The harder they come,
oder »Wann wird mal wieder richtig Sommer?«

»Das Problem ist allerdings, dass die Grünen auf halbem Wege stehen bleiben. Sie können sich Repression nur gegen rechts vorstellen — wie die Äußerungen von Künast beweisen. Dabei ist wahr, dass auch von Linken Gewalt ausgehen kann. Man will es sich eben mit Teilen der Partei nicht verscherzen(.....)Repression ist nicht teilbar. Polizisten können eben nicht nur dann gut sein, solange sie gegen die anderen vorgehen, schlecht, wenn sie den Knüppel gegen die eigene Klientel schwenken.(aus Kommentar in: TAZ vom 21.7. 2000 von Severin Weiland)


»(...) der glaubwürdige und starke Staat, von dem man sich eine entschiedenere Bekämpfung von Neonazis erhofft , könnte auch andere Gruppen ins Visier nehmen: Autonome die am 1. Mai in Kreuzberg Randale machen, gewaltbereite junge Russen und Türken, bestechliche Abgeordnete, Bauunternehmer, die Schwarzarbeiter beschäftigen, Umweltsünder, die illegal Müll entsorgen.« (aus Kommentar in: Tagesspiegel 2000 von Hans Christoph Buch)


»Indem man das Land jedoch in eine gigantische Lichterkette verwandelt, bei der nur dazugehört, wer das richtige Lämplein hält, werden zentrale Fragen an den Rand gedrängt. Etwa jene nach den vielfältigen Ursachen der in Wogen aufbrausenden Gewalt.« (aus Kommentar in: WELT vom 10.10. 2000 von Guido Heinen)


»Alle anderen Völker dürfen Judenhasser haben, aber nach allem was wir den Juden angetan haben, wir nicht.« (aus Kommentar in: BZ vom 7.10. 2000 von Peter Boenisch)


Die vier Zitate dieser Tage machen deutlich wie die radikale Rechte auf die derzeitige Situation reagiert und reagieren wird. Das hierfür die Lektüre einschlägiger Nazi-Blätter nicht notwendig ist, weil die rechten Schreibtischbrandstifter von TAZ bis Springerpresse den Job erledigen ist nichts neues in der »wehrhaften Demokratie«. Das aber eine so breite Koalition versucht Nazigewalt mal wieder zu beschönigen und zu relativieren, zeigt das die Debatte des Sommers nicht ganz ohne Wirkung war. Dabei hätte es eigentlich in diesem Jahr nicht mehr zur rechtsradikalen Szene zu sagen gegeben als all die anderen Jahre seit 1989. Das anzünden von Häusern in denen MigrantInnen wohnen, das schänden bzw. zerstören jüdischer Friedhöfe und Einrichtungen und das töten, verletzen und beleidigen von Obdachlosen, Flüchtlingen, Schwulen, Linken und all den anderen die nicht in das Streichholzschachtelweltbild der Neonazis passen, gehört zum Alltag im »neuen« Deutschland. Doch dann kam der Sommer. Eingeleitet von den Debatten über die »Zuwanderungskommision«, Bevölkerungsprognosen und Green- bzw. Blue(sic!)-card und plötzlich war nichts mehr wie vorher, so schien es jedenfalls. Ziemlich genau einen Monat nach dem Mord an Alberto Adriano in Dessau, spricht die grüne Vorstandssprecherin Renate Künast am 16. Juli in Berlin von »rechter Gewalt die nicht entschuldigt werden kann«, von »Abscheu«, »Empörung«. Am Tag zuvor waren in Ludwigshafen zwei Kinder bei einem rechten Brandanschlag schwer verletzt worden. 11 Tage später explodierte in Düsseldorf in der S-Bahnstation Wehrhahn ein Sprengsatz. Zehn Menschen werden schwer verletzt, eine Mutter verliert ihr ungeborenes Kind. Alle Opfer sind Jüdinnen und Juden bzw. deren Angehörige. Selbst Otto Schily hält nun einen »rassitischen Hintergrund« für wahrscheinlich. Gerhard Schröder (»Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: Raus und zwar schnell.