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    Ausstellung: gastarbejter.
40 Jahre Arbeitsmigration.

Ausgehend von elf exemplarischen Orten und Zeitpunkten, die jeweils von Photos, Originaldokumenten und einem Video thematisch aufgearbeitet werden, erzählt die Ausstellung die Geschichte der Arbeitsmigration der letzten vier Jahrzehnte.

Die Ausstellung "gastarbajteri“ im Wien Museum ist Kernstück eines dreiteiligen Projektes der Initiative Minderheiten, mit einer zweiten Ausstellung in der neuen Wiener Hauptbibliothek am Gürtel und einer Filmreihe im Metro Kino.

Auf gelungene Art und Weise wird dabei versucht individuelle Beobachtungen einzelner ProtagonistInnen - zumeist ehemalige „GastarbeiterInnen“ - in den größeren Gesamtzusammenhang zu stellen, ohne diese zu bloßen „Ausstellungsobjekten“ zu reduzieren. Dies gelingt vor allem durch die eingesetzten Videos, die jede der einzelnen Stationen innerhalb der Ausstellung begleiten und in denen die Betroffenen direkt zu Wort kommen, deren Erinnerungen und Erfahrungen in den Mittelpunkt gestellt werden.

Die Ausstellung will dabei weder Erfolgsgeschichten noch Bilder der systematischen Unterdrückung zeigen, vielmehr wird das Streben nach der Herstellung von Normalität dokumentiert.

Die Orte und Zeitpunkte der Ausstellung orientieren sich an den Stationen der „GastarbeiterInnen“ auf den Weg in den Westen. Von der Anwerbestelle in Istanbul, die 1964 von der Österreichischen Wirtschaftskammer errichtet wurde, über Auf- und Abstieg der sogenannten "Gastarbeiterroute", die Arbeitersiedlung Walddörfl in Ternitz oder die Fischfabrik Warhanek, die aufgrund ihrer präkeren Arbeitsverhältnisse eine der ersten legalen Beschäftigungsmöglichkeiten für Migrantinnen bot, geht es bis zum Wiener Mexikoplatz als einem im öffentlichen Bewusstsein abwertend konnotierten Ort, dessen kulturelle Bedeutung in der Ausstellung gewürdigt wird.

Diese historischen Stationen gehen nahtlos über ins Heute. Die Hintergründe der Beschäftigungsverhältnisse für Zeitungskolporteure, über Adatepe, einem kleinen Dorf in der Westtürkei, aus dem mehr als die Hälfte der EinwohnerInnen nach Österreich emigriert ist und wohin 1994 die ersten PensionistInnen zurückgekehrt sind, der Lokalzeile am Naschmarkt und der zukünftige islamische Friedhof in Wien, geht die Geschichte, die die Ausstellung erzählt, weiter zum Büro der Fremdenpolizei am Hernalser Gürtel, oder dem Treffpunkt vor der Oper in Wien, wo 1993 verschiedene MigranInnengruppen gegen das Aufenthaltsgesetz demonstriert haben und sich eine neue antirassistische Szene, die vor allem von Betroffenen selbst getragen wurde, das erste Mal offensiv in der Öffentlichkeit artikulierte.

Besonders gut gelungen ist dabei, dass die Stationen aber nicht durch Einzelschicksale allein konstituiert werden, sondern auch durch gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen und Strukturen, auf die verwiesen wird. Beispielsweise bleibt auch die rassistische und nationalchauvenistische Arbeitsmarktpolitik des ÖGB ungewürdigt, der bis heute ein wichtiger gesellschaftspolitischer Faktor zur Diskriminierung nicht-österreichischer ArbeitnehmerInnen ist. So stehen die elf Orte für verschiedene strukturelle Bereiche, die Handlungsspielräume eröffnet, aber auch eingeschränkt haben.

Lisl Ponger: Phantom Fremdes Wien.

Zusammen mit „gastarbejteri“ ist auch der Film von Lisl Ponger zu sehen. Der Film kommentiert und reflektiert zwölf Jahre später die Multikulturalitätsrecherche der Künstlerin, die 1992 in Buchform veröffentlich worden war. "Fremdes Wien“ nannte die Foto- und Filmkünstlerin eine "Weltreise“ durch 70 Länder, die sie 1991 und 1992 unternommen hatte, ohne die Stadt Wien zu verlassen.

Der Film ist aber nicht nur eine Darstellung des Buches in einem anderen Medium, sondern ein ständiges Hinterfragen des damaligen Projekts, generell des „Blicks“ von MehrheitsösterreicherInnen auf MinderheitsösterreicherInnen und deren stecken bleiben in der Affirmation von „Multikulti“ in Form von Kultur, Folklore, Essen.

Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit der Initiative Minderheiten gestaltet und ist noch bis 11. April zu sehen. BesucherInnen sollten sich auf jeden Fall mindestens drei Stunden für „Gastarbejteri“ Zeit nehmen. Freitag Vormittag gibt es für alle BesucherInnen freien Eintritt, sonst macht der Eintritt 4 Euro aus (wobei es Ermäßigungen für SchülerInnen, Studis, Zivis usw. gibt).

http://gastarbajteri.at

     

aus TATblatt Nr. +208, März 2004.

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