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Info-Laden-Koeln zu Durchsuchungen vom 13.06.95


  • Subject: Info-Laden-Koeln zu Durchsuchungen vom 13.06.95
  • From: STADTREVUE.KOELN@LINK-LEV.dinoco.de (StadtRevue Koeln)
  • Date: 15 Jun 1995 17:46:00 +0000

  • 
    
    
    ***************************************************************
    StadtRevue Verlag  GmbH           Telefon: (0 22 1) 95 15 41-0 
    Kölns Stadtillustrierte           Telefax: (0 22 1) 95 15 41-11
    Maastrichter Straße 49
    50672 Köln      e-mail:     Stadtrevue.koeln@link-lev.dinoco.de
    
    Stellungnahme des Kölner Info-Ladens
    zu den bundesweiten Durchsuchungen vom 13.6.1995
    
    ***************************************************************
    
    Am 13.6.1995 wurden in Köln fünf Privatwohnungen, das Antifa-
    Café und der Info-Laden im Rahmen einer bundesweiten Aktion der
    Bundesanwaltschaft (BAW) durchsucht (siehe auch erweiterte
    Presseerklärung vom 15.6.1995). Unter dem medienwirksamen
    Vorwand, gegen die »Antiimperialistischen Zellen (AIZ)« sowie
    in Berlin v.a. gegen »Das K.O.M.I.T.E.E.« zu ermitteln, wurde
    bundesweit vor allem gegen vermeintliche HerausgeberInnen und
    UnterstützerInnen der »radikal« ermittelt. Die BAW spricht in
    diesem Zusammenhang von 25 Personen, im konkreten Fall von Köln
    wird eine Person namentlich genannt. Auf dieser Basis wurde das
    persönliche Umfeld des Beschuldigten observiert, durchleuchtet,
    durchsucht und der Repression ausgesetzt. Wie selbst
    Innenminister Kanther in einem Interview mit den »Tagesthemen«
    am 13.6. einräumte, ging es der BAW vor allem um einen
    "Präventivschlag" gegen linke und linksradikale Zusammenhänge.
    Die Ermittlungen gegen die »AIZ« nahm die BAW zum willkommenen
    Anlaß, um in einem Aufwasch auf breiter Front ermitteln und
    durchsuchen zu können.
    In gewohnter Art und Weise konstruiert erscheinen die Vorwürfe
    und Ermittlungsverfahren gegen linke AktivistInnen im
    Zusammenhang mit dem Repressionsschlag vom 13.6.95. Sie werden
    darüberhinaus propagandistisch einmal mehr dazu benutzt, die
    entpolitisierte Leier vom rechten und linken Terror
    aufrechtzuerhalten. Ob es sich dabei um faschistisch motivierte
    Briefbombenanschläge, wie jüngst in Lübeck, oder das Herstellen
    einer Zeitung handelt, spielt dabei keine Rolle. Ein
    Bedrohungsszenario muß aufrecht erhalten werden und lenkt
    weiterhin von der Rolle des Staates und seiner Organe bewußt
    ab. Staatlich organisierter Terror und Polizeiübergriffe, sei
    es gegen linke Zusammenhänge oder ausländische Organisationen,
    sei es gegen Flüchtlinge und ImmigrantInnen oder auch die
    stattfindende Neuformierung militärischer Potentiale zum
    Eingriff außerhalb Groß-Deutschlands fallen schlicht, und das
    ist auch beabsichtigt, unter den Tisch.
    Das Hauptaugenmerk der aktuellen Durchsuchungen richtete sich
    rein quantitativ auf die Zeitschrift »radikal«. Dies darf nicht
    dazu verleiten, die Ermittlungen gegen die »AIZ« und gegen das
    »K.O.M.I.T.E.E.« zu unterschätzen. Mittlerweile sind 4
    Haftbefehle in Zusammenhang mit der »radikal« ergangen. Ob
    diese auch in Zusammenhang mit darüber hinaus gehenden
    Vorwürfen erlassen wurden, ist z.Z. nicht klar. Klar ist
    jedoch, daß sich die BAW bei einer so großangelegten Aktion in
    8 Bundesländern, die sich "nur" gegen die »radikal« gerichtet
    hätte, lächerlich machen würde. Natürlich ist den
    Staatsschützern die seit Ende der 70er-Jahre erscheinende
    »radikal« ein Stachel im Fleisch, es handelt sich dabei
    allerdings mehr oder weniger um Phantomschmerzen. Die Bedeutung
    der »radikal« hat in den letzten Jahren in der linken
    Auseinandersetzung immer weiter abgenommen. Zum einen hat dies
    mit dem Niedergang vieler linker Strukturen und der Krise in
    der Linken seit 1989 zu tun, anderseits aber lebt die Zeitung
    noch von ihrer Geschichte und ihrem Mythos, zu dem auch die
    Kriminalisierung nicht unwesentlich beiträgt. Trotz (im
    wahrsten Sinn des Wortes) alledem: Die »radikal« wird gemacht,
    »radikal« wird vertrieben, »radikal« wird gekauft und - wie aus
    gewohnt gut informierten Kreisen verlautet - auch gelesen.
    Aus unserem Selbstverständnis als Info-Laden verbreiten wir
    zensierte und unterdrückte Nachrichten aus dem linken
    Widerstand, versuchen Diskussionen anzuregen und die dafür
    notwendigen Vorraussetzungen zu schaffen: Der Treffpunkt und
    Kommunikationsort "Infoladen", Veranstaltungen und natürlich
    die Verbreitung von Büchern, Texten und Zeitschriften. Deshalb
    werden wir die »radikal« weiter verkaufen und archivieren.
    
