ngen über die grundlegende Forderung nach uneingeschränkten Menschenrechten für Flüchtlinge und Migrantinnen hinaus einen gemeinsamen politischen Rahmen zu geben. Dieses "Angebot" wurde angenommen, wie mensch an der Breite der den Aufruf unterzeichnenden Gruppen und Einzelpersonen erkennen kann. Göttingen und Köln sind hier als besonders positive Beispiele zu nennen. In Göttingen wurde die Kampagne genutzt, nach jahrelanger Distanz zwischen antirassistischen und kirchlichen Gruppen ein gemeinsames Bündnis zu bilden. (siehe ak 409) In Köln wird die aktuelle Protestaktion illegalisierter kurdischer Flüchtlinge gemeinsam vom lokalen Kampagnen-Netzwerk und den Kirchen unterstützt. Auch in Berlin, München, Hamburg, Stuttgart sind lokale Initiativen und Bündnisse entstanden. Sie haben unterschiedliche Zusammensetzungen und Prioritäten. An weiteren Orten werden lokale Ereignisse mit der Losung "kein mensch ist illegal" verknüpft, so z.B. bei den Unterstützungsaktionen für Hungerstreikende im Abschiebeknast von Rottenburg, bei einer Bündnis-Demonstration gegen Massenabschiebungen in Oberhausen und beim Aktionstag zum Tag der Menschenrechte am Frankfurter Flughafen.
Die Kampagne bietet so einerseits ein Dach für ohnehin anstehende Aktionen der Unterstützung von Flüchtlingen, andererseits ist sie der Anlaß für gemeinsame politische und praktische Aktivitäten. Das kann bereits als Erfolg gewertet werden. Über lokale Bündnisse und Aktivitäten hinaus sind die bundesweiten Arbeitstreffen der Kampagne ein Forum, um einzelne Bereiche der Unterstützung illegalisierter Flüchtlinge gezielter zu thematisieren. So wird derzeit die Verbesserung der medizinischen Versorgung Illegalisierter diskutiert. Die bestehenden Büros und Anlaufstellen in Berlin, Bochum, Köln, Hamburg, Bielefeld sollen zudem vernetzt werden. Weitere Projekte zur medizinischen Versorgung Illegalisierter sind derzeit im Entstehen bzw. geplant. Auch hier kann von einer positiven Entwicklung gesprochen werden. Aber: erklärtes politisches Ziel dieser Projekte ist es, illegalisierten MigrantInnen den Zugang zur allgemeinen Gesundheitsversorgung zu verschaffen und sich letztlich wieder entbehrlich zu machen.
Ein weiteres wichtiges Thema bei den Arbeitstreffen ist die - private oder kommerziell betriebene - Fluchthilfe, gemeinhin bekannt und verteufelt als "kriminelle Schlepperei" und "Schleuserei". In der Arbeitsgruppe wurden erstmals Überlegungen angestellt, wie der bisher von seiten der FlüchtlingsunterstützerInnen tabuisierte Bereich notwendiger Flüchtlingshilfe ."entdämonisiert" werden könne. Erste praktische Resultate sind der "Reader zu Fluchthilfe und deren organisierter Kriminalisierung" (2) und mehrere Veranstaltungen zum Thema. Darin wird die Notwendigkeit dieser Dienstleistung "Fluchthilfe" verdeutlicht.
Zur Umsetzung der Forderung, MigrantInnen Schulbesuch und Ausbildung zu ermöglichen gibt es bislang erst wenige Initiativen. Ein Beispiel kommt aus Köln. Dort mußte eine Anweisung der Behörden an die Schuldirektionen, illegalisierten Kindern den Schulbesuch zu verweigern nach öffentlichen Protesten, an denen auch das Kölner Karmpagnen-Netzwerk mitwirkte, zurückgenommen werden. In Berlin fand zum Beginn des Schuljahres eine Aktion des FrauenLesben-Bündnisses gemeinsam mit illegalisierten Migrantinnen statt. Sie forderten das Recht auf "Schule für Alle". Auch bei einer GEW-Veranstaltung wurde das Thema daraufhin in den Mittelpunkt gestellt.
Schwierig ist es auch, die Forderung nach Arbeit für Illegalisierte zu verwirklichen. Diese müssen sie sich in der Regel selbst als "Schwarzarbeit" suchen. Es ist notwendig, diese Problematik auch mit GewerkschafterInnen zu diskutieren. Deren Führungen beteiligen sich aber bisher an der unsäglichen Kampagne "illegal ist unsozial" oder lassen - wie bei der IG Bau - verbale rassistische Angriffe gegen ausländische ArbeiterInnen vom Stapel. Mit welchem Ziel solche Diskussionen geführt werden könnten, soll mit einem Passus aus einem Diskussionsbeitrag zur Kampagne verdeutlicht werden: "Die wachsende Zahl von Illegalisierten schafft bekanntlich einen Markt von extrem ausbeutbaren Arbeitskräften; dieser Markt wird genutzt, er drückt auf den ,legal' verfaßten Arbeitsmarkt und hilft, die Deregulierung weiter voranzutreiben. Ein Zusammenhang, der nicht deshalb übersehen werden darf, weil auch Blüm ihn sieht. In Frankreich hat dieser Zusammenhang jedenfalls die Solidarität von Gewerkschaften und sans papiers begründet. (...) Die sans papiers haben den Gewerkschaften klar gemacht, daß eine alte Position der Arbeiterbewegung unter den Bedingungen von Konkurrenz zwischen illegalisierten und legalen Arbeitskräften in neuer Form praxisleitend sein muß. Der Konkurrenzkampf zwischen den verschiedensten Anbietern der Ware Arbeitskraft muß minimiert werden, deshalb gehören auch lllegalisierte in die Gewerkschaften, und beide kämpfen um dasselbe: um ,soziale Menschenrechte"'. (3)
"Eine Bewegung wie die der Papierlosen, der ,sans papiers' in Frankreich (...) ist hier nicht in Sicht. Gleichwohl müssen wir uns konkret die Frage stellen, wie wir die Kontakte zu Projekten der Selbstorganisierung von MigrantInnen verbessern können, und wie wir ihre Ansätze flankieren können." (4) Gelegenheit dazu besteht im Sommer '98, wenn die vom Internationalen Menschenrechtsverein - eine Flüchtlings- und MigrantInnenorganisation in Bremen - initiierte "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" auf die Reise geht.

