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Kiel: 3. Prozesstag wegen TKDV und Landfriedensbruch

Bodenfrost
der dritte Prozesstag

Staatsschutzsaal _ Drohungen _ Versuch des Kadi, die Prozesserklärung zu
vereiteln _ zwei statt vier Bullenzeugen _ dafür ein Überraschungszeuge

Einem kieler Genossen von uns wird totale Kriegsdienstverweigerung und
Lanfriedensbruch vorgeworfen. Zurzeit findet das Berufungsverfahren vor
dem Kieler Landgericht statt. Wie schon der 2. Prozesstag, fand auch der
vom 20.11.01 im Staatsschutzsaal des Kieler Landgerichts statt. Kaum
hatte sich der Richter gesetzt, so drohte er auch schon dem Publikum.
Unser Anwalt stellte fest, dass der vorgeschriebene Ablauf bezüglich des
von ihm im letzten Prozess vorgelegten Befangenheitsantrages nicht
eingehalten wurde und somit einen Revisionsgrund darstellt. Denn statt
ihm die Äußerungen rechtzeitig zwecks Stellungnahme zukommen zu lasssen,
wurden sie ihm erst im Gerichtssaal überreicht. Somit musste er in einer
einstündigen Pause seine Stellungsnahme anfertigen. Anschließend stellte
er den Befangenheitsantrag erneut.
Dennoch sollte die Verhandlung weitergehen, gespickt mit Drohungen an
das Publikum, sobald dieses nur leiseste Regungen von sich gab. So
drohte der selbsternannte Kadi einzelnen Leuten mit Ordnungs- und
Haftstrafen bis zu einer Woche sowie damit, die ganze Öffentlichkeit
auszuschließen, die übringens durch die Abwehrscheibe dem Prozessverlauf
sowieso nur begrenzt folgen konnte. Die Einschüchterungsversuche
verschäften sich später, als der Richter ankündigte, beim nächsten
Verhandlungstermin nur noch reinzulassen, wer sich ausweist.
Nachdem die vergangene Urteilsbegründung verlesen wurde, hätte unser
angeklagte Genosse eigentlich das Recht zur Äußerung gehabt. Doch noch
bevor er den ersten Satz seiner Prozesserklärung verlesen hatte
unterbrach ihn der Richter. Es begann eine lange Auseinandersetzung, in
der der Richter das Verlesen der Erklärung nicht zulassen wollte und
sich weigerte sie als Einlassung zur Sache anzuerkennen. Immer wieder
unterbrach er unseren Genossen, wollte ihm die Form seiner
Positionierung vorschreiben und drohte ihm sogar mit Wortentzug. Nach
langem Theater beriet sich das Gericht und ließ die Verlesung zu.
Trotz dem wir der Ansicht sind, dass Bemerkungen zu den letzten
Prozesstagen _ zu dem Auffahren von bewaffneten Bullenmassen, der
Verlegung der Verhandlung in den Staatsschutzsaal, der Kontrolle des
Publikums und der Beschuldigung, der Anwalt habe das Aufrufflugblatt zur
Demo am ersten Prozesstermines geschrieben _ mit der Sache zu tun haben,
wurde der erste Absatz der Erklärung vorerst nach hinten gestellt.
Endlich, fast ohne Unterbrechung, konnte unser Genosse seine
Prozesserklärung für das Publikum verlesen.
Nach der Mittagspause brachte dann unser Anwalt einen Einstellungsantrag
bezüglich der TKDV wegen fehlender Einberufungsbescheide und
Strafklageverbrauch ein.

Als nächstes wurden die Bullenzeugen zu den Proteste vor dem
Schauspielhaus angehört. Ins Schauspielhaus hatte die Kieler Prominenz
am 6.5.99 auserwählte Gäste eingeladen, um auf das 50 jährige Bestehen
der Nato anzustoßen, die zur gleichen Zeit dabei war, Bomben auf
Jugoslawien zu schmeißen. Statt der eigentlichen 4 Zegen waren nur 2
erschienen. Während die eine sich nicht mehr erinnern konnte und sich
nicht mehr festlegen wollte, zumal sie sich damals nur dem Bericht ihres
Kollegen anschloss, schient der andere ein wechselndes Gedächtnis zu
haben und sich sogar für seine Kollegin mit zu erinnern. So habe er
seinen Bericht vor dem Prozess nochmals gelesen, wüsse aber nicht was
drin stünde. Auch sah er mal 1, mal 3 kaputte Eier.
Obwohl der Staatsanwalt in Zusammenhang mit etwaigen Farbbeuteln oder
Eiern am Liebsten den Begriff "Geschosse" gebrauchen wollte, bestätigten
die beiden Zeugen doch eher, dass ein lockeres Pulk von Leuten
demonstrierte und die Mordsgäste ohne direkte Attaken ins Gebäude
gelangten.

Gegen Ende dieses dritten Verhandlungstages gab es dafür noch einen
Überraschungszeugen. Wiederum, ohne unseren Anwalt rechtzeitig davon in
Kenntnis zu setzen, wurde Herr Müller geladen. Eine Vorbereitung auf den
Zeugen war uns daher nicht möglich. Als Verwaltungsangestellter beim
Bundeszivilamt war er für die Zustellung des Einberufungsbescheides
verantwortlich. Es stellte sich heraus, dass Herr Müller den Bescheid an
die Untermieterin der Eltern unseres Genossens weitergab, obwohl dieser
dort weder wohnte noch gemeldet war. Ein Punkt den der Kadi noch genauer
klären will, um sicherzugehen, dass der Angeklagte nicht "untertauchen"
wollte.

Die nächsten Prozesstermine:
Donnerstag 29.11. um 9:00 Uhr
Freitag 30.11. um 14:00 Uhr

weitere Infos:  http://www.gaarden.net/hausdruck


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ältere zum thema:
Aufruf zum 1. Verhandlungstag  http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2001/10/21/6852.html
Bericht vom 1. Tag  http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2001/11/03/7075.html
Bericht vom 2. Tag  http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2001/11/14/7262.html

 

23.11.2001
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Antimilitarismus]  Zurück zur Übersicht

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