170 Abs. 2 bzw. § 153 Strafprozessordnung eingestellt. Hüseyin G. soll im Zusammenhang mit einer Veranstaltung im Dezember 2008 gegen das Versammlungsgesetz und Bayram G. gegen das Vereinsgesetz verstoßen haben. Er habe es als Vorsitzender des örtlichen kurdischen Vereins zugelassen, dass an den Fenstern des Vereins Fahnen mit den Kennzeichen von KCK bzw. KKK angebracht gewesen seien, obwohl dies laut Strafbefehl der Staatsanwaltschaft vom Dezember 2008 „im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes verboten“ sei. Bei den genannten Organisationen handele es sich um „bloße Namensänderungen“ der PKK.

(Azadî)

Aufenthaltserlaubnis wegen Vereinstätigkeit versagt

Die Ausländerbehörde einer ostdeutschen Stadt versagt einem Kurden wegen angeblicher PKK-Aktivitäten die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und bezieht sich bei der Auflistung von Versagungsgründen auf Auskünfte des Landesamtes für Verfassungsschutz. Da sich der Kurde offenbar im örtlichen kurdischen Kulturzentrum betätigt haben soll, hat der Verfassungsschutz der Ausländerbehörde im Zuge der Amtshilfe Informationen geliefert, die den Betroffenen in den Dunstkreis von Kriminalität und Terrorismus stellen soll. Der 2007 aufgelöste Verein sei Mitglied der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland e.V., YEK-KOM“ gewesen und dieser wiederum müsse als der „Dachverband für örtliche, der PKK zuzurechnende Vereine“ gelten. Diese Zuschreibung führt dazu, dass zahlreichen Antragsteller-innen, die entweder im Vorstand von kurdischen Vereinen arbeite(te)n oder auch nur einfache Mitglieder sind/waren, eine weitere Aufenthaltserlaubnis verweigert wird.

(Azadî)

 

 

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