Neue Deutsche Sinn-Stiftung

Bundesregierung im Lichte der Reichsbahn


Zehn Jahre lang haben namhafte Politiker der Union am "Andenken des größten deutschen Staatsmannes" gebastelt. Resultat ist eine neugeschaffene Bundesstiftung, die zum Geschichtsbild der Bundesregierung die gewünschte historische Tragweite beisteuern soll. Nicht von Helmut Kohl ist hier die Rede, sondern von Otto-von-Bismarck, mit dessen geschichtsträchtigem Glanz sich der Kanzler schmücken möchte.

Am 4. Juni beschloß die Bonner Regierungskoalition die 1994 ins Leben gerufene Otto-von-Bismarck-Stiftung "bürgerlichen Rechts" in den Rang einer "rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Recht's" zu erheben. Die Opposition im Bundestag stimmte geschlossen gegen den Gesetzesantrag. Die SPD-Abgeordnete Uta Tietze-Stecher begründete die ablehnende Haltung ihrer Fraktion mit dem Geschichtsbild, das über die Förderung der Stiftung aus dem Kanzleramt gesponsert werden soll und fragt: "Will sich der 'Kanzler der Einheit' in die Nachfolge des Eisernen Kanzlers begeben?" Einen neuerwachenden Bismarckkult befürchtet auch MdB Annelie Buntenbach von Bündnis 90/Die Grünen.

Bismarck mit ,B' wie Bundeskanzler

Bereits 1987 trafen sich der damalige Bundesinnenminister Zimmermann und der Kultusminister von Schleswig-Holstein, Bendixen (CDU), um eine "würdige und repräsentative Gedenkstätte für den ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck" zu schaffen. Von Anfang an war die Familie Bismarck maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt und adlige Freunde des Hauses, die CDU-Abgeordneten von Schmude und Freiherr von Schorlemmer, forcierten das Projekt im Bundestag. Bismarck-Verehrer Schäuble und Kanzler Kohl gesellten sich hinzu. Letzterer gab 1988 grünes Licht für die Realisierung und sicherte die Deckung der Kosten durch den Bund zu.

Am 14. November 1994 war es dann so weit: Bundesinnenminister Kanther rief "im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums" per Erlaß die Bismarck-Stiftung ins Leben. In einem zweiten Schritt konnte nun die "Umwandlung der bestehenden unselbständigen Otto-von-Bismark-Stiftung bürgerlichen Rechts in eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts" in Angriff genommen werden. Im Sommer 1996 folgte die erste Lesung über das von der Bundesregierung im Bundestag eingebrachte "Gesetz zur Errichtung der fünften Bundesstiftung". Die Annahme des Gesetzes wurde jedoch erst einmal durch die übervolle Tagesordnung, sowie eine zaghafte Kritik aus den Reihen der Sozialdemokratie und Bündnis 90/Die Grünen verhindert. Im Haushaltsausschuß hatten sich beide Fraktionen jedoch der Stimme enthalten, so daß per ,Einzelplan 06' des Bundeshaushaltes zuvor bereits 7,5 Millionen DM für die Stiftung bereitgestellt worden war. Mehrere Anfragen der PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und wachsende "Bedenken hinsichtlich des demokratischen Vorbildcharakters Bismarcks" der SPD-Bundestagsabgeordneten Uta Titze-Stecher führten im letzten Moment dazu, daß die Frage der Bundesstiftung ersteinmal wieder von der Tagesordnung verschwand.

Genau ein Jahr später, am 04.06.1997, zeigte sich die Bundesregierung dann fest entschlossen, die Bundesstiftung im Zweifelsfall auch im Alleingang durchzusetzen. Erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik wurde gegen die Stimmen der gesamten Opposition eine Bundesstiftung mit einfacher Regierungsmehrheit durchgepeitscht. Einer Kontrolle unterliegt die Stiftung praktisch nicht mehr. Alle Änderungen, auch wenn eine knappe Haushaltslage eine Verringerung der Mittel notwendig machen sollte, können nur in einem recht komplizierten Verfahren als Gesetz eingebracht werden. Mit einem derartigen "Ewigkeitswert" wurden bislang lediglich profilierte Nachkriegspolitiker geehrt. Gegenüber den vier bestehenden Bundesstiftungen Konrad Adenauer, Friedrich Ebert, Theodor Heuss und Willy Brandt, ist mit der Otto-von-Bismarck-Stiftung nun eine Institution geschaffen, mit der sich die Bundesregierung in der Nachfolge des deutschen Reiches feiert. Uta Tietze-Stecher kritisierte in ihrer Rede denn auch die "fatale Präzedenzfallwirkung", mit dem das Tor zu einem neuen "Persönlichkeitskult" aufgestoßen wurde: "Von Friedrich dem Großen bis Hermann dem Cherusker wäre für jeden Geschmack und jegliche politbildnerische Absicht eine Figur im Angebot", um, und hier zitiert sie den anerkannten Historiker Hans Mommsen, "der Geschichtswissenschaft eine weitergehende Funktion im Sinne der Schaffung eines nationalen Selbstbewußtseins zu geben."

