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    Schweiz: Abschiebung: Arzt haftet strafrechtlich, aber nicht zivilrechtlich.
   
Der Tod des palästinensischen Abschiebehäftlings Khaled Abuzarifa auf dem Flughafen Zürich im März des Jahres 1999 hat für den verantwortlichen Arzt wohl strafrechtliche, aber keine zivilrechtlichen Konsequenzen. Das schweizerische Bundesgericht hat den Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung bestätigt, der mit einer bedingten Gefängnisstrafe von drei Monaten geahndet wird. Die vom Zürcher Obergericht gleichzeitig ausgesprochene Verurteilung zur Zahlung von Schadenersatz sowie Genugtuung in Höhe von insgesamt 50 000 Franken an die Mutter und zwei Brüder des Getöteten wurde dagegen aufgehoben.

Abuzarifa sollte durch Polizeibeamte der Berner Sondereinheit Enzian per Flugzeug nach Kairo ausgeschafft werden und wurde dafür gefesselt nach Zürich verbracht, wo ihm in einer Zelle der Flughafenpolizei zusätzlich der Mund verklebt wurde. Die Knebelung wurde von einem Arzt überprüft, der in einer benachbarten Zelle vom Kanton Bern mit der Abschiebung eines anderen Häftlings betraut war. Als Abuzarifa mit einem Rollstuhl zu einem wartenden Kleinbus gebracht werden sollte, war er nicht mehr ansprechbar und verstarb trotz sofortiger Beatmung durch den Arzt an einem Herz-Kreislauf-Versagen. Laut Urteil des bundesgerichtlichen Kassationshofs in Strafsachen ist der Arzt deswegen zu Recht der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen worden. Ausschlaggebend war der Umstand, dass beim Verstorbenen der rechte Nasengang durch die stark verbogene Nasenscheidewand beträchtlich eingeengt war. Das hatte der Arzt erkannt, weshalb er hätte wissen müssen, dass sich die Nasenatmungskapazität unter Stress verschlechtern könnte. Unter diesen Umständen hätte er nach Auffassung des Bundesgerichts «zumindest die Beurteilung der Atmung ablehnen oder den Rat eines Spezialisten einholen müssen».

Aufgehoben wurde nun dagegen die zivilrechtliche Verurteilung des Arztes zur Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld. Der Arzt hatte im Auftrag des Ausländer- und Bürgerrechtsdienstes des Kantons Bern einen anderen Ausschaffungshäftling begleitet. Das gilt auch für die Überprüfung der Knebelung des zweiten Häftlings. Beide Tätigkeiten erfolgten im Interesse des Kantons Bern, weshalb dieser gemäß kantonalem Personalgesetz haftet (Art. 47 Abs. 1) und nicht der Arzt selber. Die von den Angehörigen gegen ihn eingereichte Klage ist daher vom Bundesgericht abgewiesen worden.

     

aus TATblatt Nr. +208, März 2004.

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