TATblatt


Eine Stadt atmet auf ...

Salzburger Polizei-Chaostage

Vom 16.-19.5. befürchtete die Polizei Chaostage in Salzburg. Damit es nicht erst so weit kommt, inszenierten sie diese selbst unter Anwendung übler Polizeistaatsmethoden. Im folgenden drucken wir einen Kommentar, in dem über die Ereignisse berichtet wird, vom Infoladenkollektiv Potemkin in Salzburg ab.

(eineR vom Infoladenkollektiv Potemkin, vom TATblatt leicht überarbeitet)

Die Herrschenden lassen die Muskeln spielen! Ein kalter Schauer läuft über meinen Rücken, vor dem, was da noch kommen mag...

Die "Goldkrone" mit der Inschrift "Danke für Salzburg" bekam Polizeidirektor Schweiger als krönenden Abschluß einer Zusammenarbeit zwischen Medien, Aktivbürgerinnen und Polizeibeamtinnen am Dienstag von Wüstenrot Generaldirektor Dr. Steiner überreicht. Was war geschehen?

Ich werde mich jetzt hier nicht mit der Irrationalität der Ängste oder dem unaufhaltsamen Greuel vor allem Fremden auseinandersetzen. Auch eine Charakterisierung des Begriffs "Punk" überlasse ich getrost Soziologinnen, PsychologInnen und Stammtischrunden, die aus belehrenden Gründen, ihre "besonnenen" Meinungen via LeserInnenbriefen in den lokalen Zeitungen kundtaten. Genauer anzuschauen gilt es hier den Machtapparat, der zum ersten mal in dieser Stärke, mit diesem Aufwand hier in Salzburg zur Sache ging. Doch wie kann es überhaupt zustande kommen, daß sich in einer Stadt ein Klima verankert, welches ganz klar der Exekutive und den Herrschenden suggeriert, die Zeit ist reif, die Akzeptanz für diesen Einsatz, für diesen Aufwand ist gerechtfertigt?

Hier ist es nun wichtig, verschiedene Komponenten zusammenzufügen. Zuerst seien hier die sagenumwobenen "Punkerkrawalle" des Vorjahres in unser Gedächtnis zurückgerufen. Schon damals wurde mit gezielter und kalkulierter Übertreibung eine Bild geschaffen, das sich in den Köpfen der Menschen verfestigt hatte. Ein Bild des Schreckens geisterte durch die Köpfe, und die Gewißheit, sollte es noch einmal "Punkerkrawalle" geben, würden diese noch verheerender ausfallen, und der daraus gezogene einfache Schluß, alles "menschenmögliche" zu tun, um dies zu verhindern. Dann Stille, eine Zeit lang gar nichts. Bis zum ersten Erscheinen eines Flugblatts mit der Ankündigung erneuter "Chaos-Tage" in Salzburg, kurz darauf diese Nachricht auch im Internet.

Jetzt begann der eigentliche Arbeitseinsatz der Medien, den diese auch sofort und allesamt mit Eifer aufnahmen. Gut, die rechtskonservative Fratze der "Krone" ist kein Geheimnis mehr, sie outet sich tagtäglich selbst, doch auch Blätter umhüllt mit dem Deckmantel des "seriösen Journalismus" wollten diesmal in nichts nachstehen. Stufenweise ging es vor sich.

Das Konstrukt der Bedrohung

Bedrohung schaffen, Angst erzeugen, ein Szenario zu schaffen, das einer/m die Haare zu Berge stehen läßt. Hier wurde jongliert mit den Ängsten der Menschen, und angesetzt wurde beim wundesten Punkt, es wurde die umfassende Zerstörung des Privateigentums prognostiziert. Zumindest sei dies das, was mensch aus den Blättern mit dem Aufruf zu Chaostagen rauslesen und zwischen den Zeilen erforschen konnte. Doch diese Behauptungen mußten auch visuell belegt werden (visuelles Zeitalter?), und was würde sich besser dazu eignen als die Bilder aus dem Vorjahr aber vor allem die Plünderungen aus Hannover, das "Ausmaß der Zerstörung auf die Spitze treiben". Tag für Tag prasselten genau diesen Bilder über unsere Köpfe herein und verrichteten ihr Tagwerk.

