[ zurück zum ihnaltsverzeichnis ]



Anquatschversuche lang und schmutzig
Anfang August diesen Jahres wurde erneut eine Genossin aus dem Umfeld der Roten Flora von einem Angestellten des Landesamtes für Verfassungsschutz um Mitarbeit gebeten.
Auf einem Spaziergang außerhalb der »Szeneviertel« wurde sie überraschend angesprochen, ob sie nicht Lust habe, sich auf einen kurzen Kaffee einladen zu lassen, es würde um ein konkretes Angebot für einen Nebenverdienst gehen. Im Verlaufe des sich anschließenden, kurzen Gespräches eröffnete ihr Mister X, daß er als Verfassungsschützer Informationen über den Bereich Linksextremismus sammele und zur Zeit spezielles Interesse an der Strukturdiskussion / Nutzung der Roten Flora habe. Desweiteren interessieren ihn zwei Gruppen ganz besonders, eine davon aus dem Antifa- Spektrum.
Die Umstände dieser versuchten Kontaktaufnahme lassen mal wieder darauf schließen, daß die »Zielperson« genau ausgewählt und entsprechend vorher observiert wurde; die Bedingungen der Kontaktaufnahme waren somit eindeutig von dem VS-Beamten bestimmt. Dennoch wartet der VS weiterhin vergeblich auf Antwort.
Da sich zur Zeit scheinbar diese Fälle mal wieder mehren und leider weiterhin keine Eindeutigkeit im Umgang mit solchen Anquatschversuchen besteht, wollen wir nochmal klipp und klar feststellen:

- Es gibt keinen Grund, sich auf ein Gespräch einzulassen. Sicher ist es immer schwierig, in dem entscheidenden Moment der Überraschung geistesgegenwärtig zu reagieren. Die meisten von uns scheinen kurz »auf Zeit spielen« zu wollen, möchten wissen, weshalb die Behörde gerade auf sie zukommt, und was speziell sie wissen wollen. Es ist aber eine eitle Illusion zu denken, wir könnten das Gespräch in unserem Sinne nutzen, mehr aus ihnen herausquetschen als andersherum. Aus jedem noch so scheinbaren Geplänkel, jeder winzigen Minimalreaktion wie Erröten, Stocken, Lächeln usw. ziehen sie für weitere Versuche relevante gesprächspsychologische Erkenntnisse. Sie checken ab was du weißt, welche Drohung dich trifft, welches Angebot dich berührt, wovon du scheinbar Ahnung hast und wovon wohl eher nicht. Wenn du deinem Drang als Hobbydetektivin nachgibst, hast du schon verloren. Mit jeder Sekunde, die dieses Gespräch länger dauert, gibst du der Gegenseite einen weiteren Aufhänger nachzuhaken, weiterzufragen, dich einzuschätzen, um weiterhin, besser, an dir oder deinen Nachfolgerinnen dranbleiben zu können. Außerdem: die evtl. von Dir gewonnenen Erkenntnisse haben in der Regel kaum einen Wert, da das politische Ziel der VS-Arbeit eh klar ist: das Widerstandspotential in Quanti- und Qualität einschätzen zu können, um den Verfolgungsbehörden die Arbeit zu erleichtern. Daß sie jetzt speziell nach einer Gruppe oder einem Teilbereich nachfragen, hat nichts über deren/ dessen Relevanz auszusagen.
Ganz nebenbei versuchen sie durch diese Taktik immer bei uns ein diffuses Gefühl von Machtlosigkeit, allgegenwärtige Kontrolle und Peinlichkeit zu erzeugen («wieso ausgerechnet ich, die halten mich anscheinend für besonders labil...«).
Zur allgemeineren Einschätzung der Arbeit des VS verweisen wir auf die etwas fundiertere Ausführung der Roten Hilfe HH vom Juni 98 aus selbigem Anlaß.
- Desweiteren ist es dringend notwendig, jeden dieser Versuche sofort öffentlich zu machen, schon deshalb, um Dir selbst die notwendige Gewißheit zu verschaffen, zukünftig in Ruhe gelassen zu werden. Dies kann natürlich auch über dritte erfolgen, und die Ausführlichkeit oder Detailtreue kann je nach individuellen Umständen variieren. Dies ist das einzig eindeutige Zeichen der Absage; nur so machen wir ihre Taktik lächerlich, führen sie vor und zeigen, daß sie mal wieder überhaupt nichts schnallen. Die teilweise ausgesprochenen Druckelemente können bei näherem Hinsehen sowieso nicht greifen; es ist uns noch kein einziger Fall bekannt geworden, bei dem eine verweigerte Mitarbeit persönlich nachteilige Konsequenzen gehabt hätte.
Bei der Diskussion um den korrekten Umgang haben interessierte Gruppen auch überlegt, welche Konsequenzen es für uns hätte, wenn wir den Beamten im Moment des Angequatschtwerdens eine scheuern würden. Wir müsse uns da juristisch aber noch schlauer machen. Vorläufig haben wir uns entschieden, die Beamten zum Verzehr von Dackeldünnschiß zu zwingen, weshalb es geraten erscheint, stets einen kleinen Plastiklöffel mit sich zu tragen.

Wir möchten noch darauf hinweisen, daß zunehmend Menschen aus unserem Umfeld angesprochen werden, häufig an der Uni, ob sie nicht wen aus der linken Szene für ein Interview vermitteln könnten (im Rahmen einer Soziologie-Diplomarbeit über Jugend und Extremismus oder ähnlichem Unfug). Wir vermuten dahinter ebenfalls eine VS-Taktik, müssen dem aber gemeinsam noch genauer nachgehen. Wir sollten solche Vorkommnisse sammeln; evtl. wäre die Rote Hilfe/ OG HH vorläufig die richtige Ansprechpartnerin.
HH, 25.09 98, vorwärts immer,
rückwärts nimmer!


[ zurück zum ihnaltsverzeichnis ]