«) meldet sich aus dem Urlaub in Mallorca und meint das: »Rechtsradikalismus mit allen Mitteln bekämpft werden muß«. Selbst einer wie der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe, der noch 1997 die Antisemiten des Dorfes Gollwitz in Schutz genommen hatte, erzählte im ZDF Länderspiegel vom 5. August das er »bitter dazu gelernt habe« und er begreifen »habe müssen, daß hier doch eine gewisse Gefahr besteht«. Das diese »gewisse Gefahr«, welche die bundesrepuplikanische Politprominenz plötzlich überrascht konstatiert, seit 1989 weit über hundert Menschen das Leben gekostet hat interessiert da eigentlich auch niemanden mehr. Rechtsradikale Auswüchse gibt es plötzlich überall und Medien und Politiker machen immer neue Vorschläge zu seiner Bekämpfung. Selbst die »aktzeptierende Jugendarbeit« mit Rechten wird kurzzeitig kritisiert. Der bayrische Innenminister, Günther Beckstein (»Die Begrenzung der Zuwanderung aus nicht EU-Staaten ist unabdingbar, um die Identität unseres Landes zu wahren«), möchte die NPD verbieten und eröffnete mit dieser Äußerung die immer noch anhaltende Debatte um ein NPD Verbot. Die Hamburger Innenbehörde verbietet am 11.8. den »Hamburger Sturm 18«, das Bundesinnenministerium verbietet am 14.9. die »Blood & Honour Sektion Deutschland« und deren Jugendorganisation »White Youth«. Von Anfang an zielen die angedachten Maßnahmen aber nicht nur gegen rechts. Die Erweiterung der Polizeibefugnisse (insbesondere des BGS), die Einschränkung von Postgeheimnis und Demonstrationsrecht, die Verschärfung des (Jugend-)Strafrechts etc. wird früher oder später auch der »Hauptfeind der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung« zu spüren bekommen — die radikale Linke. Die Rechte Szene mußte sich zwangsläufig auch auf die Debatte des Sommers beziehen, war sie doch der Gegenstand selbiger.

Entwicklungen in der Nazi-Szene

Am schwersten traf es erwartungsgemäß die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Durch ihre häufigen Demonstrationen und die offensichtliche Verwicklung von Mitgliedern und Kadern der Partei in Gewalttätigkeiten richtete sich der öffentliche Fokus auch schon vor der Verbotsdebatte auf die NPD. Die NPD Führung änderte im Verlauf der Debatte ihre Strategie. Noch Anfang August dankte der Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN) Sascha Roßmüller den Medien dafür, daß Dank des »medialen Hetzfeldzuges« die Berliner NPD-Zentrale sich »vor Interessenten und neuen Mitgliedern kaum noch retten« könne. 500 neue Mitglieder will die NPD angeblich in dieser Zeit gewonnen haben. Immer wieder betont die NPD in ihren Pamphleten, daß sich die »gigantische Diskriminierungskampagne« gegen »alle patriotischen und nationalen Kräfte« richtet. Das in diesen Tagen bei dem ein oder anderen strafbar gewordenen Nazi ein NPD-Parteibuch gefunden wird, führt die Partei auf »eingeschleuste VS-Provokateure« zurück. Mitte August, am 14.08. schließlich gibt die Partei zwei Beschlüsse heraus. Im ersten »bekennt« sie sich zum Grundgesetz und zur »Freiheitlich Demokratischen Grundordnung«, im zweiten »stellt sie fest«, daß die NPD Gewalt »strikt ablehnt«. Das die Partei auch in diesen beiden Beschlüssen nicht über ihren Schatten springen kann, zeigen die Details. So betonen die neuen Nationalsozialisten, nach ihrem »Bekenntnis« zu maßgeblichen Paragraphen des Grundgesetzes, daß das GG »unter dem Vorbehalt« steht, »nur ein Provisorium« zu sein, nämlich bis zu dem Tag wo die »Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist.