Dokumentation:

STOP DEPORTATION - FREE ALL PRISONERS

Anfang März haben wir zwei Aktionen gegen die Deutsche Lufthansa gemacht: Die Fassade und die Scheiben des Wohnhauses von Jürgen Weber, Vorstandsvorsitzender der LH, Am Karpfenteich 15 in Hummelsbüttel sind mit Steinen und Farben beschädigt worden. In St. Pauli wurde ein Bus der LH in Brand gesetzt.

Die Lufthansa ist in großem Umfang an der Durchführung von Abschiebungen beteiligt. Jürgen Weber, die zentrale Figur der Neugestaltung des Konzerns in den 90er Jahren, trägt dafür Verantwortung. Die willfährige Kooperation der LH mit den deutschen Behörden und die Bedeutung der Dienste von Fluggesellschaften für die Infrastruktur der Abschiebungen sind lang bekannt. Trotzdem hat das Unternehmen bis heute nicht mit ernsthaften Imageverlust zu kämpfen. Daran ändert auch der gewaltsame Tod von zwei Menschen während ihrer Abschiebung in LH-Maschinen nichts. 1994 wurde Kola Bankole mit einer Beruhigungsspritze umgebracht. Im Mai letzten Jahres starb Aamir Ageeb einen "lagebedingten Erstickungstod", wie es im Amtsdeutsch heißt. Er war von BGS-Bullen gefesselt worden, auf den Kopf wurde ihm ein Motorradhelm gesetzt, drei BGSler drückten seinen Körper nach vorne - und erstickte. Die daraufhin von Innenminister Schily angeordnete Aussetzung von zwangsweisen Abschiebungen dauerte keine 4 Wochen. Im September 98 mußte nach dem Tod von Semira Adamu der belgische Innenminister zurücktreten. Zuvor hatte es Proteste gegeben und es war zu großen Demonstrationen gekommen. Die beteiligte Fluggesellschaft SABENA übernimmt seitdem keine Abschiebungen unter Zwang mehr.

In Deutschland war von Konsequenzen aus dem Tod Ageebs nicht die Rede. Weder geriet die LH in die Kritik, noch wurden die systematischen Mißhandlungen durch das BGS thematisiert, geschweige denn, die Praxis der Abschiebungen generell in Frage gestellt. Die einzige Folge war, daß seitdem keine Motorradhelme mehr zur "Ruhigstellung" verwendet werden dürfen.

Das System der Abschiebung wird immer perfekter ausgebaut. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern arbeitet zur Zeit an neuen Konzepten für ein "effektiveres Rückkehrmanagement". Dabei wird neben anderem der Einsatz von Personal und Maschinen der Bundeswehr ernsthaft in Betracht gezogen. Auch die verstärkte Nutzung von Charterflugzeugen ist geplant, die auch in der Vergangenheit schon durchgeführten Sammelabschiebungen sollen ausgeweitet werden.

Bei Linienflügen stellt der mögliche Widerstand der Flüchtlinge für die TechnokratInnen der Abschiebungsmaschinerie ein Problem dar. Diejenigen, die abgeschoben werden sollen, wissen, daß ihre Gegenwehr auf dem Weg dahin, bzw. im Flugzeug selbst, ihre letzte Chance ist, die Abschiebung zu verhindern. Deshalb leisten viele Widerstand, demolieren die Einrichtung der Maschinen oder verletzen sich selbst. In solchen Fällen verweigern Piloten oft den Transport, "im Interesse der Flugsicherheit".

Da stornierte Flüge ein Kostenfaktor sind, tun die BGS-Schergen, die Abschiebungen begleiten, alles, um möglichen Widerstand durch Einschüchterung zu verhindern und die Abgeschobenen "ruhigzustellen". Sie werden systematisch mißhandelt, während des Fluges gefesselt, geknebelt, unter Medikamente gesetzt.

Auch wenn europaweit am Ausbau von Sammelabschiebungen gearbeitet wird und eine gemeinsame "Clearingstelle" zur Beschleunigung und Kostensenkung im Gespräch ist, sind die Staaten weiter auf die Dienste von Linienfluggesellschaften angewiesen. 1998 wurden ca. 35000 Menschen mit Flugzeugen abgeschoben, zur Flugbegleitung stellte der BGS allein 5400 Schergen ab. Etwa die Hälfte der Flüge geht zu Gunsten der Lufthansa.

Das dreckige Geschäft lohnt sich: Als die LH in den 80er Jahren für ein Jahr die Beteiligung an zwangsweisen Abschiebungen zurückzog, nachdem ein Flüchtling eine Stewardeß bedroht hatte, um seine Abschiebung zu verhindern, verlor der Konzern 8 Mio. DM. Wie hoch die Gewinne inzwischen gestiegen sind, ist nicht bekannt.

