Das Phantom in der Flora


Der folgende Text soll eine kritische Reflexion der Unterstützungsarbeit darstellen, die zu der Idee von IZI (Interessengemeinschaft der Flüchtlinge), in der Flora einen Raum zu schaffen, in dem sich Flüchtlinge öffentlich ihrer Abschiebung widersetzen, gelaufen ist.

Während der Auftakt der Aktion szeneöffentlich bekannt war und von vielen diskutiert wurde, war am weiteren Verlauf fast nur noch das AGA beteiligt. Der weitere Verlauf ist nur noch sehr eingeschränkt transparent geworden. Viele Gruppen oder Einzelpersonen haben sich aus den Diskussionen bereits am Anfang rausgezogen und die Auseinandersetzungen waren für Außenstehende nur noch schwer greifbar. Der Stand der Dinge wurde wenig bis gar nicht nach außen vermittelt. Gleichzeitig wurde aber auch kein Interesse von Nichtbeteiligten formuliert.

Wir sind eine Gruppe von Leuten aus dem autonomen Spektrum, die lose koordiniert an dem Aktionsbündnis teilgenommen hat. Der folgende Text soll sowohl die Entwicklung faßbarer machen als auch unsere Einschätzung vermitteln. Während sich der grobe Ablauf in der beiliegenden Chronik findet, greifen wir uns in diesem Papier einzelne Punkte heraus, auf die wir ausführlicher eingehen.

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Die Initiative zu dieser Aktion ging von IZI aus. Ziel dieser Gruppe von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien ist/war die Selbstorganisierung des Widerstands von MigrantInnen. Mit einer kurzfristigen Besetzung der Roten Flora am 26. April haben die Flüchtlinge von IZI mit Nachdruck ein Verhalten der radikalen Linken zu den in großem Ausmaß stattfindenden Abschiebungen - seit dem 1.5.1997 konkret verschärft durch den Beginn der Massenabschiebungen nach Ex-Jugoslawien (2. Stufe des "Rückführungsabkommens") - und konkrete Unterstützung für ihre Aktion eingefordert.

Zur Unterstützung dieser Aktion gründete sich das "Aktionsbündnis praktische Solidarität gegen Abschiebung", kurz AGA.

Das AGA entstand aus den ersten Plena, die in der Flora stattfanden, und war demzufolge sehr heterogen zusammengesetzt.

Es gab einen Gruppe von ErstunterstützerInnen, die die Aktion mit angeschoben haben und von denen Teile bis zum Schluß dabei waren, es gab Leute und Gruppen aus der autonomen Linken mit (unterschiedlich direktem) Bezug zur Flora und Leute aus verschieden Teilen der AntiRa-Linken.

Als Resultat der ersten Treffen entstand eine Struktur, die auf der Arbeit in verschiedenen AG's (Bau-, Öffentlichkeit-, Schutz-, Finanz-/Materialgruppe) basierte. Zweimal die Woche sollte das AGA als Ganzes tagen, um die Ergebnisse der einzelnen AG's zusammenzutragen und inhaltlich zu diskutieren. Die Arbeit des AGA sollte jeden Sonntag auf einem offenen Plenum zur Diskussion gestellt werden. Diese Struktur existierte mit abnehmender Tendenz bis zur Demo am 28.6.

Zur Zeit gibt es keine kontinuierlichen Treffen in der Flora mehr.

Wir haben uns kontinuierlich und intensiv am AGA beteiligt und sind mit der Orientierung zur Demo hin - Ende Mai/Anfang Juni - nacheinander aus der Diskussion im AGA ausgestiegen. Auf mehreren Treffen in den letzten Wochen haben wir zusammen nach den Gründen dafür gesucht und wollen unsere Einschätzung und unsere Kritik an der Aktion transparent machen.