Kritik und Diskussionen
Nicht verschwiegen werden soll, daß die Kampagne "kein mensch ist illegal" nicht überall in der antirassistischen und Flüchtlingshilfebewegung ungeteilte Zustimmung erfährt. So wurde der Aufruf von einer antirassistischen Gruppe als "zu reformistisch" erklärt - gleichzeitig unterstützt sie die Kampagne als solche -, andere Gruppen sind abwartend oder distanziert. Begründungen hierfür sind schwer zu erhalten.
Auch haben sich z.B. Pro Asyl als "Dachverband" der Flüchtlingslobby und die Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" bisher nicht zu einer Unterstützung der Initiative bereit erklärt. Letztere übrigens im Gegensatz zum Ökumenischen Netzwerk "Asyl in der Kirche" Nordrhein-Westfalen, das den Aufruf unterzeichnete, allerdings unter dem Vorbehalt, "was manche Formulierung und insbesondere die Feststellung angeht, wonach jeder Mensch das Recht hat, selbst zu entscheiden, wo und wie er leben will." Die Intention des Aufrufs, Menschen ohne Papiere politisch und praktisch zu helfen, unterstützt das Netzwerk dagegen vorbehaltlos.
Da die Kampagne von sehr unterschiedlichen Gruppen getragen wird, gibt es innerhalb der Kampagne Diskussionsbedarf. Die Antirassistische Initiative Berlin (ARI) kritisierte am Aufruf, daß dort keine Forderung an den Staat enthalten sei. Die ARI findet die "Forderung nach Legalisierung aller in Deutschland lebenden MigrantInnen im Rahmen der Kampagne" sinnvoll und notwendig als Teil eines politischen Vorschlags, der "andere gesellschaftliche Gruppen erreichen kann, also auch Gruppen, die ein anderes Verhältnis zum Staat haben wie wir" und der "im staatlichen Rahmen zu verwirklichen ist".(5)
Diese Vorstellung stieß auf vehemente Widerrede der Initiatorinnen des Aufrufs. Es gehe "im Moment vorrangig darum, eigene Strukturen, Netzwerke und Artikulationsformen auszumachen, aufzubauen und voranzutreiben, um der staatlichen Anerkennungs- und Abschiebemaschinerie entgegentreten zu können", erwiderte die Gruppe [n.s.i.a.m.p.] aus München. Sie sehe darin "die Chance zu einer sozialen und politischen Praxis, die dem Staats-Rassismus auch tatsächlich etwas entgegenzusetzen hat - und sei es kurzfristig oder von vorübergehender Dauer." Und: "Jeder Forderung nach einer Legalisierung von Staats wegen muß, will sie keine Balkonrede sein, eine ,Legalisierung von unten' vorangehen, die den Herrschenden zumindest keine andere Wahl läßt, als Teillösungen zu offerieren." (6)
Beim Arbeitstreffen der Kampagne in Göttingen wurde diese Debatte in einer Arbeitsgruppe fortgeführt. Diese stellte fest, daß "die vorgebrachten Standpunkte einander nicht notwendigerweise ausschließen. Letztlich werde "ein flexibler Umgang (...) einem statischen Verständnis, was zu tun oder zu lassen sei, vorgezogen. (...) Demnach stützten sich politische Forderungen auf die konkrete Lage vor Ort. Sinn mache dann eine regionale Vernetzung für die Unterstützung solcher Forderungen. (7) Das entspricht bereits der Praxis, denn bei lokalen, mit der Kampagne verbundenen Aktivitäten, wie z.B. den Protesten gegen das Schulverbot für illegalisierte Kinder in Köln, werden durchaus ganz konkrete Forderungen gestellt.

