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Wahlbetrug und Gegenregierung

Die Zapatistas beginnen mit ihrer Strategie, den formalen Dialog mit der Regierung in einen wirklichen Dialog mit allen Oppositionskräften in Mexiko zu verwandeln. So entsteht im Frühjahr 1994 ein Bündnis des CEOIC mit der linksgerichteten Oppositionspartei PRD zur Asamblea Estatal Democrática del Pueblo Chiapaneco (AEDPCH). Diese Demokratische Versammlung des chiapanekischen Volkes wird von der EZLN politisch unterstützt und stellt den Journalisten und Rechtsanwalt Amado Avendaño als Kandidaten für den Gouverneursposten bei den anstehenden Wahlen auf.

Die Wahlen am 21. August 1994 werden zu einer ersten Wasserscheide. In den ersten acht Monaten der Rebellion flutet die lange zurückgehaltene Wut der Bauern fast ungebremst durch die Täler und Ebenen in Chiapas. Doch jetzt bekommt die Bewegung einen ersten Dämpfer. Die PRI hatte in Chiapas stets traumhafte Wahlergebnisse erzielt: 1976 stolze 97,7%, 1982 knapp über 90% und 1988 immer noch 89,9%. In manchen Wahlkreisen gelang der PRI sogar das Meisterstück, mehr Stimmen einzuheimsen, als es Einwohner gab. Erst seit Ende der 80er Jahre gewannen Oppositionskräfte an Raum. Doch nicht selten sind sie Ableger der PRI, vergleichbar mit den »Blockparteien« der ehemaligen DDR. Nur zwei unabhängige Oppositionsparteien spielen seit einigen Jahren eine zunehmend wichtige Rolle: Die von Teilen der Bourgeoisie unterstützte klerikalkonservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) und die linksgerichtete Partei der Demokratischen Revolution (PRD). Diese setzt sich aus einer Linksabspaltung der Staatspartei PRI, der alten Kommunistischen Partei und neu entstandenen sozialen Bewegungen zusammen.

1988 hatte Cuauhtémoc Cárdenas, Kandidat und Gallionsfigur der PRD, die Präsidentschaftswahlen nach einer überraschend schwungvollen Kampagne gegen Carlos Salinas de Gortari gewonnen. Präsident ist er dennoch nicht geworden. »Zufällig« fiel in der Wahlnacht des 6. Juli 1988 das zentrale Wahlcomputer-System aus. Die ausgezählten Wahlzettel wurden von der Armee in den Keller des Parlaments transportiert, wo sie »zufällig« durch einen Großbrand vernichtet wurden. Alle Massenproteste gegen den Wahlbetrug gingen ins Leere. Carlos Salinas de Gortari wurde zum Wahlsieger erklärt und von der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Die USA wollte schließlich lieber mit dem neoliberalen Salinas als dem linksgerichteten Cárdenas das NAFTA-Abkommen verhandeln.

Im August 1994 verspricht sich nun die Linke erneut einen Wahlsieg Cárdenas', auch die Zapatistas hoffen darauf. Doch diesmal ist die PRI besser vorbereitet. Sie setzt die gut geölte Propagandamaschinerie in Gang und verhilft der rechten »Oppositionspartei« PAN mit ihrem Kandidaten Diego Fernández de Cevallos, einem wortgewaltigen und in seinem Auftreten an einen spanischen Konquistador erinnernden Rechtsanwalt, zu großer Publizität. Die PAN versteht es glänzend, die Unzufriedenheit der Mittelschichten und deren Angst vor einem Bürgerkrieg zu kanalisieren. Die PRI auf der anderen Seite sichert sich ihren Einfluß - wie immer - durch Wahlgeschenke, Erpressung, Manipulation der Wählerverzeichnisse und tausend Kniffe aus dem reichhaltigen Repertoire der professionellen Trickdiebe in der Parteizentrale. So bleibt PRD-Kandidat Cárdenas relativ isoliert. Zudem kann er sich nicht für ein klares oppositionelles Programm entscheiden, zaudert und schwankt in seinen Aussagen.

Am 21. August 1994 erhält der PRI-Präsidentschaftskandidat Ernesto Zedillo knappe 50%. Cárdenas landet noch hinter Cevallos auf Platz drei. Das ernüchternde Wahlergebnis und die wieder einmal bewiesene Fähigkeit der PRI, die Opposition in die Schranken zu weisen, versetzt der am 1.Januar in ganz Mexiko ausgelösten Aufbruchstimmung einen gewaltigen Dämpfer.

In Chiapas dagegen stehen die Dinge anders. Der Wahlbetrug ist offensichtlich. Am 19. Dezember besetzen zapatistische Truppen 38 Distriktzentren in Chiapas. Ohne auch nur einen Schuß abzugeben, erhebt sich die EZLN zusammen mit der zivilen Opposition und macht klar, daß der Wahlbetrüger Robledo Rincón in Chiapas keinerlei Legitimität besitzt. Die »Übergangsregierung in Rebellion« des Amado Avendaño gewinnt an Stärke. Gleichzeitig steigt die Kriegsgefahr. Obwohl sich die zapatistischen Guerilleros schon im Morgengrauen des 20. Dezember in ihre Schlupfwinkel zurückziehen und es zu keinen bewaffneten Auseinandersetzungen kommt, leitet die Regierungsarmee eine Offensive ein. Weitere Truppenverbände werden nach Chiapas verlegt, Friedensgespräche rücken in weite Ferne.

Nicht zuletzt dem Bischof von San Cristóbal, Samuel Ruíz, ist es zu verdanken, daß ein Aufflammen offener Kämpfe vermieden werden kann. Mit einem Hungerstreik erwirkt er, daß die von ihm angeführte Vermittlerorganisation CONAI, wie von der EZLN gefordert, durch die Regierung anerkannt und ein demilitarisierter Korridor zwischen EZLN und Regierungstruppen in der Selva Lacandona eingerichtet wird.



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