TATblatt


Neuer Anlauf für Regional- und Lokalradios

Chance für nichtkommerzielle Alternativen?

Bleiben Sie dran!

Am 12. Juni endete wieder einmal die Bewerbungsfrist für Regional- und Lokalradiolizenzen. Nach oberflächlicher Reparatur des 1995 vom VfGH aufgehobenen Regionalradiogesetzes sollen möglicherweise bereits im kommenden Herbst 53 neue Radios auf Sendung gehen. Ob auch nichtkommerzielle Sender dabeisein werden, wird sich zeigen ....

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Überraschungen bei der Vergabe der Regionalradiolizenzen - eine je Bundesland, in Wien zwei - wird es wohl kaum geben. Zum Zug dürften jene FrequenzwerberInnen kommen, welche bereits 1995 den Zuschlag bekommen haben. In Salzburg und der Steiermark, wo trotz der VfGH-Entscheidung aufgrund besonderer Vereinbarungen bereits privat gesendet wird, behalten "Radio Melody" und "Antenne Steiermark" ihre Lizenzen. In Wien gibt es nach der Gründung von "Antenne Wien" noch ein Gerangel zwischen drei chancenreichen Bewerbungen.

Fest steht damit bereits vorab, daß mit den Regionalradios unter dem Vorwand der Verbesserung von Medienvielfalt die Machtkonzentration der führenden MeinungsmacherInnen aus dem Printmedienbereich - die bei fast allen potentiellen Sendern maßgeblich beteiligt sind (siehe Anmerkung unten) - auf das Radio ausgeweitet und damit verfestigt wird.

Worum es den Zeitungsverlegern dabei aber in erster Linie geht, ist es, bei der bevorstehenden Neuaufteilung des Werbekuchens dabei zu sein. Schon in der Vergangenheit nahm der Anteil von Radio und Fernsehen am wachsenden Werbemarkt stetig zu. Die neuen Kommerzradios werden diesen Markt absehbarerweise einigermaßen aufwühlen. Vor allem aber können die Zeitungsverleger dann auch in jenes Marktsegment vordringen, das bislang dem ORF vorbehalten war. Um möglichst große Stücke von dem aufgestockten Kuchen zu bekommen, finden sich auch sonst nicht gerade kooperationsfreudige Medien mit unterschiedlichster Zielgruppenorientierung wie Krone und Standard in einem Radiounternehmen zusammen.

Nichtkommerzielle Radios sind da lediglich Störfaktoren, die zwar - dank ihrer selbstauferlegten Werbefreiheit - nichts vom Werbekuchen wegnaschen, aber doch immerhin die begehrten Frequenzen abspenstig machen können. Folgerichtig wurden sie in der Originalfassung des Regionalradiogesetzes 1993 auch prompt "vergessen". In der reparierten Gesetzesversion von 1997 finden sie immerhin bereits Erwähnung - freilich ohne jegliche Konsequenz. So ist weder vorgesehen, daß ein bestimmter Teil der zu vergebenden Frequenzen an nichtkommerzielle Radios zu gehen hat, noch gibt es Finanzierungshilfen oder zumindest Erleichterungen bei den auf kommerzielle AnbieterInnen zugeschnittenen Gesetzesauflagen für ProgrammanbieterInnen.

Die 45 in der ersten Runde zu vergebenden Lokalradiolizenzen versprechen aufgrund ihrer kleineren Sendegebiete nur geringere Werbeeinnahmen. Dementsprechend werden sie auch weniger begehrt. Eine Ausnahme stellen lediglich lokale Frequenzen in Ballungsräumen dar. In Wien kann zumindest mit den beiden stärkeren von insgesamt drei Lokalfrequenzen ein gleichgroßes (Werbe-)Publikum erreicht werden wie mit einem Regionalradio. Die gesetzliche Möglichkeit, bis zu 60 % des Programms von anderen Stationen zu übernehmen - werbefreie, unmoderierte Musikprogramme sogar ohne jegliche Beschränkung - ermöglichen ProgrammanbieterInnen überregionale quasi-networks zu bilden und lediglich kleine lokale Fenster in gemeinsam gestalteten Programmen zu plazieren. Damit lassen sich auch mit Lokalradios mit geringem Aufwand satte Profite erwirtschaften. Lokalität in der Berichterstattung oder gar HörerInnennähe braucht da nicht erwartet werden. Vielmehr wird wohl, wie auch in der BRD, ein großer Teil des wenigen "selbst" produzierten Programms aus leicht überarbeiteten PR-Beiträgen bestehen, die wohl auch hierorts bald von findigen Unternehmen kostenlos den Sendern zu Verfügung gestellt werden.