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Unser gemeinsamer Ausgangspunkt war es, den Versuch von Flüchtlingen, sich einen Handlungsspielraum gegen die herrschende Normalität zu erkämpfen, nach Kräften unterstützen zu wollen. Dieser Ansatz war ein Versuch von Flüchtlingen, ihrer Gegenwehr im öffentlichen Raum mehr Gewicht zu verleihen.

Das war für uns die Basis, die geplante Aktion zu unterstützen und uns in die Arbeit des AGA einzubringen. Obwohl wir in Anbetracht der gesellschaftlichen Situation skeptisch waren, ob die Aktion erfolgreich sein könnte, sahen wir darin die Möglichkeit, die Forderungen nach offenen Grenzen und Bleiberecht mit einer offensiven Aktion nach außen zu transportieren.

Obgleich die Unterstützung von IZI das Ziel aller Beteiligten am AGA bildete, stellte es sich als schwierig heraus, sinnvoll zusammenzuarbeiten. Wir standen ziemlich schnell vor zwei Problemen. Zum einen wurde uns zunehmend unklarer, wie IZI sich die Aktion über die Ausgangsidee hinaus vorstellte, zum anderen stellte es sich als schwierig heraus, im AGA offene und gemeinsame Auseinandersetzungen zu führen.

Diese Probleme, die sich an unterschiedlichen Punkten der Zusammenarbeit sowohl mit IZI als auch den anderen AGA-Beteiligten stellten, betrachten wir im nächsten Abschnitt in grober Folge.

Zu Beginn der Aktion haben wir das Modell von IZI so verstanden, daß von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge in die Flora einziehen, um sich dort öffentlich der Abschiebung zu widersetzen. Begleitend dazu hat sich IZI eine Kampagne gewünscht, in der über öffentlichen Druck die Abschiebung bestenfalls verhindert, mindestens aber öffentlich sichtbar zum Thema werden sollte. Die Entscheidung für die Flora als Ort wurde damit begründet, daß es kaum noch grundsätzliche Opposition gegen die Abschiebepolitik der BRD gibt und sie sich im Umfeld der Roten Flora die Bereitschaft erhofft haben, konsequente Gegenwehr gegen diese Politik zu unterstützen und zu praktizieren.

Für uns war die Unterstützungsarbeit von Anfang an eine Gratwanderung.

Wir wollten die Aktion unterstützen und dabei besonders genau und vorsichtig mit unserer Beteiligung umgehen.

Unser Eindruck war, daß die Einschätzung der Mobilisierungsfähigkeit sowie der konkreten "Schutzmöglichkeiten" in der Flora einen bestimmenden Faktor für die Aktion darstellte.

Unsere Absicht war, eine möglichst realistische Einschätzung, was die Flora als Ort und als Struktur darstellen kann, zu geben. Unserer Meinung nach kann die Flora nicht, wie zum Beispiel Kirchen, auf eine symbolische Räumungsbarriere setzen, auch wenn eine Auseinandersetzung um die Flora den politischen Preis in die Höhe treiben kann. Konkret läßt sich nur sehr begrenzt tatsächlicher Schutz gewährleisten. Die politische Stärke der Flora als Aktionsort sahen wir in der Chance, die Aktion zu verbreitern, Öffentlichkeit herzustellen und daran perspektivisch Diskussionen zu entwickeln - innerhalb und außerhalb der Flora.

Die Diskussion kreiste zu Beginn um Begrifflichkeiten wie 'Schutzraum' versus 'Anlaufstelle', an denen sich grundsätzliche Fragen festmachten.

Mit dem Begriff 'Schutzraum' verband sich unserem Eindruck nach das Bild, in der Flora wirksamen Schutz leisten und garantieren zu können, den sich in der Flora aufhaltenden Flüchtlingen eine gewisse Sicherheit bieten zu können.

Das Modell 'Anlaufstelle' reichte von einem Beratungsbüro bis zu einem nicht weiter definierten "Raum", dessen Funktion unklar blieb.