Resonanz
Wie jede Kampagne lebt natürlich auch diese von der Resonanz, die sie in der Öffentlichkeit erfährt. Erste Schritte, die Initiative über die "eigenen Kreise" hinaus bekannt zu machen, waren eine Pressekonferenz in Bonn im Oktober 97 und eine Großanzeige in der Frankfurter Rundschau wenige Tage später. Die darauf erhoffte überregionale Berichterstattung war mäßig. Erst später fand die Kampagne in regionalen Zeitungen und in verschiedenen Radiosendungen Beachtung. Erst eine taz-Beilage im Dezember führte zum verstärkten Medieninteresse. Mittlerweile sind auch zunehmend Fernsehsender interessiert.
Öffentlichkeit sollte kein Selbstzweck sein, deshalb sind die bisherigen Resultate durchaus zufriedenstellend, denn der Aufruf und seine Forderungen werden bei jenen bekannt, an die beides gerichtet ist. Es besteht die Hoffnung und die Erwartung, daß die Kampagne auch zu einer politischen Kraft wird, die dem rassistischen Konsens mit seinen alltäglichen Konsequenzen und in Form weiterer Zuspitzungen der Angriffe auf Flüchtlinge und MigrantInnen wirkungsvoll entgegentreten möge. Der Ansatz dazu könnte der Vorschlag vom Berliner Kampagnen Bündnis sein, sich als bundesweite Initiative überall regional und lokal gegen die neuerliche Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes stark zu machen. (8)

Gibt es einen antirassistischen Sommer?!
Beim letzten Kampagnentreffen wurden mehrere überregionale Aktionen diskutiert. Schon beim letzten Treffen in Kassel gab es den Vorschlag, ein Aktionscamp an der Grenze zu Polen und Tschechien durchzuführen. Das Konzept der Einreiseverhinderung von BGS und seiner Hilfstruppen soll öffentlich gestört werden. Dies wurde konkretisiert. Vom 3. bis 7. Juli findet ein FrauenLesben-Camp statt. (9) Das (gemischte) Camp mit dem Motto "Spiel ohne Grenzen" findet einige Wochen später, vom 25. Juli bis 2. August statt. (10) Beide Camps werden nicht als gegenseitige Konkurrenz begriffen, sondern als sich wechselseitig verstärkend. In der "heißen Phase" des Wahlkampfes - von Mitte August bis 20. September - wird die "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen" durch die BRD ziehen.
Auftaktveranstaltung für den "heißen Sommer" wird eine bundesweite Demonstration zum Frauenabschiebeknast in Neuss am 13. Juni sein. Nach den großen Demos der letzten Jahre zum größten Abschiebeknast in Büren soll mit der Demo in Neuss insbesondere die Situation illegalisierter Frauen thematisiert und den Forderungen nach einem eigenständigen Aufenthaltsrecht für Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen und nach Anerkennung sexistischer und sexualisierter Verfolgung als Asylgrund Ausdruck verliehen werden. (11)