Salzburg muß sich wehren

Das war ganz klar die frage der Abwehr eines solchen Angriffs auf das "Privateigentum" ehrbarer BürgerInnen. Der Ball wurde leger der Exekutive zugespielt. Die begann mit Beteuerungen die Sicherheit für "ganz Salzburg" und ihre BürgerInnen garantieren zu können. Doch besonnen wie die Exekutive nun auch einmal zu sein hat, wurde zur Ruhe aufgerufen, "Panikmache" sei der falsche Weg, die Exekutive wird mit aller Entschlossenheit jedes Aufkeimen einer Bedrohung des "Eigentums" unterbinden. Sachliche Rhetorik war Trumpf, so schnell durfte die Exekutive sich und ihre Pläne nicht entlarven. Alibis mußten geschaffen werden. Niemand sollte im nachhinein behaupten können, die Exekutive sei in der Vorbereitungsphase schon durch unqualifizierte, aggressive Kommentare aus dem Rahmen gefallen. Das Bedrohungsszenario wurde natürlich in der ganzen Zeit aufrecht erhalten, und Ergebnis daraus waren Spekulationen über eine Bürgerwehr und mehr. Das "Privateigentum" sollte durch das Vernageln der Läden und dem Schließen der Geschäfte während der angesprochenen Tage geschützt werden.

Aufrüstung der Exekutive

Das fällt nun weniger in den Bereich der Medien, auch wenn diese als VorbereiterInnen dienten. Das Klima schien nun reif für die Exekutive aufzurüsten, Tag für Tag erreichten uns neue Berichte über Ausstattung und Logistik der Exekutive, über das Aufstocken mit Personal aus ganz Österreich. Von privaten Wachorganisationen, die in den Tagen bewaffnet und nur zu zweit mit Hund unterwegs sein sollten. Eine Krisenhotline wurde eingerichtet, Samariterbund und Rotes Kreuz spielten fleißig mit, gründeten ihre Kriseneinsatzkräfte (da war doch was in Deutschland mit KSK-Einheiten als militärische Vorboten von Auslandseinsätzen des wiedererstarkten Deutschland, das aber nur am Rande).die Landeskrankenanstalten hielten die Betten frei, und sperrten einen Ausgang komplett, die PolizistInnen räumten das Polizeigefangenenhaus um Platz zu schaffen für hundert Gefangene. Die Bundesheersoldaten teilten ihre Kasernen mit den Krisenstreitkräften der Polizei. 1000 BeamtInnen, Wasserwerfer und PolizistInnen aller möglichen Spezialeinheiten nisteten sich in Salzburg ein. Durchgänge im Stadtinneren wurden gesperrt, Trettgitter alle zwei Meter und die tüchtigen Geschäftsleute verriegelten die Läden. Nun konnte es losgehen, die Exekutive war bereit zum Experiment "Was ist denn machbar an Staatsgewalt mit der notwendigen Vorbereitung?"