« Die größenwahnsinnigen Nazis wollen dann auch gleich eine Verfassung ausarbeiten, »welche Artikel46 GG fordert« und haben zu diesem Zweck mal eben in einer »Sondersitzung des Parteivorstandes« eine »Verfassungskommision« eingesetzt. Ob für die Planung der vom Parteivorsitzende Udo Voigt angedachten »Herbstoffensive« da noch Zeit bleibt? Auch Beschluß Nummer Zwei entbehrt nicht einer gewissen Komik, etwa wenn die NPD meint die von »Großkapital, Regierung und Gewerkschaften (...) Millionen von Ausländern«, welche wie »Sklaven der Neuzeit nach Deutschland geholt wurden« retten zu müssen. Die Rettung ist: »ein sofortiger Zuwanderungsstopp« und die »gleichzeitige Rückführung (...) der Fremden.« Die kämpferischen nationalrevolutionären Phrasen welche die NPD in den letzten Jahren prägten, treten immer mehr in den Hintergrund. Alle geplanten Demonstrationen werden abgesagt. Die NPD ist jetzt die verfolgte Unschuld. So ist es auch nicht verwunderlich, daß in der September Ausgabe der Monatszeitung der NPD der Deutsche Stimme der Tenor ist, daß der »Rechtstaat in Gefahr ist«. Sogar ein »Staatsstreich von oben« steht zu befürchten. Udo Voigt sieht jetzt eine »Kampagne, vornehmlich gegen die NPD«. An dieser »Kampagne« beteiligt sich aber nicht nur der Verfassungsschutz, sondern auch die Freunde aus der selben Liga, wie die Zeitung Junge Freiheit und DVU und Repuplikaner. Offensichtlich haben die Einheitsappelle an das rechte Lager nichts gefruchtet. Fraglich ist auch ob das Schreiben welches Voigt am 17.10. an »alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages, des Bundesrates, der Landtage und des Europäischen Parlaments« zustellen ließ seinen Zweck erfüllen wird. Der Parteivorsitzende glaubt, daß Deutschland in den »Teufelskreis eines Polizei-, Verbots- und Überwachungsstaates« komme wenn die NPD verboten wird. Auch Willy Brandt wird zitiert, den die NPD will »deutlich mehr Demokratie wagen«. Um zu wissen wie dieses mehr an » nationaler« Demokratie aussieht genügt ein Blick in die Opferstatistiken rechter Gewalt. Horst Mahler der, seit Mitte August, wohl prominentestes Mitglied der NPD ist, engagiert sich jetzt dort mit der Kampagne: »Ja zu Deutschland — Ja zur NPD« und sammelt Unterschriften gegen ein Verbot der NPD. Die Ursache für die »beispiellose Lügen- und Hetzkampagne« hat er bereits ausgemacht: »die von der Ostküste (der USA; Anm. d. Verf.) beherrschten Medien und Bildungseinrichtungen«. Jeder gute »Volksgenosse« weiß natürlich wer gemeint ist: die Juden. Mahler bezeichnet sich jetzt selber als » Geschäftsführung ohne Auftrag für das Deutsche Reich« und unterzeichnete z.B. seinen »Appell an die Bürger des Deutschen Reiches« mit: »Es lebe das heilige Deutschland!