Vom Junker, dem Fürsten und seinem Vorteil

Im historischen Bahnhofsgebäude Friedrichsruh, dem der Eiserne Kanzler stets zur Waldseite entstieg um nicht dem Mob zu begegnen, soll die Stiftung samt Archiv und Bibliothek untergebracht werden. Alle Kosten trägt der Bund. Bereits 1993 wurde das Verkehrsgebäude der Deutschen Bahn AG für knapp eine halbe Million abgekauft. Für die Herrichtung des maroden Gebäudes stellte der Bund noch einmal 6,5 Millionen Mark bereit. Hat die Stiftung erst einmal ihre Arbeit aufgenommen, wird auch der gesamte, auf 1.Mio. Mark im Jahr veranschlagte Betriebshaushalt durch den Bund übernommen.

Bisher wurde das in privater Regie geführte Bismarck-Archiv nur wenig genutzt. Auch das zukünftige "Nutzungsinteresse an Archiv und Bibliothek" läßt sich laut Bundesregierung "nicht voraus berechnen." Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ließe sich demnach einzig der Nutzten für Fürst Ferdinand von Bismarck rechnen: Der Nachfahre und Haupterbe des Reichsahn, mit eigenem Schloß, Ländereien, einer Schnapsbrennerei sowie luxuriöser Villenanlage in Marbella und diversen anderen Immobilien, beteiligt sich nicht an den Kosten. Der Multimillionär hält es wie sein Urgroßvater: "Ich bin ein Junker und will meinen Vorteil davon haben". Die Ausstellungsstücke sowie die Einnahmen aus dem Bismarck-Museum verbleiben zur alleinigen Nutzung und Verfügung der Familie Bismarck. Demgegenüber wird der schriftliche Nachlaß des Reichsahn der Bundes-Stiftung als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Im Vorstand der Stiftung, welcher die Leihgaben verwaltet und die Geschäfte führt, treffen wir den edlen Spender wieder. Neben dem Ministerialdirigent Heinrich-Ernst Seraphim, dem Bürgermeister von Aumühle, Michael Schimanel, ist Fürst Ferdinand von Bismarck der Dritte im Bunde.

Ursprünglich war Dirk Bavendamm als Geschäftsführer der Stiftung vorgesehen. Bavendamm bearbeitete als promovierter Historiker zwischen 1988 und 1996 den Archivnachlaß und sorgte dort für das richtige Geschichtsbild. Nach der Überarbeitung des Stiftungskonzeptes mußte er diesen Platz an den Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums abgeben. Ob aus Gründen der politischen Opportunität, oder ob eine bessere Einflußnahme durch die Bundesregierung hierfür ausschlaggebend waren, ist nicht bekannt. Bekannt ist jedoch Dirk Bavendamm: Als Geschichtsrevisionist publizierte er mehrfach über die "Kriegsschuldlüge". 1995 verbreitete er entsprechendes vor der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft, wo er unter dem Titel einer seiner Buchveröffentlichungen: "Hitlers oder Roosevelts Krieg?" referierte.

Vom Bund zur Stiftung ...
oder die geistigen Vorläufer

Diskret ins zweite Glied zurücktreten mußten auch jene Kameraden, mit denen der Fürst in früheren Jahren das Andenken an den "Genius germanischen Kampfeszornes" pflegte. Jeweils zum 17. Juni und 3. Oktober pilgerten mehrere hundert "Deutsche aus allen Teilen des Vaterlandes in den Sachsenwald ... um des Gründers des Deutschen Reiches zu gedenken". Schirmherr des Ahnenkultes ist der von seinen Kameraden untertänigst mit "Seine Durchlaucht" angeredete Fürst Ferdinand von Bismarck. Veranstaltet wurde das alljährliche Spektakel vom 1981 gegründeten "Bismarckbund e.V.", welcher dem Ostpreußenblatt nahesteht und Rechtsextremisten, Revanchisten und Nationalkonservative vereint.

