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Das Land denen, die es bearbeiten

»Neu-Spanien ward im Jahr eintausend fünfhundert und siebzehn entdeckt. Im Jahr eintausend fünfhundert und achtzehn ward es von denen, welche sich Christen nannten, geplündert und verwüstet; wiewohl sie vorgaben, sie wollten sich bloß daselbst niederlassen. Vom Jahr eintausend fünfhundert und achtzehn, bis zum Jahr eintausend fünfhundert zwei und vierzig, worin wir gegenwärtig leben, ward die Bosheit, Ungerechtigkeit, Gewalttätigkeit und Tyrannei, welche die Christen in Indien verübten, aufs höchste getrieben.«

Der Dominikanermönch, der 1542 diese Zeilen schrieb, wurde für sie verleumdet, verachtet und gleichzeitig geehrt und geliebt. Bartolomé de las Casas, Bischof des damaligen Ciudad Real, lieh der Königstadt seinen Namen. Sie trägt ihn noch heute: San Cristóbal de las Casas. Doch die »Bosheit, Ungerechtigkeit, Gewalttätigkeit und Tyrannei«, die der streitbare Bischof in einer Denkschrift an den spanischen König anprangerte, überdauerte das Kolonialimperium bis auf den heutigen Tag. Konquistadoren und Kolonisierte, Herrscher und Beherrschte, Mächtige und Entmündigte, Reichtum und Hunger. In Chiapas werden die Furchen der fünfhundertjährigen Vergangenheit auch heute noch jeden Tag neu gezogen.

Nueva Palestina ist überall in Chiapas. Ob es die Dorfgemeinden der Tzeltales in der undurchdringlichen Tiefe des Dschungels der Selva Lacandona, die Tzotzil-Siedlungen im kargen und hügeligen Hochland um San Cristóbal, die Agrarkooperativen in den brütendheißen Niederungen an der Pazifikküste im Soconusco oder die abgelegenen Weiler im Norden um Tila sind: Überall in Chiapas kämpfen die Dorfgemeinschaften um das Land, das ihren Agrarkooperativen zusteht. Und überall sind es die Besitzer der Kaffeeplantagen, die Großgrundbesitzer oder die Viehzüchter, die es ihnen geraubt haben.

Auf ihren kargen Böden bauen die Kleinbauern der Agrarkooperativen Bohnen, Mais, Gemüse und oft etwas Kaffee an. Sie produzieren für den Eigenbedarf, nur den Kaffee verkaufen sie an Zwischenhändler. Das Geld benötigen sie, um das Benzin für den Lastwagen, Werkzeuge und andere lebenswichtige Güter zu kaufen. So wie die Menschen in Nueva Palestina arbeiten im Süden Mexikos Millionen von Kleinbauern. Viele von ihnen sind Angehörige der 56 indianischen Völker Mexikos. Neues Land für eine Erweiterung des Ejidos fordern die Bauernfamilien, weil die Ackerfläche nicht ausreicht für alle und das Land der Kooperativen zu wenig Ertrag abwirft. Deshalb müssen sie sich auch als Tagelöhner auf den Plantagen der Großgrundbesitzer durchschlagen. Solange das Ejido nicht erweitert wird, bleibt ihnen nichts anderes, höchstens noch die Flucht in die Stadt, in die nach Abfall stinkenden und von Ratten heimgesuchten Slums und Wellblechsiedlungen.

Den Kleinbauern in Süd-Mexiko stehen die Viehzüchter und Großgrundbesitzer gegenüber. Sie produzieren für den Weltmarkt. Baumwolle, Kaffee und Früchte, die sie auf ihren Ländereien ernten, landen in den Supermärkten Nordamerikas oder Europas. Immer neues Land verschlingen Plantagenwirtschaft und Viehzucht. Die Regierung ermuntert und unterstützt die exportorientierten Großgrundbesitzer: Die Ejidos seien »unproduktiv« und »veraltet«, die wachsende Exportlandwirtschaft dagegen »modern« und »produktiv«. Die Plantage Liquidambar gilt als vorbildlich, das Ejido Nueva Palestina dagegen als Ballast der Vergangenheit.



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