M., AG3F
(aus: ak)



Anmerkungen:

1) aus: "Entwurf für einen Begleittext zum Aufruf ,kein mensch ist illegal’", Juni 1997
2) "Reader zu Fluchthilfe und deren organisierter Kriminalisienung", 60 S., 6 DM, Bezug: AG3F Metzgerstr. 8, 63450 Hanau
3) aus: "Gedanken zur Debatte um Sinn und Inhalt der Kampagne von A.K., Kölner Netzwerk "kein mensch ist illegal" 28.11.97, in: kmii-Rundbrief No. 2, Dez. 97
4) aus: "Einige gesellschaftliche und politische Emschätzungen" von der Berliner Initiative "kein mensch ist illegal" in: kmii-Rundbrief No. 1, Okt. 97
5) aus: "Eine klare Forderung stellen! Ein Beitrag zur Diskussion über die Kampagne ‘kein mensch ist iilegal’ von Antirassistische Initiative (ARI) e.V. Berlin, u.a. in: kmii-Rundbrief No. 2, Dez. 1997
6) aus: "Eigene Strukturen schaffen!" von n.s.i.a.m.p.-München, in: kmii- Rundbrief No. 2, Dez. 1997
7) aus: Protokoll der AG Inhaltliche Diskussion, in: kmii-Rundbrief No. 3, Febr. 1998
8) Kontakt: Berliner Initiative "kein mensch ist illegal", c/o FFM, Gneisenaustr. 2a; 10961 Berlin
9) Kontakt: Symbiose e.V., Stichwort: "Sommerfrische", Kinzigstr. 9, 10247 Berlin, Tel. 030/2947688, Fax 030/29492120
10) Kontakt: Fritz c/o FFM, s.o.
11) Kontakt: Infoladen Anschlag, Heeper Str 132, 33607 Bielefeld


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5) aus: "Eine klare Forderung stellen! Ein Beitrag zur Diskussion über die Kampagne ‘kein mensch ist iilegal’ von Antirassistische Initiative (ARI) e.V. Berlin, u.a. in: kmii-Rundbrief No. 2, Dez. 1997
6) aus: "Eigene Strukturen schaffen!" von n.s.i.a.m.p.-München, in: kmii- Rundbrief No. 2, Dez. 1997
7) aus: Protokoll der AG Inhaltliche Diskussion, in: kmii-Rundbrief No. 3, Febr. 1998
8) Kontakt: Berliner Initiative "kein mensch ist illegal", c/o FFM, Gneisenaustr. 2a; 10961 Berlin
9) Kontakt: Symbiose e.V., Stichwort: "Sommerfrische", Kinzigstr. 9, 10247 Berlin, Tel. 030/2947688, Fax 030/29492120
10) Kontakt: Fritz c/o FFM, s.o.
11) Kontakt: Infoladen Anschlag, Heeper Str 132, 33607 Bielefeld

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5) aus: "Eine klare Forderung stellen! Ein Beitrag zur Diskussion über die Kampagne ‘kein mensch ist iilegal’ von Antirassistische Initiative (ARI) e.V. Berlin, u.a. in: kmii-Rundbrief No. 2, Dez. 1997
6) aus: "Eigene Strukturen schaffen!" von n.s.i.a.m.p.-München, in: kmii- Rundbrief No. 2, Dez. 1997
7) aus: Protokoll der AG Inhaltliche Diskussion, in: kmii-Rundbrief No. 3, Febr. 1998
8) Kontakt: Berliner Initiative "kein mensch ist illegal", c/o FFM, Gneisenaustr. 2a; 10961 Berlin
9) Kontakt: Symbiose e.V., Stichwort: "Sommerfrische", Kinzigstr. 9, 10247 Berlin, Tel. 030/2947688, Fax 030/29492120
10) Kontakt: Fritz c/o FFM, s.o.
11) Kontakt: Infoladen Anschlag, Heeper Str 132, 33607 Bielefeld

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