« No comment. Die Deutsche Volksunion (DVU) des Münchner Gerhard Frey hatte wegen des Düsseldorfer Bombenattentates ein Déjà-vu-Erlebnis der besonderen Art. Die Aussagen in der National Zeitung im September 2000 ließen sich bereits absatzweise wörtlich (!) aus den Publikationen Deutscher Anzeiger und National Zeitung im Oktober 1980 zu dem Anschlag des Mitglieds der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) auf das Münchner Oktoberfest nachlesen. Der Tendenz ihrem Klientel immer wieder die selben Phrasen vorzusetzen bleibt die DVU also treu. So schreibt Frey in der ersten September Ausgabe der National Zeitung (Nr. 33) den auch, daß die Presse jede Kleinigkeit hoch pusche und somit immer mehr »Nachahmungstäter gezüchtet« werden und überhaupt entwirft das »schmutzige Spiel der Massenmedien und der politischen Klasse« ein völlig falsches Bild von Deutschland. Der ehemalige REP-Vorsitzende Franz Schönhuber sieht in der selben Ausgabe die Ursachen bei den unvermeidlichen 68ern und den »Bossen« der Wirtschaft, »die verantwortlich waren für den Import (sic!) bürgerkriegsähnlicher Zustände nach Deutschland.« In den nächsten beiden Ausgaben der National Zeitung (Nr. 34, 35) kann die Leserschaft sich informieren: »wieviel gelogen ist« und »was stimmt.« Besonderen Wert legt Gerhard Frey darauf die rechte Skinheadszene als Hort des Bösen darzustellen. So zählt Frey die, seiner Einschätzung nach, »Zwölf Kardinal-Irrtümer pseudorechter Krimineller« auf. Die DVU steht, in der simplen Gleichung von Frey, für »Anstand und Recht«, die Skinheadszene für »Hass und Gewalt«. Deutlich ist der Frey anzumerken, daß er befürchtet das die »Kampagne« der »antideutschen Meinungsindustrie« über ihr Ziel hinaus schießen könnte und die Partei Schaden nimmt. Möchte man sich doch jetzt auf »die nächste Wahlschlacht« konzentrieren, auf die »Landtags und Bezirkswahlen des kommenden Jahres in Hamburg«. Die gleiche Funktion, wie die Skinheadszene bei der DVU, erfüllt bei den Repuplikanern (REP) die NPD. Rolf Schlierer, seit dem Putsch gegen Schönhuber 1994, Bundesvorsitzender der Repuplikaner und immer interessiert der Partei ein »modernes nationalkonservatives« Image zu verpassen legt Mitte August ein »Positionspapier« vor, in welchem er schreibt: die Repuplikaner seien der »Hauptfeind« der NPD. Die NPD habe sich durch ihr » demonstrativ zur Schau getragenes ambivalentes Verhältnis zu Rechtsstaaat und Demokratie« und ihre »nationalrevolutionäre« Attitude selbst zur Hauptzielscheibe gemacht und könne deshalb auch »nicht auf Solidarität« hoffen. Die »undifferenzierte Kampagne gegen Rechts (...) erzeuge (...) ein Klima, das etwas mit Pogromstimmung zu tun hat« und »jeden seriösen politischen Ansatz rechts der Mitte werde desavouiere.« Bereits eine Woche vorher äußert sich eine andere Formation der radikalen Rechten — das Bündnis RECHTS (BR). Der Pressesprecher, der kleinen Wählergemeinschaft um den Lübecker Dieter Kern, Thorsten Thomsen äußert sich in gewohnt verunglückter Form. So spricht er diesmal von einer »Verbotskeule« die »morgen die nächsten« mit »voller Wucht« erwischen könne. Zwei Wochen später, am 21.08., erklärt Thomsen dann das der DGB-Nord und die schleswig holsteinische SPD die Urheber der »Gewalt von Links« seien. Geradezu »absurd« sei es »in diesem Klima linker Gewalttaten von einer 'rechten Gefahr' zu reden«, denn »Etablierte Politiker und Gewerkschaftsfunktionäre wollen so nur von eigenen Versagen ablenken« und von »den gewalttätigen Krawallmachern, die durch ihre Politik herangezüchtet, gehegt und gepflegt wurden.