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Über das Leben, Widerstand und Werke von Dr. Hikmet Kivilcimli (Teil II)

Nach dem Einmarsch der Imperialisten hat das Volk einen Nationalen Befreiungskampf gegen die Okkupanten organisiert. Auch Hikmet Kivilcimli beteiligte sich an diesem bewaffneten Kampf. Um Waffen für den Befreiungskrieg zu beschaffen, organisierte er Überfälle auf Waffenlager der osmanischen Armee. Später meldet er sich als freiwilliger Kämpfer bei der Widerstandsgruppe von Yörük Ali Efe, in der Ägäis. Während dieser Zeit gründet er eine Jugendgruppe, die vor allem Angriffe gegen die kommunalen Regierenden, die sich mit den Imperialisten arrangierten, verübte. Nach dem die Kämpfer diese Region verließen, kehrte Hikmet Kivilcimli von Marmaris nach Istanbul zurück, wo er das Gymnasium besuchte. In der 9. Klasse der Sultani Schule bestand er die Aufnahmeprüfungen für die Universität und begann in Istanbul mit seinem Medizinstudium. In der von Imperialisten besetzten Stadt lernte er durch die Aktivitäten der Sozialisten und den linken Zeitschriften wie 'Kurtulus' und 'Aydinlik' die Ideen des Sozialismus kennen. Er trat in die 'Kommunistische Partei der Türkei' (TKP) ein und wurde sehr schnell von allen geschätzt. 1925 wurde er auf dem zweiten Kongreß der TKP in die Führungskader der Partei gewählt. Er wurde mit der Organisierung der Jugend beauftragt. In dieser Zeit verfaßte er zahlreiche Artikel für die Zeitschrift 'Aydinlik' und gab das Jugendmagazin von 'Aydinlik' heraus.
Nach dem Aufstand von Seyh Sait hatte die türkische Regierung Millitärgerichte errichtet. Die Aufständischen wurden erhängt oder erschossen. Auch die im Westen aktiven Sozialisten wurden verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt. Mit dem von 1925 verabschiedeten 'Takriri Sukun'-Gesetz war es der TKP nicht mehr möglich legal zu arbeiten, so daß sie ihre Aktivitäten in den Untergrund verlegen mußte. Bei der folgenden Verhaftungswelle wurde auch Kivilcimli zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Nachdem aber die türkische Armee die Aufstände in Kurdistan niedergeschlagen hatte, wurde für alle politischen Gefangenen eine Genaralamnestie erlassen. Kivilcimli wurde nach einem Jahr Haft (1927) freigelassen. Jedoch hatten Ende 1927 zwei führende TKP-Funktionäre, Vedat Nedim Tör und Sevket Aydemir, die Partei verraten und deren Archiv der politischen Polizei übergeben. Fast alle führenden Parteimitglieder wurden daraufhin verhaftet. Damit war die TKP praktisch ausgelöscht. Kivilcimli war in dieser Zeit drei Monate lang inhaftiert. Nach seiner Entlassung versuchte er die Partei mit ihm nahestehenden Genossen wieder aufzubauen. Nach dem aber, der von der Sowjetunion geschickte Parteichef Laz Ismail, Anfang 1929 verhaftet wurde und bei dem Verhör alles verraten hatte, wurde Kivilcimli erneut verhaftet und diesmal zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Er war gerade 27 Jahre alt und hatte schon eine zehnjährige Kampferfahrung hinter sich. Auf die Frage des Richters ob er zu der Strafe noch etwas zu sagen hätte, antwortete er: "Die viereinhalb Jahre Gefängnis sind eine gute Zeit um ein roter Professor zu werden". Das Gefängnis von Elazig nannte er "Universität von Elazig". Hier hat er sich mit seiner zehnjährigen Widerstandserfahrung auseinandergesetzt und sein erstes Buch 'Yol' (Der Weg) geschrieben. In 'Yol' findet eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der TKP statt. Kivilcimli bietet in diesem Buch der Partei eine neue taktische, strategische und organisatorische Perspektive an. Dabei versucht er die Erfahrungen von anderen Ländern nachzuvollziehen und die spezifischen Bedingungen der Türkei zu analysieren.