Der Begriff 'Schutzraum' blieb die ganze Zeit umstritten. Auf der einen Seite stellt ein solcher Raum das angestrebte Maximalziel dar, auf der anderen Seite haben wir derzeit nicht die Strukturen oder die Möglichkeiten, den entsprechenden Schutz zu gewährleisten und sehen es nach wie vor als unsere Verantwortung, dies ganz eindeutig an die Flüchtlinge, die sich zu der Aktion entscheiden, zu vermitteln. Diese Position wurde so weder von IZI noch von Teilen des AGA geteilt. Es wurde fehlender Enthusiasmus bis hin zur Ablehnung der Aktion gegenüber wahrgenommen oder unterstellt, oder es wurden die Möglichkeiten, die die bestehenden (Strukturen? d.tipper) haben, anders eingeschätzt. Aus der Begeisterung für die Aktion und dem Willen zur Solidarität lassen sich jedoch keine Strukturen aus dem Hut zaubern und es kann nicht zur Basis einer solchen Aktion werden, Möglichkeiten, die es nicht gibt, durch Gaukelspiel zu ersetzen.

Es hat sich als dauerhaftes Problem gezeigt, diese Einschätzung zu vermitteln, ohne dabei gleichzeitig als BremserInnen zu wirken. Diese Debatte ist weder zu einem abschließenden Ergebnis gekommen, noch ist allen deutlich geworden, daß es sich bei dem Begriff Schutzraum um eine problematische, nicht konsensfähige Beschwörung handelt. Bis zum Schluß geisterte der Begriff durch Debatten und Protokolle und wurde immer wieder zur widerspruchsfreien Parole erklärt.

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Während unsere Einschätzung sich auf das von IZI zu Anfang vermittelte Modell bezog, hat sich diese Ansage im Laufe der Zeit als immer schwerer faßbar herausgestellt.

Dabei ist ein problematische Kreislauf entstanden: Während die Fragen nach der genauen Ausgestaltung der Aktion immer brennender wurden, rückte genau diese inhaltliche Ausgestaltung in immer weitere Ferne.

Die Unsicherheit, die in diesen Diskussionen begann, wuchs im Verlauf der weiteren Auseinandersetzungen zu einem immer größeren Problem an. Es war offensichtlich nicht möglich, von IZI eine genauere Bestimmung ihres Vorhabens zu erhalten. Es wurde statt dessen immer unklarer, wer was mit welchen Gründen machen wollte und die Einschätzungen zu den Möglichkeiten von Unterstützung kreisten zunehmend im luftleeren Raum, sobald es über bauliche Maßnahmen hinausging.

Irgendwann war der Punkt gekommen, wo zur Auflösung des Dilemmas im AGA nur noch drei Möglichkeiten verhandelt wurden: Entweder selber für die Aktion/für die Flüchtlinge ein Konzept zu entwickeln oder ein Konzept als Angebot zur Übernahme an IZI vorzuformulieren oder ganz auszusteigen. Alle diese Positionen waren im AGA vertreten und sind teilweise umgesetzt worden. Wir haben statt dessen darauf gesetzt, daß IZI irgendwann ein Konzept vorlegt und immer wieder bei IZI nachgefragt.

Die tatsächliche Vorstellung von der Aktion ist uns aber bis heute nicht klar geworden.

Ein Grund dafür bestand darin, daß IZI für uns von Anfang an nicht greifbar und selten durchschaubar war: Der Diskussionsstand und die Auseinandersetzungslinien innerhalb der Gruppe, die Stimmungslagen, die Möglichkeiten und Vorbehalte von Einzelnen sowie Widersprüche wurden uns selten bis gar nicht vermittelt. Äußerlich von IZI wahrnehmbar blieb so in erster Linie die Widersprüchlichkeit, einerseits den Willen zur Zusammenarbeit zu betonen und andererseits mit einer latenten bis stetig offenbaren Vorwurfshaltung an diese Zusammenarbeit heranzugehen. An verschiedenen Punkten hatten wir den Eindruck, daßdie schematische und undifferenzierte Zuordnung des ganzen AGA oder von AGA-Teilen zu bestimmten inhaltlichen Positionen und die damit verbundene Pauschalkritik eher einem machtpolitischen Taktieren als einem konstruktiven Miteinander geschuldet war.