High noon

Die Tage des Geschehens; die Innenstadt war voll mit ExekutivbeamtInnen, "NormalbürgerInnen" betraten die Bühne kaum. Die diversen Zufahrtsstraßen nach Salzburg waren mit Straßensperren abgeriegelt. Der Bahnhof glich einer Festung mit einer provisorischen Wachstube und dutzenden BeamtInnen in Zivil, die unauffällig in adretter Sommerkleidung herumlungerten und jeden Farbschimmer im Haar, jedes Stück Metall am Körper eines Menschen als eindeutiges Indiz des "Punkertums" zur Kenntnis nahmen, und dies wurde umgehend den "KSK" gemeldet, welche dann auch sofort mit entschlossener Hand einschritten. Willkürliche Verhaftungen waren an der Tagesordnung, und in einem Belehrungsblatt der Exekutive (siehe Kasten) wurde auch der Rahmen des Einschreitens breit gesteckt. Da stand: "Sie werden aufgrund ihres Aussehens, Verhaltens, und Rechtfertigung diesem Personenkreis zugeordnet und stehen jedenfalls in Verdacht einer Vorbereitungshandlung bzw. eines Versuches des Vergehens eines Landfriedensbruches bzw. Landzwanges.(?!)"

Alles abseits eines "modischen Kurzhaarschnitts" und eines Anzuges schien somit verdächtig. Einen Niederschlag findet diese Willkür auch in der Anzahl der erkennungsdienstlich behandelten Personen, die die 400 überschritt, obwohl auch in den schlimmsten Panikgazetten nur von "300 Punkern" die Rede war. Dazu ist noch in Betracht zu ziehen, daß viele Menschen eben schon in Ahnung von dem was da kommen werde, den Nasenring mal zuhause ließen und das Dead-Kennedys-T-Shirt durch Reebok ersetzten. Die ED-Behandlungen waren geprägt vom aggressiven und verachtenden Verhalten der PolizistInnen: Ausziehen bis auf die Unterwäsche, Registrierung aller mitgeführten Gegenstände, Fotos, Fingerabdrücke, Einschüchterungen, Zurückweisung, Gewahrsam, und ständig den "Scherzen" der PolizistInnen ausgesetzt.

Menschen, die in Gewahrsam waren, wurden bis zu 24 Stunden nur in Boxershort oder Unterwäsche in Zellen gehalten. Platzverbote wurden willkürlich erteilt. Kontrolliert wurde jede und jeder, die den "Normen" nicht entsprach - Anlaß zur Datenerfassung von über 400 Jugendlichen.

Im Nachhinein verlautet Landeshauptmann Schausberger, daß es auch durchaus zu ED-Behandlungen bei Personen kam, die dem "TäterInnenkreis" wohl nicht zugeordnet werden könnten, diese Menschen können sich melden und Beschwerde anmelden, wenn sie "beweisen(?!)" könnten, daß ihre Anhaltung ungerechtfertigt sei, würden die aufgenommenen Daten umgehend vernichtet werden. Die Art der Beweisführung wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben, und die meisten Menschen werden diesen Weg auch nicht wählen, werden froh sein, jeden Kontakt mit der Exekutive vermeiden zu können, und die Versicherung des Vernichtens der aufgenommenen Daten ist vergleichbar mit dem Versprechen mir heute dreimal die Zähne zu putzen, wenn ich weiß, daß es niemand gibt, der die Kontrolltätigkeit übernimmt (putzt du nur unter Kontrolle?, d.Tipper). Bei den Verhaftungen wurde keine Rücksicht auf Alter, Aussehen, etc. genommen. Immer wiEDer haben Menschen davon berichtet, nach Verhaftungen verbal attackiert worden zu sein, das ging bis zu körperlichen Mißhandlungen. Die Staatsgewalt hat die Übungen für eine Krisensituation ernst genommen, die Stadt glich einer Festung, die Anhaltungen, Platzverbote und Festnahmen glichen einer Menschenjagd nach willkürlichen Kriterien. Am deutlichsten bekam mann/frau die Aggressivität der Exekutive an Orten zu spüren, wo das öffentliche Interesse nicht anwesend war, also in den Wachstuben, und vor allem in den provisorischen Räumen am Hauptbahnhof. Überall wo MEDien anwesend waren, wurde Einheit und Freundlichkeit, BürgerInnennähe und Sicherheit demonstriert, das fiel auch leicht, denn bis dahin ließ die Exekutive Menschen ja gar nicht vordringen. "law and order" griff gleich an der "Wurzel" zu. Und so wurde an den vermeintlich "sicheren" Plätzen bereits Punkt 4 vorbereitet.