Die "Vereinigung zur Wahrung deutschen Geschichtsbewußtseins" leitete bis zu seinem Tode 1995, deren zweiter Vorsitzender, Hugo Wellems. Der langjährige Chefredakteur des Ostpreußenblattes und ehemalige Referent im "Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda" diente 1945 dem US-Geheimdienst und war eine ,der' Integrationsfiguren in der Grauzone zwischen Konservatismus und Neofaschismus. Im vorletztem Jahr trat Prof. Emil Schlee dessen Nachfolge bei den Bismarckjüngern an. Auch er kommt aus Revanchistenkreisen, war u.a. Vorsitzender der "Union für Vertriebene und Flüchtlinge" und Anfang der 90er Europaabgeordneter der Republikaner. Bei der Gründung des ,Bundes' 1981, wurde ein gewisser Robert Jahn in den Vorstand gewählt, der auch in anderen Organisationen Funktionen übernahm: Am 29.01.1977 nahm er an einem Treffen der illegalen NSDAP in Detmold teil und wurde im "Führerkreis" mit der "Orga Norddeutschland" beauftragt. Mit im ,Bunde' auch Fritz von Radow, Gründungsmitglied der Deutschen Volksunion und 1978 bis 1989 Stellvertreter von DVU-Chef Gerhard Frey, - sowie bis zu seinem Tode 1995 Ehrenvorsitzender.

Laut Satzung verpflichten sich die Mitglieder zur "Pflichterfüllung gegenüber Staat und Volk" und "betrachten es als eine Aufgabe, das preußisch-deutsche Erbe zu pflegen". Im Sinne dieser Erbgutpflege zeichnete der Fürst auf Vorschlag des Bismarckbundes jedes Jahr "verdiente Deutsche" "als Anerkennung für die bewiesene vaterländische Gesinnung" mit dem Ritterkreuz 1. Klasse des "Ordo Militaris Teutonicus" beziehungsweise dem Bismarckorden am Hosenband aus. Zu den Gewürdigten zählen ehemalige NS-Funktionäre wie Axel Zehnsdorf, bis zu den Verboten Mitglied der Wiking Jugend und der FAP, oder Walter Fenske, langjähriges Mitglied der "Stillen Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte". Aber auch Abgeordnete der CDU/CSU wie Ottfried Hennig und Otto von Habsburg wurden mit den Auszeichnungen bedacht.

Ein ähnliches Spektakel fand jeweils auch am 18. Januar auf dem Anwesen derer von Bismarck statt. Zusammen mit der rechtsextremen "Jungen Landsmannschaft Ostpreußen" hatte der Bismarckbund alljährlich zum Gedenken an die Reichsgründung und die verlorenen deutschen Ostgebiete, "die bereits 1945 unter polnischer Verwaltung gestellt worden waren", geladen. Nur im vergangenen Jahr erklangen nicht die drei Strophen des Deutschlandliedes zur Ehrung in der Bismarckschen Gruftkapelle. AntifaschistInnen hatten zu einer Gegenkundgebung aufgerufen, worauf ihre Durchlaucht äußerst druckempfindlich reagierte. Der Fürst sagte - wohl mit Blick auf die ,werdende' Stiftung - die Reichsgründungsfeier kurzerhand ab. Fürst Ferdinands Kameraden im Geiste zeigten Verständnis; Regelmäßig über die "Junge Freiheit" und "Nation und Europa" vom Stand der Dinge informiert, begeistern sich diese Kreise schon seit längerem an der Aussicht neuer Wirkungsmöglichkeiten, die sie sich im Gefolge der Bismarck-Stiftung erhoffen. Die Stiftung ist, Emil Schlee zufolge, zwar noch nicht an den "Bismarckbund gekoppelt", "aber wenn die ofizielle Stiftung eingeweiht und gegründet ist, dann werden wir..." uns "natürlich enger anschließen und kooperieren." Auch das Vorstandsmitglied der Stiftung und Schirmherr des Bismarckbundes ist sich sicher, daß der Bismarckbund an den künftigen Veranstaltungen teilhaben wird.

