TATblatt


Rechtsextremes Treffen in Wien

Und wer ist Evola?

Den 100. Geburtstag von Julius Evola nehmen die Europäischen Synergien und die Deutsch-Europäische Studiengesellschaft (DESG) zum Anlaß, mit einem Seminar den "unerbittlichen Kämpfer gegen die moderne Welt" zu würdigen. Was auf den ersten Blick als harmlose Spinnerei eines Haufens Rechtsextremer aussieht, entpuppt sich bei näherem hinsehen als Versuch von Rechts Theoriedefizite und den Mangel an übernationaler Organisation und Identifikation zu überwinden. Daß das Treffen gerade in Wien stattfinden soll, ist kein Zufall und wird "Aufmerksamkeit" verdienen...

TATblatt
Die europäischen Rechten, und vor allem die, die sich gerne mit dem Anstrich "Neue" Rechte versehen, haben bei ihrem Versuch in weitere Gesellschaftsschichten einzudringen, 2 große Probleme: Zum einen fehlen ihnen die Theoretiker, vor allem seitdem sie sich nicht mehr offen auf diverse Nazigrößen berufen können und wollen. Zum anderen ist auf dem Fundament einer starken nationalen Ausrichtung oft nur schwer ein internationaler, ja sogar ein europäischer Zusammenhang und Zusammenhalt herzustellen. Zahlreiche nationale Organisationen, die heute als Wegbereiter der "Neuen" Rechten gelten, sind tatsächlich daran gescheitert, diesen Widerspruch zwischen völkisch-nationaler Ausrichtung und dem Anspruch ein "Großreich Europa" zu schaffen, gescheitert. Eine von ihnen - GRECE - war bereits 1968 gegründet worden und sah als ihre wichtigste Aufgabe die Entwicklung einer Europaideologie. Doch bereits die Zusammensetzung der Gründungsmitglieder ließ die Gruppierung als fast rein französische Angelegenheit scheitern. Dennoch ist es nicht überraschend, daß genau aus diesem Eck nun ein weiterer Vorstoß unternommen wird: die Gründung der Synergies Européennes unter anderem durch führende Mitglieder von Grece. Seit der Gründung im Jahr 1993 sind die Rechten vor allem im organisatorischen Bereich um einiges weitergekommen. Nicht nur altgediente Kader des Grece und diesem nahestehende europäische Strömungen haben sich den Synergien inzwischen angeschlossen. Auch zahlreiche Aktivisten nationaler Gruppierungen süd- und westeuropäischer Länder haben inzwischen bei den Synergies Européennes ihr Zuhause gefunden. Ländersektionen existieren mittlerweile in Frankreich, Belgien, Schweiz, Spanien, Portugal, Italien, Deutschland, Litauen, Lettland, Rußland, Kroatien und Serbien, Stützpunkte gibt es bisher in Polen, Griechenland, Ungarn und Österreich. Das angesprochene Treffen soll offensichtlich auch dazu dienen die österreichischen Rechten hier vermehrt einzubinden.
 

Burschenschaft Olympia

Das Evola-Seminar wird in enger Zusammenarbeit mit der Wiener akademischen Burschenschaft Olympia durchgeführt. Außer zwei Referenten aus Italien und Ungarn wird der Generalsekretär der Synergies Européennes, der Belgier Robert Steuckers dort auftreten, sowie der Wiener Martin Schwarz, der im vorliegenden Folder avantgardistisch als multimedialer Julius-Evola-Exeget bezeichnet wird. Hinter dem Pseudonym Martin Schwarz verbirgt sich der wiener Philosophiestudent Robert S., der u.a. in der Dark-Wave-Szene in Erscheinung tritt und für die mystisch-esoterischen Zeitschriften Sigill (Dresden) und Aorta (Wien) schreibt. Über diese Druckwerke wird versucht, sog. neurechte Inhalte in die Gruftibewegung einfließen zu lassen.

Neben der Burschenschaft treten "Synergon Österreich" sowie die Deutsch-Europäische Studiengesellschaft auf.

Während sich Synergon Österreich also anscheinend erst richtig im Begriff ist zu formieren, wurde die deutsche Sektion schon im Herbst 1995 ins Leben gerufen. Durch Synergons Tätigkeiten in Italien, Frankreich und eben auch Deutschland läßt sich der theoretisch-ideologische Background dieser Gruppe etwas erhellen.
 

"Man nehme, wenn man hat..."

Das Charta genannte Programm stützt sich vor allem auf die ökonomische Krise, eine vermeintliche gesellschaftliche Dekadenz und eine angebliche imperialistische Bedrohung durch die USA, wobei besonders dem Begriff des Imperialismus eine kulturelle Kategorie zugeordnet ist. Besonders egalitäre Positionen, sowie Gedanken zu universell gültigen Menschenrechten werden dabei imperialistisch etikettiert. Das ganze wird dann noch gut durchmischt mit einem Schuß Ökofaschismus, Esoterik und sogenannter "Heiden"bewegung, dazu noch etwas Sozialpatriotismus und Kapitalismuskritik, solange es um "vaterlandsloses" Kapital geht. Daß das ganze ernst zu nehmen ist, zeigen vor allem die jährlichen Sommer- und Winteruniversitäten, zu denen bekannte "Größen" des Rechtsextremismus vor gar nicht kleinem Publikum auftreten. So kamen beispielsweise 200 TeilnehmerInnen 1996 in die Lombardei und lauschten den rund 40 ReferentInnen, darunter auch zahlreichen ProfessorInnen aus Frankreich und Italien. Bei der fast gleichzeitig stattfindenden Deutschen Sommeruniversität  trat ein breites Spektrum rechter Vordenker auf: vom Philosophieprofessor Reinhart Maurer, über Autoren bei "Junges Forum" bis hin zu Horst Mikonauschke, Berater des NPD-nahen Deutschen-Arbeitnehmer-Verbandes und dem DESG-Funktionär Klausdieter Ludwig. Außerdem referierten noch der als antisemitisch eingestufte Neonazi Reinhold Oberlechner aus Hamburg, Stefan Ulbrich von der Wiking-Jugend und Alfred Mechtersheimer (selbsternannter "Streiter für eine neue Deutschlandbewegung").
 