Er hat in diesen viereinhalb Jahren noch zahlreiche andere Bücher geschrieben und einige marxistische Klassiker ins Türkische übersetzt. Nach seiner Entlassung wurden die Werke im von ihm selbst gegründeten Verlag veröffentlicht. Er war der Meinung, daß eine Kommunistische Partei die Möglichkeiten der Legalität soweit es nur geht ausnutzen sollte. Um das marxistische Gedankengut unter den Menschen zu verbreiten, sollte es neben den illegal aktiven Kadergruppen legale Publikationen geben. Er gründete eine marxistische Bibliothek, eine Arbeiter-Bibliothek und einen Verlag.
In den dreißiger Jahren gab es in der Türkei sehr viele Anhänger Nazi-Deutschlands. Der türkische Nationalismus, Turanismus und Rassismus erlebten ihren Höhepunkt. Antikommunistische Haltungen waren weit verbreitet. Kommunisten wurden als Vaterlandsverräter und Inzestbefürwörter bezeichnet. Trotz all dieser ungünstigen Bedingungen haben die von Kivilcimli veröffentlichten Bücher ihre Leser gefunden. Kivilcimli's Bücher wurden auch von vielen jungen Marineoffizieren gelesen. Sie nahmen zu Kivilcimli Kontakt auf. Nach einer Durchsuchung der Marine wurden fortschrittliche Offiziere, bei denen man Bücher von Kivilcimli gefunden hatte, verhaftet. Kivilcimli wurde 1938 wegen "Anstiftung zum Aufstand in der Marine" zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er blieb bis 1950 in Haft. In diesen zwölf Jahren vertiefte er seine theoretischen Arbeiten und beschäftigte sich vor allem mit Philosophie und Geschichte. Er schrieb zehn Bücher über die Philosophie. Durch seine historischen Analysen hat er versucht Antworten auf aktuelle Fragen des Kampfes zu geben. Seine diesbezüglichen Thesen wurden allerdings von der linken Bewegung der Türkei nicht beachtet. Die türkische Linke hatte immer wieder versucht die Revolutionserfahrungen und -theorien von anderen Ländern zu kopieren, ohne zu beachten wie die Wirklichkeit im eigenen Land aussieht.
Nach dem Übergang zum Mehrparteiensystem kam 1950 die 'Demokrie Partei' von Menderes an die Macht und erließ eine Generalamnestie. Kivilcimli wurde freigelassen und kam von Kirsehir wieder nach Istanbul zurück. Während dieser Zeit versuchte Sefik Hüsnü die TKP erneut zu organisieren. Es fand aber keine kritische Auseinandersetzung mit der bisherigen Entwicklung der TKP und mit der Vergangenheit der Personen, die an der Neuformierung der Partei beteilligt waren, statt. Die Personen, die während der Haft die Partei verraten hatten und sogar, wie Tevfik Dilmen, mit dem türkischen Geheimdienst zusammengearbeitet hatten, waren wieder dabei. Hikmet Kivilcimli hat sich schließlich u.a. aus diesen Gründen von der TKP distanziert.
Die Regierung von Menderes hatte jedoch nicht, die von sehr vielen Teilen der Gesellschaft erhoffte Maßnahmen zur Demokratisierung des Landes ergriffen. Mit ihrer liberalen Wirtschaftspolitik diente sie nur der Bourgeoisie und den Großgrundbesitzern und öffnete das Land für das Fremdkapital. Die dagegen protestierenden Arbeiterorganisationen und sozialistischen Parteien wurden verboten und deren Mitglieder verhaftet. Unter diesen Bedingungen gründete Kivilcimli die 'Vatan Partisi' (Heimat Partei; VP). Die VP beteiligte sich 1957 an den Wahlen. Die positive Resonanz, die VP bei den Wahlkampagnen erhielt, beunruhigte die Regierung, so daß sie die Partei ohne einen gerichtlichen Beschluß verbot. 38 Parteimitglieder wurden jahrelang in Einzelhaft gehalten und auf schlimmste Weise gefoltert.

(FORTSETZUNG IN DER NÄCHSTEN AUSGABE)


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