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Lübeck - Testballon der Faschisten?
Zur Kommunalwahl in Schleswig-Holstein am 22.3.98 trat in Lübeck das "Bündnis Rechts für Lübeck" (BRL) an als Sammelbecken von Krawatten- und Stiefelnazis aus NPD, DVU, der verbotenen "Nationalen Liste", u.a. Als Wahlkampfveranstaltungen, die nur schwer verboten werden können, wurden vom BRL zwei Demos in Lübeck angemeldet, einmal am 31.1. im Stadtteil Moisling, zum anderen am 14.3. in der Altstadt.

31.1.: Antifa verhindert rechten Marsch
Nach einem juristischen Tauziehen zwischen Stadtregierung und BRL wurde die Nazi-Demo am Mittag des 31.1. nach anfänglichem Verbot vom Verwaltungsgericht zugelassen. Sobald das Schleswiger Gerichtsurteil verkündet war, unternahm die mit fünf Hundertschaften präsente Polizei alles, um den Weg für die Nazis freizumachen. Auf einem Autobahnparkplatz in Hamburg-Stapelfeld warteten zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Stunden etwa 150 Nazis in drei Bussen und mehreren PKW`s. Bei den Nazis handelte es sich größtenteils um Kader und Anhänger der militanten Neonazi-Szene aus Hamburg, Bremen und anderen norddeutschen Städten. Dabei waren u.a. die einschlägig bekannten Nazi-Funktionäre Christian Worch und Thomas "Steiner" Wulff, beide aus Hamburg. Dieser Konvoi setzte sich mit einer starken Polizeieskorte in Richtung Lübeck in Bewegung.
In Moisling hatten etwa 600 Menschen an der angemeldeten Antifa-Kundgebung des "Bündnis gegen Rassismus" teilgenommen. Nachdem diese um 12 Uhr den Auflagen gemäß aufgelöst werden mußte, bemühte sich die Polizei, mit allen Antifa-Aktivitäten im Stadtteil aufzuräumen. Bis auf einen kleinen Bereich vor dem Kulturhaus, in den sich die AntifaschistInnen zurückziehen durften und der von starken Polizeiketten abgeriegelt wurde, wurde versucht, jede Antifa-Regung in Moisling rigoros zu unterbinden.
Dennoch gelang es einer Gruppe von knapp hundert überwiegend aus Kiel kommenden AntifaschistInnen, eine Kreuzung auf der einzigen noch möglichen Zufahrtsstraße der Nazis zwischen Moisling und Niendorf besetzt zu halten. Sie wurden jedoch gegen 15 Uhr von einer Hundertschaft eingekesselt, einzeln aus dem Kessel herausgezerrt und in Gewahrsam genommen. 82 TeilnehmerInnen durften dann den Rest des Nachmittags in einem als provisorische Massenzelle dienenden abgetrennten Bereich des Parkdecks des Lübecker Behördenhochhauses verbringen, über zwanzig von ihnen ließ man auch einfach die ganze Zeit über in geparkten unbeheizten Polizeibussen sitzen. Zwei Personen wurde "Körperverletzung" vorgeworfen, weil sie sich gegen einen Angriff von Nazi-Skins zur Wehr gesetzt hatten.
Die Nazis gelangten schließlich über genau den zuvor blockierten Weg etwa zwei Stunden nach dem geplanten Beginn ihres Aufmarsches nach Moisling. Dort konnten sie jedoch nur relativ kurz auf einem Platz herumstehen und zu einer Kundgebung Aufstellung nehmen.
Etwa hundert Meter und zwei Polizeiketten weiter in Moisling am Sterntalerweg hatte inzwischen eine Gruppe von etwa fünfzig AntifaschistInnen, überwiegend Moislinger jugendliche MigrantInnen, eine kleine Barrikade aus Müllcontainern und Müllsäcken errichtet und angezündet, um einen Nazi-Marsch nach Moisling zu behindern.
Bürgermeister Bouteiller nahm dies in Absprache mit Polizeichef Hüttmann zum Anlaß, den Nazi-Aufmarsch erneut zu verbieten, da die öffentliche Sicherheit im Stadtteil gefährdet sei.
So stiegen denn die Nazis noch vor 17 Uhr wieder in ihre Fahrzeuge und verließen Moisling auf demselben Weg, auf dem sie gekommen waren.
(Quelle: "Gegenwind" Nr.114, März 98)

14.3.: Polizei macht den Weg frei
Für den 14.3. war dem BRL statt der beantragten Route durch die Altstadt von der Polizei eine Route durch die Nordstadt zugewiesen worden. In der Altstadt fand eine genehmigte Gegendemonstration des "Bündnisses gegen Rassismus" mit 700 TeilnehmerInnen statt., von denen es einem Teil anschließend gelang in die Nordstadt zu ziehen, obwohl die Polizei die Brücken dorthin kontrollierte. Gegen 13 Uhr sammelten sich 300 Nazis auf dem ihnen zugewiesenen Stadion-Parkplatz (mit eigenem Autobahn-Zubringer), wiederum unter Führung von Worch und Wulff. Trotz massivem Polizeiaufgebot gelang es Antifas, Barrikaden aus Brettern, Autoreifen und Autoanhängern auf der geplanten Nazi-Route zu errichten. Die Polizei nahm daraufhin möglichst alle Menschen zwischen 16 und 30 Jahren in Gewahrsam (gibt auch Antifas jenseits der 30iger-Grenze! d.Setzer), die sich entlang der Demoroute aufhielten und "verdächtig", d.h. wie potentielle ProtestiererInnen, aussahen. 400 Menschen wurden so schließlich ins Behördenhochhaus verschleppt und erst am Abend freigelassen. Gegen einige AntifaschistInnen laufen Verfahren wegen Körperverletzung.
Die Nazi-Demo selber fand unter massivem Polizeischutz verspätet, aber nahezu ungestört, wie geplant statt. Eine Sitzblockade durch Antifas auf dem Kundgebungsplatz wurde von der Polizei brutal aufgelöst.

Vorläufiger Schlußpunkt
Bei der Kommunalwahl am 22.3. errang das BRL über 3% der Stimmen.


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