Erschwert wurde die Zusammenarbeit zweifellos auch dadurch, daß IZI auf den gemeinsamen Plena vorwiegend durch immer dieselbe Einzelperson vertreten wurde. Es blieb oft unklar, ob wir mit Inhalten, Gedanken und Positionen von IZI, der IZI-Mehrheit oder einer Einzelperson zu tun hatten.

Hinzu kam, daß es nicht gelungen ist, das Übersetzungsproblem zu lösen und außenstehende DolmetscherInnen aufzutreiben. Dadurch blieb die Übersetzungsleistung fast immer an einer Einzelperson hängen. Das hatte Überanstrengung zur Folge und war zudem problematisch, weil die Person sehr involviert in das Geschehen war und nach eigenen Angaben keinen unvoreingenommenen Transfer leisten wollte/konnte.

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Im Verlauf der Auseinandersetzungen gab es für uns immer wieder Situationen, in denen vollkommen in Frage stand, ob IZI diese oder eine andere Aktion überhaupt (noch) machen will. An der Frage des Umgangs mit solchen Punkten brachen die AGA-internen Konflikte mit großer Regelmäßigkeit auf. Es ging darum, ob wir als UnterstützerInnen im Zweifelsfall selbst initiativ werden können und wollen, um die Aktion anzuschieben. An dieser Frage wurden grundlegend unterschiedliche Vorstellungen der Unterstützung von Selbstorganisierung deutlich. Etwas polarisiert lassen sich die Positionen zusammenfassen: a) wenn ich Selbstorganisierung unterstützen will, dann muß ich notfalls auch mal selbst organisieren; b) wenn ich Selbstorganisierung unterstützen möchte, dann kann ich nicht stellvertretend für andere organisieren.

Wir gehen nach wie vor davon aus, daß die konkrete Ausgestaltung der Aktion die Sache von IZI gewesen wäre. Auf der Basis einer klaren Ansage hätte die Möglichkeit bestanden, alles weitere gemeinsam zu erarbeiten. Diese Basis kann aber nicht dadurch ersetzt werden, daß die UnterstützerInnen anfangen, stellvertretend für die Flüchtlinge die Aktion zu forcieren und zu bestimmen. Diese Position leitet sich aus einem Verständnis antirassistischer Politik her, in dem wir mit strukturellen Unterschieden umgehen müssen.

Für uns heißt Unterstützung dann in einem zweiten Schritt, Diskussionen gemeinsam zu führen und Positionen zu entwickeln, die von allen Beteiligten getragen werden. Dabei ist es auch wichtig, die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der beteiligten Personen mitzudenken. Es heißt für uns nicht, die Entwicklung dieses Prozesses durch das Durchsetzen von eigenen Konzepten zu bestimmen, was aber in der unklaren Situation durch ein eingebrachtes eigenes Konzept leicht passiert wäre.

An mehreren Punkten ist diese Problematik im AGA anhand von Vorschlägen für Eigeninitiativen diskutiert worden. Die Vorschläge gingen von der Veranstaltung einer Party, "damit sich die Flüchtlinge die Flora mal ansehen können", um ihnen damit eine Aktion in der Flora ans Herz zu legen, über die Möglichkeit, die Aktionsmodelle selber auszuformulieren, damit sich IZI eines aussuchen kann, bis zu der Idee, falls IZI die Aktion unter den Ausgangsbedingungen nicht mehr machen will, die Räume fertig zu machen, um dann eben selber Flüchtlinge in die Flora und für die Aktion zu mobilisieren. Für uns stand jedesmal dagegen, daß die Basis der Aktion darin lag, daß IZI sich die Flora ausgesucht hat, um dort eigene Vorstellungen umzusetzen und nicht darin, für eine von uns gewünschte Aktion eine Flüchtlingsselbstorganisierung zu inszenieren. Wir sehen einen Unterschied darin, Räume zur Verfügung zu stellen und die stattfindende Aktion politisch zu unterstützen oder den politischen Rahmen auch gleich selber zu bestimmen.