Der Bundesregierung sind diese Sachverhalte bekannt, wobei die politische Nachbarschaft sie offensichtlich nicht weiter stört. Ina Albowitz (FDP) und Michael von Schmude (CDU), in dessen Wahlkreis der Sachsenwald liegt, sprachen sich als Koalitionsredner in der Bundestagsdebatte für die Stiftung aus, ohne sich mit den Verbinungen zu offensichtlich rechtsextremen Kräften zu beschäftigen. Die Anbindung nationalkonservativer Kreise innerhalb und außerhalb der Union scheint im Gegenteil zu einem der beabsichtigten Ziele zu gehören. In Zeiten des Vorwahlkampfes sucht die Union ihre Bindekraft am rechten Rand zu erneuern. Dabei kann sie sich auf Bewährtes stützen: So beispielsweise die gemeinsame Unterzeichnung des geschichtsrevisionistischen Aufrufes "8. Mai 1995: Gegen das Vergessen" durch Fürst Ferdinand von Bismarck und seinen Verhandlungspartner, den Ex-Bundesinnenmi-nister Zimmermann.

Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung

Den Auftrag zur Ausarbeitung eines Stiftungskonzepts vergab die Bundesregierung an den Historiker Klaus Hildebrand. Zusammen mit seinen reaktionären Kollegen Nolte und Stürmer, trat Hildebrand schon vor zehn Jahren für ein neues Geschichtsbewußtsein ein. Im Historikerstreit bemühte er sich um die Entsorgung der NS-Vergangenheit und die Relativierung der Verbrechen des deutschen Faschismus. In der von ihm verfaßten "Konzeption für die Arbeit der Otto-von-Bismarck-Stiftung" verliert er kein Wort über Inhalt und Ausrichtung der zukünftigen Stiftungsarbeit. Wie die Stiftung zur "politische Bildung" beitragen will und wie ihr Beitrag zur "Pflege des Geschichtsbewußtseins" aussehen wird, kann zur Zeit nur über die mit Bedacht erwählten Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates rückgeschlossen werden. Dort versammeln sich Historiker und/oder Bismarck-Kenner, die seit Jahren diskret und ohne viel Aufsehen ein deutsch-nationales Geschichtsbild befördern, das sich die Bundesregierung offenbar zu eigen machen will. Neben dem bereits erwähnten Prof. Dr. Klaus Hildebrand finden sich dort Prof. Dr. Lothar Gall, Prof. Dr. Friedrich Kahlenberg, Prof. Dr. Werner Knopp, Prof. Dr. Joseph Rovan als auch Henry A. Kissinger.

Kontinuierlich agiert allen voran Lothar Gall. Er lehrt an der Goethe-Universität in Frankfurt, ist Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands, Mitglied der bayerischen Akademie der Wissenschaft und Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Er sitzt in zahlreichen historischen Kommissionen, wissenschaftlichen Beiräten und Kuratorien, u.a. konzipierte er die ständige Ausstellung "Fragen an die deutsche Geschichte" im Auftrag der Bundesregierung. Als renommierter Bismarck-Kenner etablierte Gall sich 1980 mit seinem bei Propyläen erschienenen Werk "Bismarck, der weiße Revolutionär". In dem Werk skizziert er Bismarck als "welthistorisches Individuum" im hegelschen Sinne dessen herausragende Bedeutung darin gelegen habe, "daß er über weite Strecken hin verbal auf die Vergangenheit, real, in seiner politischen Praxis, auf die Zukunft setzte, ihr faktisch zum Durchbruch verhalf (...)". Daß, dieser "wahrhaft gottgegebene Führer" sein Demokratieverständnis so erklärte: "Nicht durch Reden und Parlamentsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut" scheint dabei ebensowenig zu stören wie der konsequente Ausbau Preußens zur überragenden Militärmacht. Zuckerbrot und Peitsche, Sozialversicherung und Sozialistengesetze, Diplomatie und Kriegsführung, waren die politischen Instrumente des "Deutschesten aller Deutschen", dessen II. Deutsches Reich einem bonapartistisch geführte Obrigkeitsstaat glich und Antisemitismus und Rassismus gegenüber jüdischen, polnischen, dänischen und elsässischen Menschen förderte.

Wie sich das mit der in der im Gesetzentwurf formulierten Begründung verträgt, Bismarck repräsentiere die "ersten Schritte in Richtung auf eine auf allgemeinen und gleichen Wahlen beruhende demokratische Verfassung des Deutschen Reiches", wird dann beispielsweise Werner Knopp regierungstreu darlegen müssen. Den Präsidenten der Stiftung Preußischen Kulturbesitzes, die über einen Etat von 170 Millionen DM und 1.500 Mitarbeitern verfügt, berief die Bundesregierung 1985 zum Vorsitzenden einer Sachverständigenkommission, welche die 1987 vollzogene Gründung des deutschen Historischen Museums in Berlin vorbereite. Seither begleitet er die Arbeit des Museums.