    Wir protestieren aufs Schärfste dagegen, daß die Existenz einer
    Zeitung, die nur in Einzelteilen kriminalisiert wurde, zum
    Anlaß für weitgreifende Repressionsmaßnahmen gegen
    Einzelpersonen und ihr gesamtes Umfeld gemacht wird.
    Wir fordern demzufolge:
    - die Freilassung aller inhaftierten Personen
    - Einstellung sämtlicher Ermittlungsverfahren
    - Rückgabe aller beschlagnahmten Gegenstände und Schriften
    
    Im speziellen Fall des Info-Ladens Köln:
    - Rückgabe der beschlagnahmten technischen Geräte (Kopierer,
      Fax-Gerät, Schreibmaschine und Anrufbeantworter)
    - Rückgabe des Bibliotheksverzeichnisses, der Adressendateien,
      der Unterlagen über Bestellungen und Abrechnungen, der
      internen Unterlagen und des Schriftverkehrs
    - Rückgabe der beschlagnahmten Exemplare der »radikal«,
      insbesondere des Archivbestandes
    - Rückgabe aller darüber hinaus beschlagnahmten Zeitschriften,
      Broschüren und anderer Schriften.
    
    Da sowohl bei den BewohnerInnen der durchsuchten Wohnungen, als
    auch im Info-Laden umfangreiches technisches Gerät
    beschlagnahmt wurde, was für die tägliche Arbeit (Ladenbetrieb,
    Studium, etc.) gebraucht wird und demzufolge umgehend
    wiederbeschafft werden muß, rufen wir zu Sach- und Geldspenden
    auf.
    Konto: Wohnen und Leben e.V.
    KtNr.: 8132 501
    Postbank Köln, BLZ 370 100 50
    Stichwort!: Durchsuchung
    
    Wir fordern die Presse auf, den ganzen Sachverhalt darzustellen
    und das Spendenkonto zu veröffentlichen. Sollten größere
    Geldbeträge eingehen, leiten wir das Geld für Anwaltskosten für
    die Inhaftierten weiter, soweit dies nicht ausdrücklich anders
    vermerkt ist.
    
    Infoladen Köln, 15.6.1995
    
    

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