Nichtkommerzielle Alternativen

Mit "Meinungsvielfalt" und Bedachtnahme auf lokale und regionale Interessen, wie im Regionalradiogesetz anzustreben vorgegeben wird, haben kommerzielle Sender nur wenig zu tun. Diese Anforderungen könnten viel besser von nichtkommerziellen Radios erfüllt werden, wird von seiten der zahlreichen "freien" Radioinitiativen argumentiert, die sich ebenfalls um verschiedene Frequenzen beworben haben. Wieweit sie sich damit in einer Auseinandersetzung, in der mit medienpolitischen Begriffen die Verwertungsinteressen diverser Einzelkapitale kaschiert werden, durchzusetzen imstande sind, ist noch offen.

Das "Freie Radio Wien" (FRW) gibt sich jedenfalls optimistisch und kündigt auf seiner Webpage bereits fix den Sendestart im Herbst an. Die idealistischen Überbleibsel und NachfahrInnen der ehemaligen Wiener RadiopiratInnen von 1991-93 vertrauen dabei auf ihre hinter den Kulissen geleistete Lobbyarbeit. Auf die Unterstützung jener bürgerlichen Medien wie Standard und Falter, derer sie bis 1993 noch sicher sein konnten, brauchen sie hingegen nicht einmal mehr zu hoffen. Damals waren die PiratInnen als nützliche Verbündete in einem aus ungleichen Motiven geführten Kampf um Rundfunkliberalisierung willkommen. Heute werden sie als KonkurrentInnen bei der Frequenzvergabe gesehen und totgeschwiegen.

Das Freie Radio Wien bewarb sich um jene zwei der drei in Wien zu vergebenden Lokalradiolizenzen (Wien 1/Kahlenberg 92,9 MHz, 3.000 W; Wien 2/Himmelhof 104,2 MHz, 800 W), mit denen die in Wien lebenden RadiohörerInnen einigermaßen flächendeckend erreicht werden können. Die dritte ausgeschriebene Frequenz (Wien 3/Neuwaldegg 98,6 MHz, 100 W) wird wegen der geringen erlaubten Sendeleistung - nicht nur vom FRW - als unzureichend abgelehnt. Zum Vergleich: gute PiratInnensender bliesen an die 70 W in den Äther. In den Bezirken 21 und 22 - und damit in rund einem Drittel des Wiener Stadtgebietes - wird Wien 3 vermutlich nicht zu empfangen sein.

Auch in den übrigen Bundesländern bewarben sich freie Radioinitiativen um Regional- und/oder Lokalradiolizenzen. So etwa der "Freie Rundfunk Oberösterreich", "Freirad" in Innsbruck, das "Freie Radio Vorarlberg", das "mehrsprachige offene Radio / MORA" im Burgenland/Gradisca und die "Arbeitsgemeinschaft offenes Radio / autonomno gibanje odprtega radia AGORA" in Kärnten/Koroska.

Ebenfalls beworben hat sich auch das steirische "Radio Helsinki", welches derzeit jeden Sonntag-Abend ab 20 Uhr auf der Frequenz von Antenne Steiermark sendet. Mit dem Zugeständnis dieses Sendeplatzes hat sich die Antenne 1995 den Verzicht des Freien Radio Steiermarks auf eine VfGH-Klage und damit die Möglichkeit als erstes Privatradio Österreichs auf Sendung gehen zu können, erkauft. Mittlerweile verdichten sich jedoch die Gerüchte, daß die Antenne das unbequeme Anhängsel loswerden und den attraktiven Sonntags-Sendeplatz für werbeverträgliche Programme freibekommen möchte.

