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Anschlag auf "Heimkehrergedenkstätte" Ulrichsberg

[Artikel] [Ulrichsberg - was ist das?]

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"sag nie, du gehst den letzten weg"

erklärung zum anschlag auf die heimkehrergedenkstätte ulrichsberg

jährlich am ersten sonntag im oktober lockt der ulrichsberg ein paar tausendschaften ehemaliger frontkämpfer an, darunter zahlreiche ss-angehörige aus dem in und ausland. gemeinsam gedenken sie der gefallenen kameraden aus dem ersten und zweiten weltkrieg. es ist das größte kontinuierliche treffen ehemaliger wehrmachts und ssangehöriger. es sind jedoch nicht nur alte, unverbesserliche nazis von "seinerzeit", die hier um die toten aus den eigenen reihen trauern. von jungen, militanten neonazis aus dem vapo-umfeld, über schlagende burschenschaften, bis hin zu ranghohen vertretern des öffentlichen lebens ist ein breites gesellschaftliches spektrum bei den ulrichsbergtreffen vertreten.

politiker von fpö, övp und spö, bundesheerangehörige und dienstlich abgestellte einheiten des landesgendameriekommandos kärnten genierten sich nicht, neben prominenten alt- und neonazis an den feierlichkeiten rund um den ulrichsberg teilzunehmen. erst als bekannt wurde, daß auch die als mutmaßliche briefbombenattentäter inhaftierten neonazis peter binder und franz radl jun. regelmäßig an den treffen teilnahmen, zogen es die sp-spitze und das landesgendameriekommando kärnten vor, keine offiziellen vertreter mehr zum ulrichsberg zu schicken. der grund dafür ist weniger die "plötzliche erkenntnis", daß das ulrichsbergtreffen als eine gut genutzte kontaktstelle und informationsbörse europäischer neonazis fungiert, sondern vielmehr, um der aufmerksam gewordenen presse keine angriffsflächen zu bieten. gleichzeitig distanzierte sich die ulrichsberggemeinschaft nach altbewährter taktik von allzu bekannten neonazis, um so der öffentlichkeit das bild einer harmlosen gedenkfeier ehemaliger soldaten vorhalten zu können. ein blick hinter diese maske, eine maske geformt aus den gesichtern aller weiterhin teilnehmenden politiker, genügt, um zu erkennen wie verdammt dieser berg stinkt.

wir haben die gedenkstätte ulrichsberg zerstört, nicht, um die vergessen zu machen, die die geschichte des zweiten weltkrieges so blutig geschrieben haben. vergessen werden wir sie nicht, die den tod von millionen von menschen auf ihrem gewissen haben. vergessen werden wir sie nicht, die im grauen feldrock für ein system der vernichtung und des todes ihr leben ließen, aber ehren, ehren niemals. ehre gebührt all jenen, die den mut hatten, sich zu wehren, die der wahrheit ins auge blickten und dem faschismus, auch wenn er noch so übermächtig schien, den kampf ansagten. jene zu ehren bedeutet nicht an kranzniederlegungen und anderen feierlichkeiten teilzunehmen, sondern, den kampf in ihrem namen weiterzuführen.

wir haben die gedenkstätte ulrichsberg angegriffen, um zu zeigen, daß die geschichte uns gelehrt hat, unser wissen nicht als erkenntnis, sondern als pflicht zu verstehen. als pflicht, die augen offen zu halten und geschehendes unrecht konsequent zu bekämpfen. faschismus ist unrecht ! und antifaschist/in zu sein bedeutet nicht nur, antifaschistisch zu denken. antifaschist/in zu sein bedeutet vor allem auch sich der verantwortung bewußt zu werden und danach zu handeln.

die sprache allein, mit der viele menschen glauben dem faschismus antworten zu können, ist mißbraucht, leer und bedeutungslos geworden. erst wenn wir es schaffen, den worten durch entschlossenes handeln ihre ursprüngliche kraft und bedeutung zurückzugeben, kann die sprache wieder wirkungsvoll werden und das verlorene bewußtsein wieder wecken.

wenn wir von entschlossenheit sprechen, so sprechen wir von einer aufrechten, selbstlosen haltung, mit der mensch sich weder willkürlich schmücken, noch sich ihrer entledigen kann, weil sie teil der menschlichen identität ist. diese haltung zu bewahren, verlangt einen unweigerlichen bruch mit dem herrschenden system. ein system, das eine gesellschaft hervorgebracht hat, die sklavin ihrer kranken werte, sklavin ihres eigenen geldes geworden ist, ist untragbar für die menschheit und für die erde, auf der wir leben.

dieses system wollen wir nicht länger akzeptieren, die lage, in der wir uns befinden nicht länger als schicksal hinnehmen. wir werden uns von der herrschenden angst nicht länger lähmen lassen, sondern uns voll und ganz der aufgabe widmen, mit jedem neuen tag konsequenter gegen die kälte und unmenschlichkeit anzukämpfen, um der menschlichkeit wieder raum zu schaffen.

"sag nie, du gehst den letzten weg", ein altes partisanenlied, ist der rote faden der uns stets weiterführt. selbst dann, wenn der kampf schwer ist, ja schier aussichtslos erscheint, ist es der rote faden, der uns hoffnung gibt, der uns möglichkeiten, perspektiven und wege entdecken läßt, die längst vergessen schienen.

kommando z.a.l.a.

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Anmerkung des TATblatts: Dies ist der Text des von den AttentäterInnen hinterlassenen BekennerInnenschreibens. Die darin als mutmaßliche Briefbombenattentäter bezeichneten Peter Binder und Franz Radl jun. sind vom Vorwurf der Beteiligung an den Briefbombenattentaten rechtskräftig freigesprochen und daher keine mutmaßlichen Briefbombenattentäter.

[Artikel] [Ulrichsberg - was ist das?]


aus: TATblatt Nr. plus 82 (,15/97) vom 11. September 1997
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