Mitveranstalter DESG

Die DESG gehört zu den ältesten Organisationen der sog. Neuen Rechten und gibt die "neurechte" Zeitschrift Junges Forum heraus mit Sitz in Hamburg. Zahlreiche Vordenker der sog. Neuen Rechten publizierten im JuFo, und besonders in den 70er Jahren hatte die Zeitschrift einen erheblichen Einfluß auf die neofaschistische "Intelligenz". Ideologisch waren DESG und JuFo besonders vom Solidarismus u.a. Ideen von Otto Strasser geprägt. Lothar Penz, Gesellschafter der DESG, prägte diese Orientierung besonders, erkannte auch schon früh die Bedeutung der Ökologiebewegung und versuchte mit einer von Solidaristen aufgebauten Grünen Liste Umweltschutz frühzeitig diese Bewegung von rechts zu infiltrieren.

Außerdem prägte der von Henning Eichberg entwickelte Ethnopluralismus und die damit verbundene Europakonzeption, das Abstand von abgeschlossenen Nationalstaaten nimmt, stark die Ideologie der DESG. Schon der Name drückt aus, daß sich die Hamburger Gesellschaft auf das Konzept der europäischen Waffen-SS bezieht. In dieser Tradition standen auch Seminare der DESG, welche sie bis 1993 unter dem Namen "Denkfabrik Europa der Völker" durchführte.

Durch die Zusammenarbeit mit "Synergon Deutschland" konnte die DESG mit ihrem überalterten Mitgliederstamm jüngere Mitarbeiter für ihre publizistischen Tätigkeiten gewinnen. Außerdem eröffnen sich für die DESG nunmehr Kontakte zur europäischen Rechtsextremismusszene. Für "Synergon Deutschland" bzw. die "Europäischen Synergien" ergibt sich durch die Mitarbeit an den Schriften der DESG eine Publikationsplattform für ihr Gedankengut. Die Zusammenarbeit beider Organisationen ist ein weiterer Versuch, "neurechte Denkzirkel" zu vernetzen.
 

Und wer ist Evola?

Der italienische Faschist Julius Evola kann wegen seiner kulturpessimistischen und antiliberalen Ansichten ohne Umschweife der Konservativen Revolution zugerechnet werden und wird von der "Neuen" Rechten häufig als Vordenker beansprucht. An die Stelle wissenschaftlicher Erkenntnisse, die er nicht akzeptiert, setzt er pseudoreligiöse Enstehungsmythen. Evolas Texte sind kaum verständlich, und Sätze wie die folgenden finden sich auf jeder Seite seines Hauptwerks "Erhebung wider die moderne Welt": "Als die nordische Rasse an diesem Pol (und Evola meint tatsächlich den Nordpol) ihren Ursitz hatte, war das Symbol Wirklichkeit und die Wirklichkeit Symbol, worin Geschichte und Übergeschichte zwei ungeschiedene Teile darstellten, ... So geht es weiter und endet mit der zentralen Quelle der verschiedenen Ausdrucksformen dieser Tradition in anderen Rassen und in späteren und schon niederen Kulturen....

Martin Schwarz, österreichischer Vertreter beim 100-jährigem Evola-Gedenktag, meint schlicht: "Evola stellt sich gegen die gesamte moderne Welt, er steht auf dem Boden der 'Tradition'. Tradition heißt bei ihm: Hierarchie, Form, Männlichkeit, Transzendenz, Autorität, Souveränität."

Wichtig an Evola dürfte aus heutiger rechtsextremer Perspektive sein, daß er sich unverfänglich zitieren läßt. Evolas Rassenlehre ist in einer Weise symbolisch überladen, die sie im Gegensatz zu Hitlers biologischem Rassismus unschuldig-naiv wirken läßt. Allerdings scheint sie nahe genug am Nationalsozialismus, um von dessen Nachfolgern akzeptiert zu werden.

Gerade dieses Muster ist es, daß die ideologische Seite der "Neuen" Rechten so ungreifbar sein läßt, und vielleicht auch oft nicht wichtig genug scheinen läßt, dagegen aufzutreten. Aber wie war das doch gleich mit den Anfängen?
 

Zur weiteren Information empfohlen:

Die Zeitschrift Zeck aus Hamburg, Nr.60; 6/97, die Zeitschrift Antifaschistisches Infoblatt 43/1998, sowie das Buch "Thule: vom völkischen Okkultismus bis zur neuen Rechten" von Friedrich Paul Heller und Anton Meagerle.


aus: TATblatt Nr. +98 (10/98) vom 22. Mai 1998
(c)TATblatt
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken, alternativen und ähnlichen Medien ohne weiteres gestattet (Belegexemplar erbeten)!
In allen anderen Fällen Nachdruck nur mit Genehmigung der Medieninhaberin (siehe Impressum)


[zum TATblatt-Inhaltsverzeichnis]