« Aber nicht nur das Bündnis RECHTS sorgte in Nordeutschland für Aufsehen. Das Verbot des Hamburger Sturm 18 um die Nazikader Thorben Klebe, Thorsten Bärtels, Andreas Heine und Jan Steffen Holthusen, bedeutet das Aus für die gleichnamige Zeitschrift. Einen Einfluß auf die Organisationsstruktur der norddeutschen Naziszene scheint es aber nicht zu geben. Ebensowenig hat das Verbot der Blood & Honour Struktur dazu geführt, daß es im Norden keine Haterock Konzerte mehr gibt. Schon zehn Tage nach dem Verbot durch das Bundesinnenministerium konnten über 500 Boneheads im Dörfchen Laave im Landkreis Lüneburg an einem Konzert des Blood & Honour Netzwerkes teilnehmen. Das Konzert wurde zwar aufgelöst, die Nazis haben aber bewiesen, daß sie weiterhin in der Lage sind hunderte Anhänger an den Polizeikontrollen vorbei an beliebige Punkte in der BRD zu dirigieren. Bemerkenswert ist, daß aus der Debatte über Rechtsradikalismus vor allem die, traditionell in Norddeutschland und Hamburg starke, militante Naziszene gestärkt hervorging. Erstmals seit den Tagen der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) steht den »nationalen Sozialisten« um Christian Worch und Thomas Wulff wieder eine »legaler Arm« zur Verfügung: der NPD-Landesverband Schleswig-Holstein. Beim Letzten Landesparteitag am 14. /15. Oktober putschten die Worch-Anhänger gegen das Bundesvorstandsmitglied der NPD Ingo Stawitz. Dank der Stimmen der Kreisverbände Neumünster und Bad Segeberg heißt der neue Landesvorsitzende Jürgen Gerg. Der 25jährige Gerg gilt als Anhänger Worchs und stand den Lübecker Jungen Nationaldemokraten vor. Als der Vize von Gerg wurde der Kieler Nazi Peter Borchert gewählt. Wahrscheinlich hatte Worch den Coup gut vorbereitet. Bereits im September gab es ein Treffen der »Revolutionären Plattform in der NPD/ JN«. Bei diesem Treffen auf dem vermutlich vor allem Nazis aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg teilnahmen sollte besprochen werden wie die NPD wieder auf einen radikal »systemkritischen« Weg zu bringen sei, wahrscheinlich war auch der Landesparteitag Gegenstand der Unterhaltungen. In fast allen Verlautbarungen während der Sommer-Debatte hatte die sog. »Freien Nationalisten« (FN) um Worch die NPD dafür kritisiert, daß sie Kompromisse einging und z.B. nicht mehr demonstrierte. Nach dieser Logik waren denn auch die »freien Kameradschaften (...) die einzig ernsthafte Kraft des nationalen Widerstandes.« In ihrer fatalistischen Weltsicht dürfte es besser sein die NPD ließe sich verbieten — jedoch mit wehenden Fahnen. Noch in der September Ausgabe der Deutschen Stimme schwärmt Worch in einem Leserbrief vom »Kampf um die Straße« als »einzig verbliebenen Mittel.« Mit dem Landesverband Schleswig-Holstein hat Worch, nach langer Zeit wieder, ein Werkzeug um seine Vorstellungen vom »politischen Kampf« umzusetzen. Fraglich ist allerdings, ob die Wahl eines Psychopaten wie Borchert in der Landesvorstand nicht fatale Konsequenzen für die »Demokratie-Kampagne« der Bundespartei hat. So ist es auch kein Wunder, dass Udo Voigt bereits fünf Tage nach dem Landesparteitag den kompletten "neuen Landesvorstand" für "abgesetzt" erklärt hat. Und jetzt einen der "Bundesführung" treu ergebenen "provisorischen Landesvorstand" eingesetzt hat.