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Wir hätten unseren hier skizzierten generellen Ansatz sowie unsere Positionen zu den einzelnen konkreten Punkten vermutlich früher, klarer, eindringlicher und öfter an IZI vermitteln müssen und uns dabei mehr darum bemühen müssen, IZI als Gesamtgruppe ansprechen zu können.

Die fehlende Thematisierung der Frage, was innerhalb der Struktur von deutschen Privilegierten und mit Rassismus/Nationalismus konfrontierten MigrantInnen für wen wie möglich ist, hat es verhindert, sich über die verschiedenen Herangehensweisen innerhalb des AGA zu verständigen. Diese Diskussion haben auch wir zu wenig eingefordert, so daß die Unterschiede zwar an konkreten Punkten zu Konflikten geführt haben, es aber nicht zu einem produktiven Ergebnis kam. Statt dessen haben sich die unterschiedlichen Herangehensweisen gegenseitig gelähmt.

Den Stil, in dem Auseinandersetzungen innerhalb des AGA geführt wurden, halten wir für ein politisches Desaster. In unseren Augen war oft jede Grundlage in Frage gestellt, um überhaupt weiter miteinander agieren zu können. Auftreten und Kommunikation schien durchgehend von taktischen Schachzügen geprägt: selektive Bezugnahme auf Positionen oder Personen, begrenzte Auseinandersetzungsbereitschaft an wesentlichen, z.T. oben angesprochenen Punkten, Inszenierung einer "anderen" Position, der dann in Folge Fragen, Zweifel und Widersprüche zugeordnet sowie mit Ablehnung der Aktion und deutscher Bequemlichkeit gleichgesetzt wurden.

Immer wieder wurde - innerhalb des AGA, aber auch nach außen - eine Klarheit und Widerspruchsfreiheit suggeriert, die Zweifel und Unsicherheiten wegfegte oder denunzierte und Kritik deckelte.

Der ständige Versuch, moralischen Druck strategisch einzusetzen ("wie kannst du diese Zweifel haben, während die Situation in der BRD soundso ist?") mündete immer wieder Angriffen auf die persönlich/politische Integrität einzelner Beteiligter.

Teilweise ist dies sicherlich eine Auswirkung des Drucks, unter dem alle AGA-Beteiligten standen sowie von Kommunikationsschwierigkeiten, teilweise werden hier aber einfach unterschiedliche Herangehensweisen an politische (Zusammen-) Arbeit deutlich. Zumindest im Nachhinein können wir sagen, daß wir dies so nicht (mehr) mittragen wollen.

Wir haben es versäumt, uns (und anderen, die deswegen ausgestiegen oder erst gar nicht eingestiegen sind) die Möglichkeit zur Kritik zu erkämpfen bzw. unangenehme Konfrontationen zu suchen. An Punkten, wo uns eine inhaltliche Diskussion wichtig gewesen wäre, haben wir nicht vehement genug dafür gestritten. Dafür sehen wir mehrere Gründe: wir haben uns nicht genügend kurzgeschlossen, hatten Angst, mögliche Entwicklungen ganz zu blockieren und haben die (wenigen) Versuche als wenig aussichtsreich erlebt. Das hat dazu geführt, den Prozeß immer wieder mitzutragen.

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In Bezug auf die Resonanz der Aktion innerhalb der Hamburger antirassistischen Linken läßt sich nur festhalten, daß sie äußerst gering und der allgemeinen Schwäche linker/linksradikaler Bewegungen entsprechend war.

