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Zu den Diskussionen um Drogenpolitik im allgemeinen
und im Schanzenviertel im besonderen...

In jeder Erklärung der Flora und anderen Texten zu diesem Thema in der Zeck wird immer wieder behauptet, die Probleme lägen einzig und allein in der Illegalisierung von Heroin (u.a. Drogen). Der Bösewicht ist, nach klassisch autonomer Weltsicht, der reaktionäre Staatsaparat, wobei im Unklaren bleibt, welches Interesse genau dahinter stecken könnte.
Daraus abgeleitet wird die Freigabe gefordert: »Auch wenn eine langfristige Lösung einzig und allein in der Freigabe illegalisierter Drogen liegt...« (Rote Flora 1.7.98)
Ich halte das für einseitigen, pseudoradikalen Nonsens! Denn was dabei überhaupt nie thematisiert wird sind Suchtstrukturen. Sicher mag es einige Leute geben, die souverän mit Heroin umgehen können1, aber es gibt auch verdammt viele, die abhängig davon sind, es sich regelmäßig zuzuführen. Dieses »Bedürfnis« ist so stark, daß alles andere unwichtig ist, auch die Belange anderer Menschen. Abhängigkeit/Sucht führt zu sehr rücksichtslosem und unsozialem Verhalten, welches sich oft gegen Schwache richtet (z.B. Omas die Handtasche klauen, ein Klischee, aber es kommt doch sehr häufig vor).
Von daher ist Suchtverhalten durchaus ein Problem für soziale Zusammenhänge und kann diese u. U. auch zerstören. Das ist natürlich nicht nur bei Abhängigkeit von illegalen Drogen so, sondern auch bspw. von Alkohol. Natürlich hat jede Droge ihre eigene Wirkung und zieht damit auch ein spezielles Abhängigkeitsverhalten nach sich, welches wiederum unterschiedlich stark ausgeprägt ist... darauf möchte ich hier nicht näher eingehen
Ich bin aber überzeugt, daß die Lösung keineswegs »in der langfristigen Freigabe illegalisierter Drogen liegt.« Wenn überhaupt ist die Freigabe ein notwendiges Übel in der Gesellschaft, die darauf ausgerichtet ist, daß soziale Bedürfnisse durch Konsum vermeintlich »befriedigt« werden. Eine Suchtgesellschaft, die die Abhängigkeit von Drogen und anderem hervorbringt, in immer größerem Ausmaß. Das sollte meiner Meinung nach viel mehr im Blickfeld linker Diskussion stehen, als die ewige Freigabeforderung oder das Gerangel der verschiedenen Drogenhilfeprojekte um die Gelder für einen weiteren »Gesundheitsraum«.
Denn Emanzipation heißt auch Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und übernehmen zu können. Suchtverhalten ist das Gegenteil davon («Ich kann nichts für mein Verhalten, weil ich ja süchtig bin...). In der Auseinandersetzung mit UserInnen (ein Begriff, der eine freie Entscheidung des Gebrauchs vorgaukelt) halte ich es für wichtig, Selbstverantwortung von den Leuten einzufordern.2 Eine (Selbst-)Wahrnehmung und Darstellung als reine Opfer staatlicher Repression und repressiver Drogenpolitik ist dazu nicht geeignet und scheint mir zu einseitig. Dabei kommt wohl der linke Mythos von dem entrechteten, gequälten Subjekt, das es zu erretten gilt, zum Tragen.
Das soll nicht heißen, daß ich es gut finde, wenn alle Probleme, die ganze Suchtproblematik, der geballte Egoismus auf die Junkies projeziert wird. Natürlich ist die dauernde Vertreibungspolitik blödsinnig und macht die Leute noch fertiger als sie eh schon sind.
Aber zum Beispiel die Forderung an Junkies bestimmte Spielplätze in Ruhe zu lassen halte ich für völlig legitim und wirklich nicht zu viel verlangt! Sie kam damals nur zu einem politisch-taktisch ungünstigen Zeitpunkt wg. Wahlkampf und Medientrara.
Um es zusammenzufassen: Ich halte es für richtig, daß sich die Flora versucht gegen die Vertreibungspolitik zu stellen. Blödsinnig erscheint es mir, Junkies nur als deren Opfer zu sehen und die Suchtproblematik nur auf die Frage der (Il-)Legalität der Droge zu reduzieren. Völlig daneben finde ich es, wenn ein Heroin-Jubiläum gefeiert und damit das Giftzeug verniedlicht und beschönigt wird. Kein Pharmaprodukt ist es wert gefeiert zu werden, weder die legalen (von denen auch viele, bes. Frauen abhängig sind) noch die illegalen. Sie alle dienen dazu, Schmerzen zu unterdrücken, dadurch findet eine Entfremdung von den eigenen Gefühlen statt, ohne daß die Schmerzen geheilt werden. Dadurch werden Abhängigkeit und Unselbständigkeit gefördert, eigentlich keine linksradikalen Ideale, oder?
Elly

Anmerkungen

1 Der Genuß sei ihnen gegönnt. Für diese Leute ist es wahrscheinlich kein Drama, daß Heroin nicht erlaubt ist. Der hohe Preis ist wohl eher ein Problem für Abhängige. Durch Freigabe würde zwar der Preis gedrückt und die Qualität besser, aber das Problem der Abhängigkeit/Sucht wäre nicht gelöst.
2 Ich bin mir im Klaren darüber, daß bei den einzelnen Abhängigen oftmals heftige Traumata das Suchtverhalten mitverursacht haben und es sich in diesem Sinne um eine Art Selbstmedikation handelt. Nichtsdestotrotz fürt diese Art der Selbstmedikation nicht zur Heilung, sondern dient der Verdrängung. Oftmals werden dann weitere traumatische Erfahrungen provoziert oder andere Menschen verletzt, wodurch noch mehr Verdrängung nötig wird, was wiederum die Abhängigket steigert.


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