Eine andere »Partei« ist gerade gescheitert. Die von Manfred Rouhs initiierte Partei PRO-Köln die zur Kommunalwahl in Köln angetreten war, bekam noch nicht einmal 700 Stimmen. Rouhs listet in der Online Ausgabe seiner Zeitschrift Signal (ehem. Europa Vorn!) unter der Überschrift: »Stoppt die Hetze gegen rechts!« auf wer den nun eigentlich verantwortlich für die »Medienkampagne« ist. Natürlich die »amerikanische Ostküste«, also wieder: die Juden. Getreu der alten Nazidiktion vom »ewigen Juden« erläutert Rouhs, ohne das Wort auch nur einmal zu nennen, seiner Leserschaft, daß die Juden die Feinde aller Völker sind. Noch offensichtlicher äußert sich der Hamburger Andre Goertz in seinem Nationalen Infotelephon (NIT). Nach dem üblichen latent antisemitischen Intro, läßt Goertz die Maske vom gemäßigten »progressiven Nationalist« fallen, den jetzt geht es um alles oder nichts: »(...) um den Fortbestand unseres Volkes. Die Feinde Deutschlands sind die Feinde Europas, ja die Feinde aller Völker. Ihre politisch-militärische Macht sind die USA, als die einzig verbliebene Weltmacht und ihr wirtschaftlicher Arm ist die Globalisierung, gesteuert durch die US-Ostküste.« Da ist er wieder, der jüdische »Parasit« der ganze Völker unterjocht und jetzt mittels »Globalisierung« zur Weltmacht greift. Goertz phantasiert weiter: »Am härtesten trifft es dabei Deutschland unsere Heimat! Deutschland ist die stärkste Macht Europas, politisch, wirtschaftlich und insbesondere auch geistig.« Um die »Stärke« des »deutschen Geistes« weiter zu demonstrieren fährt Goertz fort: »Wenn es noch ein Volk auf der Welt gibt, daß das Rüstzeug besitzt, den Plan der Globalisierer zu durchkreuzen dann sind es die Deutschen. Darum setzen die Globalisierer alles daran, Deutschland zu vernichten.« Mithin ist der Artikel ein eindrucksvoller Beleg zumindest für die »geistige« Verfassung des Andre Goertz. Noch schlimmer steht es um Andreas Röhler von der Zeitschrift Sleipnir (Verlag der Freunde), sieht er doch die »westliche Welt (...) u.a. im Rahmen diverser Kampagnen 'gegen Rechts' (...) in ca. 20 Jahren in einem unvorstellbaren Strom von Blut untergehen, gefolgt von einer Zeit der Wirren, wie etwa für die Zeit des Mittleren Reiches des historischen Ägyptens.« Wirre Zeiten dem läßt sich nichts hinzufügen. Zwar nicht aus Ägypten aber zumindest aus den »deutschen Ostgebieten« kommt der Bund der Vertriebenen. In dessen Zeitschrift Deutsche Umschau, schreibt Rolf Dressler über den »vordergründigen Aktionismus« gegen Rechts. Dressler, Chefredakteur des in Bielefeld erscheinenden Westfalen Blattes, fragt sich ob nicht »viele Politiker und andere Laut-Sprecher jahrelang fahrlässig, unterschwellig oder ganz bewußt und unverblümt eine inländerfeindliche Anti-Stimmung geschürt« haben und also »so manchen der verbrecherischen Übergriffe herausfordern.« Die Frage, wer den die »Laut-Sprecher« sind, die die Volksseele so provozieren, beantwortet Dressler im letzten Abschnitt seines Artikels. Nacheinander werden Hendryk M. Broder, die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung und der Zentralrat der Juden genannt. Die rechtsaußen Zeitschrift MUT hingegen konstatiert in ihrer September-Ausgabe, unter der Überschrift: »Gegen Rechts. Für Deutschland« mangelnde »Staatlichkeit« in Deutschland. Der »starke Staat« gegen den (braunen) »Mob« ist jedoch nur notwendig, schreibt Horst Hensel, weil sonst »Millionen Türken und andere Ausländer« und »jüdische Organisationen und der israelische Geheimdienst« einen »Bürgerkrieg« anzetteln. Das es überhaupt so weit kommen konnte liegt am »fehlenden« Stolz der Deutschen auf ihr »Vaterland.« Am intensivsten wurde die Debatte im Zentralorgan rechtsradikaler Publizistik geführt, der Jungen Freiheit.(JF) In der letzten August-Ausgabe der Zeitung beklagt Folkmar Koenigs, Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht an der TU Berlin, daß »Rechtsextremismus (...) von Politikern und Medien weitgehend als politischer Kampfbegriff eingesetzt und als Rechtsextremismus alle politischen Vorstellungen, Ziele und Werte angesehen die rechts vom gegenwärtigen Meinungsspektrum (...) im Bundestag (...) liegen.