Joseph Rovan, Präsident du Bureau International de Laisson et de Documentation und Professor für deutsche Geschichte an der Universität Paris-Vincennes an der Sorbonne und seit Jahren im Dienste der deutsch-französischen Verständigung, sieht dies kaum anders. Er hält Bismarck "für den bedeutendsten Staatsmann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts" und hebt in seiner Publikation "Geschichte der Deutschen, Von ihren Ursprüngen bis Heute" hervor, daß man ihn "als Vater der Nation schon zu Lebzeiten verehrte". Als Fazit aus der Geschichte des deutschen Imperialismus sieht Rovan denn auch den zukünftige Platz der Deutschen in aller Welt: "Aus der Verantwortung für das Vergangene sollte Deutschland den Ansporn gewinnen, (...) die doppelte Aufgabe der Rettung Europas und der Rettung der Erde beherzt anzugehen. Doch die Geschichte, jederzeit und überall, kann sich überschlagen und ins Scheitern absinken. Das ist der Preis unserer Freiheit". Nebenbei zierte dieses Zitat von Joseph Rovan 1995 auch den Aufruf zum "17. Juni 1953 - Gegen des Vergessen", lanciert von den Rechtsintellektuellen um Heimo Schwilk.

Auch Henry Kissinger lobt gern die diplomatischen Fähigkeiten des "Reichsgrün-ders" und gilt als wahrer Bismarckfan. Als taktisches Meisterstück wird ihm wahrscheinlich die Fälschung der sogenannten "Emser Depesche" gelten, mittels derer es Bismarck gelang, Napoleon III. zur vorzeitigen Kriegserklärung zu zwingen. Nach der Reichsgründung 1871 sah sich Bismarck von Mächten umgeben, die er sich zuvor zu Feinden gemacht hatte. Die Militärausgaben betrugen jährlich 70 % des Staatshaushaltes. In dieser Geschichtsepoche sieht die Bundesregierung eine "europäisch ausgerichtete Friedenspolitik".

Problemkreis Bundesregierung

Das Bundesministerium des Innern, das für die Bundesstiftung zuständig ist, läßt verlauten, daß im Rahmen der Arbeit der Stiftung "die Problemkreise (...) sicherlich auch kontrovers zu erforschen seien". Die Besetzung des Wissenschaftlichen Beirates wird dieses kaum zulassen. Bismarck-kritische Historiker, die, wie Hans Mommsen den "Schaden" der Bismarck'schen Epoche als "unendlich viel größer als ihr Nutzen" bewerten, sind in der neuen Bundesstiftung nicht vertreten. Mommsen und sein Kollege Faulenbach kritisieren zudem das "unwissenschaftliche" Stiftungskonzept, wo unter dem Deckmäntelchen der politischen Bildung handfeste politische Interessen zum Tragen kommen. Dieses Interesse ist nichts anderes als die Verbreitung eines neuen Nationalgefühls entsprechend den neuen Anforderungen der Bundesrepublik in der Weltpolitik. In diesem Punkt ähnelt die Bismarck-Stiftung dem Studienzentrum Weikersheim. In einem entscheidenden Punkt unterscheidet sich die beiden geschichtsrevisionistischen think-thanks allerdings: Am rechten Diskurs des Studienzentrums Weikersheim nehmen die Baden-Würtenbergischen CDU-Politiker noch als Privatpersonen teil, währenddessen die Bismarck-Stiftung den Rang einer regierungsoffiziellen Institution erlangt hat.

Im Oktober diesen Jahres steht nun die konstituierende Gründungsversammlung der Otto-von-Bismarck-Stiftung nebst Feierlichkeiten ins Haus. Neben den genannten Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirates, wird in Aumühle zur offiziellen Einweihung auch einiges an Bonner Prominenz erwartet. Und dank der tatkräftigen Unterstützung der Bundesregierung wird pünktlich zum hundertsten Todestag des Antidemokraten und Sozialistenhassers am 30.07.1998 dann Archiv, Bibliothek und Stiftung im repräsentativen Glanz erstrahlen.

Felix Krebs/Wolfram Siede


Zeck vom September 1997