Es ist allerdings notwendig, hier zu differenzieren. Vor allen Dingen zu Anfang haben sich viele Menschen an den Bauarbeiten beteiligt und das ist auch der Bereich geblieben, in dem am meisten passiert ist.

Darüber hinaus hat sich aber nur ein kleiner Kreis von Gruppen und Personen inhaltlich eingebracht, während sich die meisten gar nicht verhalten oder auch nur Interesse signalisiert haben. Dies wäre nicht nur in Form tatkräftiger Unterstützung, sondern auch als inhaltliche Kritik nötig und - zumindest von uns - erwünscht gewesen. Daß Kritik und Fragen vorhanden waren, hat sich in unzähligen Einzelgesprächen und -äußerungen gezeigt. Sie ist jedoch auf den teilweise explizit dafür vorbereiteten Offenen Plena nicht sonderlich kontinuierlich oder produktiv eingebracht worden.

Dieses Nicht-Verhalten halten wir auch deswegen für enttäuschend, weil wir in einer derartigen Aktion/einem solchen Ansatz die Möglichkeit gesehen haben, einen geringer werdenden Widerstand gegen staatlich-rassistische Abschiebe- und Flüchtlingspolitik wieder zu diskutieren und weiterzuentwickeln.

Die Unterstützung innerhalb "der" Flora selbst beschränkte sich auf einige wenige Einzelpersonen. Eine gemeinsame Unterstützung durch die Projektstrukturen oder die dort arbeitenden Gruppen gab es nach kurzem anfänglichen Interesse nicht. Es wurde überdeutlich, daß der Anspruch, sich als kollektives Projekt politisch zu verhalten, zur Zeit nicht eingelöst wird oder nicht besteht. Dies verstehen wir aber weniger als Vorbehalt gegenüber der Aktion, sondern in einer allgemeinen politischen Schwäche und Auflösung von Flora-Strukturen. Dem kann und sollte szeneweit entgegengewirkt werden.

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In der Gesamtrückschau sehen wir die Aktion als gescheitert an.

Die Situation stellt sich heute so dar, daß außer großen Bauaktivitäten in der Flora eigentlich nichts passiert ist und wir heute eine Aktion nachbereiten, die nur aus ihrer Vorbereitung bestand.

Die Unsicherheit über das Wie und Was der Aktion zieht sich wie ein roter Faden durch die letzten Monate und hat in großem Maß dazu beigetragen, daß es noch immer schwierig ist, das Phantom greifbar zu machen und die Entwicklung darzulegen.

Wir denken heute, daß eine bewußte inhaltliche Polarisierung von Widersprüchen die vorhandenen Brüche früher deutlich gemacht hätte und mit ausgesprochenen Konflikten dann ein genauerer Umgang möglich gewesen wäre. Wir haben jedoch aus einem unterschiedlich schnell, dafür aber sicher entstandenen Überforderungsgefühl heraus immer wieder versucht, Konflikte zu überbrücken..

Die endgültige Orientierung zur Demo hin sehen wir als ein definitives Abhaken der stärker werdenden Nachfragen zum Charakter der Aktion. Um es nochmals deutlich zu machen: Es ging uns nie um das "Warum" der Aktion oder darum, über das "Ob" entscheiden zu wollen, sondern immer um Klarheit über das "Wie" und das "Was"!

 

Wenn wir die Aktion heute als gescheitert betrachten, sind wir uns darüber im klaren, daß nicht alle Beteiligten in diesem Versuch den gleichen Preis gezahlt haben und das Scheitern uns unterschiedlich betrifft. Die Bewertung wird daher sicherlich unterschiedlich ausfallen.

Wir hoffen, mit diesem Text unseren Teil zur Aufbereitung des Verlaufs beitragen zu können und Erfahrungen verfügbar zu machen.

einige aus der öff-ag


Zeck vom September 1997