Mit einem positiven Bescheid allein ist es für ein nichtkommerzielles Radio noch nicht getan. Es gilt auch, das nötige Geld aufzutreiben. Das "Freie Radio Wien" veranschlagt die Errichtungskosten auf ATS 800.000,--, wovon allerdings schon gut 300.000,-- in Form vorhandener Betriebsmittel vorliegen. Die laufenden Kosten sollen, wie sie in einem Finanzkonzept vorrechnen, durch die laufenden Einnahmen gedeckt werden können. Dabei wird von einer Zahl von 4.000 AbonnentInnen ausgegangen, die eine Art freiwillige Radiogebühr von 400,-- jährlich zu zahlen bereit sind, von umfangreichen staatlichen Förderungen (380.000,-- exkl. Arbeitsmarktförderung) aus verschiedensten Budgettöpfen und ähnlichem. Ausgabenseitig stellen die zu zahlenden UrheberInnenrechte noch eine große Unbekannte dar. Sie sind im Finanzkonzept mit ATS 100.000,-- veranschlagt. Verhandlungen mit den UrheberInnenrechtsgesellschaften über günstigere Tarife für nichtkommerzielle Radios sind aber noch nicht abgeschlossen. Nicht vorgesehen im Finanzkonzept sind Sendermieten an den ORF, da eine - wesentlich günstigere - eigene Sendeanlage aufgebaut wird. Auch Personalkosten fallen kaum an, da mit 3,5 Angestellten das Auslangen gefunden werden soll. Sendungsgestaltende Arbeiten werden nicht bezahlt. Das Radio lebt vielmehr vom kostenlosen Engagement der AktivistInnen und deren Selbstausbeutungsbereitschaft. Die Ähnlichkeit mit alternativen Zeitschriften ist wohl nicht zufällig, sondern muß vielmehr an sowas wie ökonomischer Gesetzmäßigkeit liegen. Allerdings müssen AlternativzeitschriftenmacherInnen nicht zweimal täglich einstündige Informationssendungen produzieren, wie es im Programmschema des Freien Radios vorgesehen ist, die wohl kaum zwischen Uni und Lohnarbeitsplatz von freiwilligen MitarbeiterInnen im Vorbeigehen gemacht werden können.

Radiowerkstätten

Den freien RadiomacherInnen bleibt damit wohl nichts anderes übrig, als das zu tun, was bei alternativen Zeitschriften seit jeher üblich ist und sich eigentlich auch ganz gut bewährt hat, nämlich jeder ökonomischen Rationalität trotzend einfach das Unmögliche wahrzumachen und darauf zu vertrauen, daß sich letztendlich schon alles irgendwie ausgehen wird.

Allerdings ist freies Radio immer bestenfalls so gut, wie die Leute, die sich daran beteiligen. Das Freie Radio Wien bietet daher für alle interessierten Einzelpersonen, aber auch für Gruppen, Vereine und Initiativen, die inhaltliche Beiträge für das Radio gestalten wollen, "Radiowerkstätten" zum Lernen des Umgangs mit den Besonderheiten des Mediums und der erforderlichen Technik an. In den Werkstätten wird aber nicht nur geübt und Sendungen zum Verstauben in Archiven oder für den Kassettenrecorder zu hause produziert. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem polycollege alias Volkshochschule Stöbergasse und dem ORF (sic!) können die Beiträge auch im abendlichen Ö1-Mittelwellenprogramm 1476 (auf der Frequenz 1476 kHZ) ausgestrahlt werden.

Die nächste Einstiegsmöglichkeit in die Radiowerkstätte gibt's am Wochenende 26./27. September. Anmeldung ist erforderlich! Preis: 50,--.

Über mögliche ähnliche Angebote in anderen Bundesländern informiert ihr euch am besten bei eurem lokalen freien Radio.

Kontakte und nähere Infos:

zum Weiterlesen:


Anmerkung

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aus: TATblatt Nr. plus 80/81 (13/14/97) vom 10. Juli 1997
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