Wiederholt wurde Lufthansa aufgefordert, sich nicht an Abschiebungen zu beteiligen. Ende 1995 riefen VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen der Kampagne "Sagt Nein" das Unternehmen dazu auf, seine Beihilfe einzustellen. Der Kommentar des LH-Sprechers dazu: "Für uns sind die "Deportees" Passagiere wie andere auch."

Nicht nur im Geschäft mit der Abschiebung tut sich der Konzern als Nutznießer rassistischer Gesetzgebung und Ausbeutungsstruktur hervor. 1995 kündigte die LH an, mit Zustimmung von ÖTV und DAG eine Praxis auszuweiten, die sie schon seit 30 Jahren betrieben: Die Beschäftigung von FlugbegleiterInnen aus anderen Ländern werde auf 10% aufgestockt, was Billiglöhne ermöglicht, weil diese nach dem im "Heimatland" (z.B. Thailand oder Indien) üblichen Lohnbedingungen beschäftigt werden.

Wie die LH es immer wieder verstand, aus jeder politischen Konstellation größtmöglichen Nutzen zu ziehen, zeigt ein Blick in ihre Geschichte: Im 2. Weltkrieg waren LH-Transportmaschinen für die deutsche Luftwaffe im Einsatz. In Lübeck wurden ZwangsarbeiterInnen für den Konzern ausgebeutet.

Im Zusammenhang mit der Entmilitarisierung Deutschlands wurde die LH nach dem Krieg zwangsweise aufgelöst, das Firmenvermögen wurde liquidiert. Schon 1953 aber kam es in Köln zur Neugründung des Unternehmens. Im "Wirtschaftswunderland Deutschland" der 50er Jahre konnte die LH rasch wieder mit In- und Auslandslinienflügen Fuß fassen.

Einen wirklichen Knick in seiner Erfolgsgeschichte erlitt der Konzern Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre mit dem Übergang vom Staats- zum Privatunternehmen. Im Dezember 1991 reichte das Geld nicht für die Auszahlung der Gehälter, monatlich machte die LH 230 Mio. DM Verlust. In dieser Krise wurde Jürgen Weber Vorstandsvorsitzender der LH, die er in den Folgejahren mit drastischen Mitteln sanierte. Eine Grundlage seines Erfolges ist Webers rigide Politik gegen ArbeitnehmerInnen. 9000 Beschäftigte wurden entlassen, die übrigen mußten sich seinem Diktat "Mehr Arbeit für weniger Geld" beugen.

Vor allem damit, den Anforderungen der Globalisierung bestens gewachsen zu sein, hat sich Weber einen Namen gemacht. Sein "Meisterstück" ist die Gründung der "Star Alliance", der erste und weltweit größte Zusammenschluß von Luftverkehrsunternehmen, der der LH Einfluß und Konkurrenzfähigkeit im globalen Maßstab sichert.

Nicht nur als "heimlicher Chef" der "Star Alliance" hat Weber eine Machtposition inne. Zusätzlich zu seinem Vorstandsposten bei LH sitzt er in den Aufsichtsräten von Bilfinger und Berger, einer internationalen Baugesellschaft, der Mobil Oil AG und der Karstadt AG.

Weber, der seit Ende der 60er Jahre für LH arbeitet, gelang Anfang der 90er ein rasanter Aufstieg zur Spitze der Macht. 1989 als stellvertretendes Mitglied in den Vorstand gekommen, '91 stellvertretender Vorsitzender, im September des gleichen Jahres dann Vorstandsvorsitzender.

Alle maßgeblichen Entscheidungen und Veränderungen bei LH in den letzten 10 Jahren gehen auf sein Konto. Eine Bestätigung seines Erfolges als Sanierer des Konzerns und als "global player" war auch die Wahl Webers zu "Manager des Jahres" 1999.

In anderen europäischen Ländern, wie Belgien (SABENA) und den Niederlanden (Martinair), ist es durch massiven Druck auf beteiligte Fluggesellschaften dazu gekommen, daß sie sich aus dem Geschäft mit Abschiebungen zurückgezogen haben.

In Deutschland haben Profiteure der rassistischen Abschiebepraxis bisher nicht um ihren Ruf zu fürchten.

Daran sollte sich einiges ändern!


Das Geschäft mit Abschiebungen angreifen!

Offene Grenzen- Bleiberecht für alle!

Freiheit für Sabine, Rudolf, Axel, Harald, Sonja und Christian!


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