« Koenigs führt weiter aus, daß die »bundesweite Berichterstattung« über rechten Terror »nur noch auf wirklich schwerwiegende Fälle beschränkt werden« sollte um der »Linken« keine Möglichkeit zu geben sich zu produzieren und ihre »Meinungsführerschaft« weiter auszubauen. »Rechtsextreme Gewalttäter« sollten außerdem besonders milde betraft werden, damit sie sich nicht als »Märtyrer« fühlen. In der selben Ausgabe findet sich auch ein Interview mit Günther Maschke. Mascke glaubt zu wissen, daß »Neonazi-Gesinnung« bei Gewalt gegen Ausländer »keine Rolle spielt.« Das ganze sei vielmehr eine Mischung aus »Protest« und »Provokation.« Aber natürlich machen die jungen Nazis auch einiges falsch. Günther Maschke weiß auch was: »Wenn ich für Deutschlands Wiedergenesung bin, dann amerikanisiere ich mich nicht mit den entsprechenden Pullovern, den entsprechenden Aufschriften und dröhne mich nicht mit dieser Musik voll. Ich firmiere nicht in englisch, was ja nun wirklich die Sprache des Feindes ist.« Aber nicht nur die Pull-Over machen der rechten zu schaffen. Die Junge Freiheit stellte einigen prominenten Rechtsradikaken und Sympathisanten die Frage: »Was halten Sie von der Formel 'Kampf gegen Rechts' ? wird hiermit nicht die Hälfte des demokratischen Spektrums pauschal diskriminiert, obwohl es in Wirklichkeit um Kampf gegen Extremismus bzw. Gewalt geht?« Für die Anti-Antifa Frontfrau der CDU im Bundestag Vera Lengsfeld, die sich derweil auch im neurechten Institut für Staatspolitik engagiert, ist die ganze »Debatte« schief. Peter Michael Diestel ist für »mehr Toleranz« bei Begriffen wie: »Nation, Heimat und Vaterland«. Der Ex-Generbundesanwalt Alexander von Stahl hält »diesen ganzen Aktionismus für eine relativ gefährliche Entfachung von Massenhysterie.« Der Tenor ist denn auch bei fast allen Befragten gleich: daß die Debatte einzig und allein dazu diene die »demokratische Rechte« zu schädigen. Im Oktober schließlich resümiert Michael Wiesberg in der JF, daß Deutschland immer weiter nach links »driftet«. Für ihn trägt die »Kampagne (...), alle Kennzeichen linksextremistischer Agitation.«

... und nach dem Sommer

Der Sommer ist vorbei und die antifaschistische Bewegung ist wieder auf sich selber zurückgeworfen. Die optimistische Einschätzung während des Sommers, die Linke könnte über die mediale Aufmerksamkeit (die zumindest antirassistische und antifaschistische Projekte/ Gruppen kurzzeitig hatten) versuchen den gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen, hat sich als falsch erwiesen. Die radikale Linke hatte auf die Debatte den selben Einfluß wie auf die Pogrome zum Anfang der Neunziger oder die faktische Streichung von Artikel 16 GG — überhaupt keinen. Die zwei positiven Effekte der »Sommerloch-Antifa« sind, daß wenigstens einige Opfer rechter Gewalt etwas Aufmerksamkeit hatten und das ein wenig mehr Geld für einige Projekte zur Verfügung steht. Etwaige Umarmungsversuche mit der »zivilgesellschaftlichen antifaschistischen Einheitsfront« der »Neuen Mitte« können bestenfalls zu einer Neuauflage der unsäglichen Lichterketten führen. Die antifaschistische Bewegung, deren momentane Schwäche auch nur Ausdruck der Schwäche der Linken ist, müßte also ihre Politikformen so wählen, daß sie die »Neue Mitte« eben nicht vereinnahmen kann. Sei es der kleine Riot vor'm Abschiebeknast oder das abfackeln ostdeutscher Nazijugendzentren. Die Erfahrungen aus anderen westeuropäischen Ländern zeigen, daß antifaschistischer Widerstand immer dann erfolgreich war er für die Nazis auch praktisch zu spüren war. Oder um mit Antonio Negri zu sprechen: »Militanz ist heute eine postive, konstruktive und innovative Aktivität.« (stand: mitte oktober 2000)



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