Legitimierung einer Notstandsübung

Der "Erfolg" der Exekutive wurde in den Medien vermittelt, noch einmal wurde mit "Härtefällen" darauf aufmerksam gemacht was den hätte passieren können. Demonstriert wurden "Sturmhauben(?!)", Kanister mit Benzin, Öl, etc., zwei Schweizermesser und ein oder zwei Knüppel. Jede kritische Betrachtung oder Auseinandersetzung mit dem Einsatz, dem Aufwand, wurde von Schausberger sofort energisch zurückgewiesen. "Die Stadt sei nur deshalb so sicher gewesen, weil der vorbildhafte Einsatz der Exekutive schon alle StörerInnen im Vorfeld eliminiert hatte." Ein harmonisches Bild, im nachhinein Eintracht zwischen BürgerInnen und Polizei, und der "Kriseneinsatz" wird gebührend in den Medien abgefeiert. Dem ganzen wird die "Krone" aufgesetzt durch die Überreichung der "goldenen Krone" an die Exekutive. Ein paar kritische Kommentare nimmt mann auf Seite der Herrschenden auch ganz gelassen zur Kenntnis. Der Boden auf dem dieser Einsatz gedieh, gibt auch jetzt nicht nach und läßt an der Dimension, an der Härte des Einsatzes keinen Zweifel aufkommen.

Grotesk war die Meldung, daß am Mittwoch, dem 21.05., drei Punker mit genauer Personenbeschreibung dabei beobachtet wurden, wie sie im Mirabellgarten Blumenbeete verwüsteten, im Lokalfernsehen sich aber am gleichen Abend herausstellte, daß es sich dabei um Umpflanzungsarbeiten der städtischen Gärtnerei handelte. Der betroffene "Punk-Gärtner" traute seinen Ohren nicht, als er über seine Schandtat in der Zeitung las.

Abschließend möchte ich noch kurz erwähnen, daß auch die Theorie der Inszenierung durch die Staatsmacht nicht aus meinem Kopf will. Der "Versuchscharakter", die Experimentierfreude" und das "an die Grenzen des möglichen gehen" der Exekutive, erhärten meinen Verdacht. Doch das ist nur Spekulation. Die Staatsmacht hatte diesen "brutalen" und "umfassenden" Einsatz Hand in Hand mit den Medien gezielt vorbereitet, die Dehnung des Rechtsstaates wurde zelebriert, und auch politisch ist es interessant zu wissen, wie weit Staatsgewalt gehen kann. Willkür war Trumpf.

Als angenehmer Nebeneffekt konnten auch die polizeilichen Personendateien wieder nachgebessert und ergänzt werden. Der Widerstand, der sich regte, blieb leise, oder wurde zum Schweigen gebracht. In mir kommen Vergleiche mit dem deutschen Herbst 1977 hoch. "Polizeistaat" schallt es in meinem Kopf. Und die Wut treibt ihre Blüten. Der Staat hat sich in seinem Gewaltmonopol demaskiert, das muß unser Ansatzpunkt sein, diese häßliche Fratze müssen wir weiter und tiefer in die Bevölkerung tragen, ihre Propaganda, ihre Maschinerie durchbrechen in unserem Kampf für ein menschenwürdiges Leben.

Hier mach ich mal Schluß. Wer gerne mehr und detailliertere Informationen hätte, kann per Fax oder per Brief gerne anfragen.

Unsere Kontaktadresse: Infoladen Potemkin, Postfach 4, Morzgasse, A-5034 Salzburg, Tel./FAX: (+43)((0)662) 872783 (z.Hd. Tom)


aus: TATblatt Nr. plus 78 (11/97) vom 5. Juni 1997
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