TATblatt


380 kV-Ringleitung

Höchstspannung

Nachdem die E-Wirtschaft lange Zeit am liebsten gar nicht drüber sprach, ist sie jetzt wieder Thema: die 380kV-Ringleitung, die Österreichs Europareife wieder einmal unter Beweis stellen soll. Dafür, daß die Diskussion nicht unbedingt in die von der E-Wirtschaft gewünschte Richtung geht, sollen neu entstehende BürgerInneninitiativen und eine Gesetzesinitiativevon über 20 oststeirischen Gemeinden sorgen.

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Zur Erinnerung: die österreichische Verbundgesellschaft plant eine 380 Kilovolt-Ringleitung um ganz Österreich zu errichten. Dieser Ring ist an den meisten Stellen bereits geschlossen. Unter anderem klafft aber im südlichen Burgenland bis hinüber in die Oststeiermark eine Lücke, die nun geschlossen werden soll. Proteste der Bevölkerung richten sich aus den verschiedensten Gründen (vom Landschafts- und Gesundheitsschutz bis zum Vorwurf, daß hier billiger Atomstrom aus dem Osten durch Österreich in die EU transportiert werden soll) gegen den Bau der Leitung.

Im Mittelburgenland (bis hinunter nach Rotenturm) dürfte alles gelaufen sein. Zumindest sehen die dort ehemals doch sehr starken BürgerInneninitiativen es so. So scheinen sowohl Pläne des Verbundes bezüglich Streckenführung unumstößlich festzustehen, als auch an einigen Stellen bereits Bautätigkeit eingesetzt zu haben. Ganz anderes gilt für die Strecke hinüber in die Steiermark. Hier wurde nach einer Studie, die die Verbundgesellschaft Ende letzten Jahres veröffentlichte, die gesamte Streckenplanung umgestoßen, und befindet sich wieder in der Begutachtungsphase. Zum Teil wurde damit, ersten Widerstandsregungen der Wind aus den Segeln genommen, zum Teil bedeutete das aber auch eine kurze Verschnaufpause, die in einigen Gemeinden zu ersten Ansätzen neuer Bewegung geführt hat. Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden sind weder von der eigenen Uninformiertheit durch den Verbund begeistert noch von der Aussicht plötzlich einer gestärkten Umweltbewegung gegenüberzustehen, was im Endeffekt vielleicht gar mit grünen GemeinderätInnen endet.

Eine hoffentlich nicht trügerische Hoffnung der LeitungsgegnerInnen ist eine Gesetzesinitiative von mehr als 20 steirischen Gemeinden. Nachdem eine BürgerInnenbefragung letztes Jahr eindeutig eine Absage der Bevölkerung an das Leitungsprojekt ergab, reichten die betroffenen Gemeinden nun einen Antrag zur Änderung des Naturschutzgesetzes ein.

Kurz zusammengefaßt geht es in diesem Antrag um folgendes: laut dem Starkstromwegegesetz 1968 hat nur ein äußerst kleiner Kreis (60m) der vom Leitungsbau Betroffenen minimale Parteienrechte. Weder Gemeinden noch AnrainerInnen können gesundheitliche, ökologische oder materielle Nachteile im Verfahren geltend machen. Der BürgerInnenmeister der Gemeinde Empersdorf drückt es so aus: "Um diesen Zustand zu beenden und ein faires Verfahren für die Bevölkerung zu erreichen, haben sich die Gemeinden zusammengeschlossen und unter anderem diese Gesetzesinitiative gestartet. Die Gesetzesinitiative (...) hat zum Ziel das Stmk. Naturschutzgesetz dahingehend abzuändern, daß für Großprojekte (Flächenmaß über 10ha. bzw. eine Trassenlänge über 10 km) zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muß."

BürgerInneninitiativen in einigen burgenländischen Gemeinden hoffen, daß das steirische Beispiel Schule machen könnte, und es auch im Burgenland auf Gemeindeebene zu Protesten kommen könnte. Allerdings herrschen im Burgenland ganz andere politische Vorraussetzungen, denn hier stehen durchwegs "rot" dominierte Gemeinden den "schwarzen" steirischen gegenüber. Dabei drängt sich der Verdacht auf, daß die steirischen Initiativen sich in Wirklichkeit gegen den "roten" E-Verbund richten, und daß die bevorstehenden Machtkämpfe zwischen Bund und Länderorganisationen (Steweag/Bewag) im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes ein Auslöser für das Engagement der Gemeinden auf steirischer Seite sind.

Die Verbundgesellschaft bemüht sich indes, der Leitung ein positiveres Image zu verleihen. Daß sie dabei auf die ewig selbe Leier zurückgreift (Versorgungssicherheit) wie schon seit mehr als zwei Jahren, wird nur durch den Umstand EU etwas aufgefrischt. So meint der Verbundvorstandsdirektor Schröfelbauer ganz unverblümt: "Wer vom freien europäischen Strommarkt, von der Verfügbarkeit billigen elektrischen Stroms und vom härter werdenden Wettbewerb zwischen den Versorgern spricht, müßte auch über die technischen Möglichkeiten denken, jederzeit größere Strommengen über weite Entfernungen problemlos zu übertragen." Noch im selben Interview (VEO-Journal 4/97) versucht er dann die rein innerösterreichischen Versorgungsgründe als Motivation darzulegen. Auch sogenannte Störpartnerschaften (gegenseitige Hilfe im Störfall) mit Bayern und der EU würden eine 380kV-Ringleitung notwendig machen. Der letzte Satz unter seinem Motto: "Wir bauen keine sogenannten Atomstromautobahnen" läßt dann allerdings keine Zweifel offen: "Wer preisgünstigen Strom aus der EU haben möchte (...), müßte für einen zügigen Ausbau des 380-kV-Netzes eintreten." Gerade das ist aber einer der Hauptkritikpunkte der LeitungsgegnerInnen, die berechtigterweise annehmen, daß billiger EU-Strom nichts anderes sei als billiger Atomstrom aus dem Osten, für dessen Transport gerade die 380kV-Leitung benötigt wird.

Die Liberalisierung des EU-Strommarktes wird - auch wenn der innerösterreichische Bedarf Vorrang hat - zu einer gewaltigen Dynamisierung des Handels mit freien Netzkapazitäten führen. Gleichzeitig wird es im Bereich "Neubau von Kraftwerken" extrem eng. Der Verbund hat zum Beispiel nur ein einziges Großprojekt (Kraftwerk Freudenau) laufen. Für den Verbund ist also die Errichtung der 380kV-Leitung, und die Vorbereitung auf die Liberalisierung des Handels mit Energie die Zukunftsaussicht schlechthin. Daran lassen die Geschäftsberichte und der Aktionärsbrief der Verbundgesellschaft keinen Zweifel.

Auf BürgerInneninitiativen, engagierte Gemeinden und andere Widerstandsformen wartet also keine leichte Aufgabe, ein Sommerloch und vielleicht ein heißer Herbst.


aus: TATblatt Nr. plus 80/81 (13/14/97) vom 10. Juli 1997
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