TATblatt


EGMR-Entscheidung:

Jörg Haider,

ein verhältnismäßiger Trottel?

Die Republik Österreich wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt, weil der Journalist Gerhard O. den FPÖ-Chef Haider als "Trottel" bezeichnete und die Republik ihn deshalb zu einer Geldstrafe verdonnerte.

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Der Anlaßfall liegt mehr als 6 Jahre zurück. Im März 1991 setzte sich der Journalist und Ex-Herausgeber der Zeitschrift "Forum", Gerhard O., im Rahmen einer Glosse mit der Rede des damaligen Kärntner Landeshauptmannes Haider auseinander. Es war jene Rede, die Haider beim berüchtigten Ulrichsbergtreffen im Oktober 1990 vor ehemaligen SSlern und anderen ehemaligen Wasserträgern des NS-Regimes hielt. Konkret ging es um jene Passage, in der Haider meinte: "Geistige Freiheit ist in einer Demokratie etwas Selbstverständliches, aber sie findet dort ihre Grenzen, wo Menschen jene geistige Freiheit in Anspruch nehmen, die sie nie bekommen hätten, hätten nicht andere für sie den Kopf hingehalten, daß sie heute in Demokratie und Freiheit leben können." Diese Aussagen Haiders veranlaßten Gerhard O. zur Feststellung, daß Haider in seinen Augen schlichtweg ein "Trottel" sei. Haider meinte eine Beleidigung zu erblicken, klagte wie so oft, und wie fast ebenso oft gab ihm die Justiz recht. Gerhard O. sah durch dieses Urteil der österreichischen Justiz sein Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt und wandte sich seinerseits an den EGMR. Durch das nunmehrige Urteil dieses Gerichtshofes wird die Republik Österreich dazu gezwungen, 150.000.-öS zu zahlen. Weiters wurde dem Antrag von Gerhard O. stattgegeben, seine Anwaltskosten und Prozeßkosten rückzuerstatten. Schlußendlich muß die Republik auch jene Geldstrafe an Gerhard O. zurückzahlen, zu der ihn einst die österreichische Justiz verurteilte. Das damalige Urteil lautete in erster Instanz auf 4.000.-öS, nach der Berufung wurde dieser Betrag auf 1.000.-öS reduziert.

Die Richter des EGMR begründeten ihr Urteil damit, daß Haider in seiner damaligen Rede eine provokative Absicht verfolgte. Haiders Aussagen liefen darauf hinaus, daß nur die Soldaten der deutschen Wehrmacht, die in seinen Augen ihr Leben riskiert haben, ein Recht auf freie Meinungsäußerung hätten. Weiters behauptete Haider, daß alle Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg aktiv waren, für Frieden und Freiheit gekämpft hätten. Angesichts dieser flotten Sprüche schien die Reaktion von Gerhard O. Haider gegenüber dem Gerichtshof als verhältnismäßig.

Das Urteil des Gerichtshofes war nicht einstimmig, es lautete auf 7 zu 2 Stimmen zugunsten von Gerhard O. Die beiden Gegenstimmen kamen von den Vertretern Islands und no-na-net Österreichs.

Gerhard O. selbst zeigte sich über das Urteil zufrieden und hoffte zugleich, daß sich durch dieses Urteil die österreichischen Gerichte schön langsam an die Meinungsfreiheit gewöhnen würden. Er betonte aber auch, daß die Aussagen Haiders nicht nur - seiner Meinung nach - "trottelhaft" gewesen wären, sondern daß er Haider damals auch als einen "wahrhaft lebensgefährlichen" Nazi bezeichnete, wogegen dieser niemals Klage erhoben hätte.


aus: TATblatt Nr. plus 80/81 (13/14/97) vom 10. Juli 1997
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