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Flüchtlingsbetreuung:
Wer bietet weniger?

     
   

no-racism.net, bearbeitet .

     
Neben der Ausschaltung des Schubhaftsozialdienstes in Wien durch eine dem Innenministerium nahe stehende Organisation wurde auch die Bundesbetreuung österreichweit neu vergeben - an das gewinnorientierte Privatunternehmen European Homecare. Das Innenministerium macht es sich leicht - willige Organistationen werden für die Umsetzung der restriktiven Asylpolitik sorgen. Karitative Organisationen wurden ausgebootet.  

Billig, billiger, am billigsten.

- nach diesem Kriterium wurde die Flüchtlingsbetreuung in Österreich nun neu geregelt. Die deutsche Privatfirma "European Homecare" (in Österreich bekannt seit der Betreuung mit der „Rückkehrberatung von Flüchtlingen“, siehe TATblatt +192/193) wird zukünftig die Aufgabe der Betreuung der Flüchtlinge in Bundesbetreuung übernehmen. Ab 1. Juli 2003 ist European Homecare für den Betrieb der vier Bundesbetreuungseinrichtungen in Traiskirchen, Thalham, Bad Kreuzen und Reichenau zuständig. Derzeit "kostet" ein Tag in Bundesbetreuung pro Person rund 17 Euro; doch es geht auch billiger. Das will European Homecare beweisen, und bietet Bundesbetreuung zum Dumpingpreis von 12,90 Euro Tagespauschale pro Betreuung an.
Um den Auftrag zu erhalten, erstellte die gewinnorientierte Firma ein knapp kalkuliertes Angebot und wird in der Praxis danach trachten, diese Vorgaben nicht zu überschreiten. Das Innenministerium entschied sich damit gegen das Konsortium von Rotem Kreuz, Caritas, Diakonie und Volkshilfe, das ebenfalls ein Angebot für die Übernahme der Bundesbetreuung stellte. Bei diesen Preisen konnten sie aber nicht mithalten, weil sie gewisse Qualitätsstandards in der Betreuung setzen wollen (z.B. Sanierung der Großküchen auf einen Standard, der der Lebensmittelkomission standhalten würde, qualifiziertes Betreuungspersonal, etc.) und sie wurden daher nicht mit dem Auftrag betraut.

Ein Mysterium werden weiterhin die Kriterien sein, nach denen Flüchtlinge überhaupt in die vom Bund finanzierte Betreuung aufgenommen werden.  

Ein Mysterium werden weiterhin die Kriterien sein, nach denen Flüchtlinge überhaupt in die vom Bund finanzierte Betreuung aufgenommen werden.

Nach der Erlassung der Richtlinie hinsichtlich der Ausweitung der Liste jener Länder, deren Staatsangehörige von vornherein von dieser Möglichkeit ausgeschlossen sind (siehe „Kein Raum für Flüchtlinge“ in TATblatt +192/193), ist die Gruppe der Begünstigten ohnehin nur mehr relativ klein, denn der Großteil der AsylwerberInnen steht auf der Straße oder ist auf private Unterbringung durch NGO´s angewiesen. Wie der Gedanke Strassers vom April 2002, die Bundesbetreuung davon abhängig zu machen, ob die Person nach Ansicht der Behörde Chancen auf eine positive Erledigung im Asylverfahren hat, umgesetzt wird, ist noch offen.

Gesetzesänderungen im Asylbereich.

Im Asylbereich soll es zu einer Reihe von Gesetzesänderungen kommen. Die Erstabklärung soll in zwei Aufnahmezentren erfolgen, als Standorte sind die Bundesbetreuungseinrichtungen in Traiskirchen (NÖ) und Thalham (OÖ) vorgesehen. In diesen "Aufnahmezentren" sollen die Verfahren dann einheitlich abgewickelt werden - in einer "Asylstraße".

Die Asylverfahren sollen drastisch verkürzt werden. In der Regel soll die Abklärung des Asylstatus in 48 Stunden erfolgen, in Ausnahmefällen in 72 Stunden.

Wer "offensichtlich unbegründet" um Asyl ansucht, soll nach den Plänen des Innenministeriums rasch abgeschoben werden können. Als AsylwerberInnen sollen aber nur noch Personen gelten, die auch tatsächlich die Betreuung in Anspruch nehmen. Neu ist auch, dass AsylwerberInnen für die Dauer ihres Verfahrens "verfügbar" sein müssen. Wer das Aufnahmezentrum verlässt und keinen Kontakt hält, dessen/deren Verfahren soll eingestellt werden.

Rückkehrberatung.

Die deutsche Firma European Homecare ist international groß im Geschäft, in Österreich hat sie mit ihrer "Rückkehrberatung" für AsylwerberInnen allerdings einen Flop gelandet. In einer Zeitspanne von vier Monaten konnten lediglich zwanzig Flüchtlinge davon überzeugt werden, dass eine "freiwillige" Rückkehr in das Herkunftsland die bessere Variante ist. Ursprünglich geplant war, 110 Flüchtlinge pro Woche zur „freiwilligen Rückkehr“ zu bewegen. Zum Vergleich: Die Caritas, die wie andere NGO’s immer wieder ihre „Erfolge“ anführte, gelang dies bei 15 Personen pro Woche.
In den nächsten Monaten soll der Modus der Rückkehrberatung geändert werden. Die im Flüchtlingslager Traiskirchen für European Homecare errichteten Container werden wieder abgebaut, die Beratung und Unterbringung findet künftig in einem frei gewordenen Gebäude des Flüchtlingslagers statt - räumlich getrennt von den in die Bundesbetreuung aufgenommenen AsylwerberInnen.
Dadurch sollen nach Angaben des Innenministeriums geringere Kosten entstehen, auch European Homecare muss seine Preise senken. Es werde derzeit mit dem Ziel verhandelt, dass die Rückkehrberatung billiger werde, erklärte Strasser Ende Jänner. Bisher erhielt die Firma 55.000 Euro pro Monat. Von der künftigen Rückkehrberatung erwartet sich Innenminister Strasser, dass diese eine möglichst vollständige Information über Rechte, Möglichkeiten und Beschränkungen für die AsylwerberInnen bietet. Neue flexible Einsatzteams sollen gewährleisten, dass auch Flüchtlinge, die nicht im Osten Österreichs untergebracht sind, verstärkt zur Ausreise aufgefordert werden.
Laut Strasser gibt es auch keinen Grund, nur eine Organisation mit den Beratungsaufgaben zu betrauen: "Je mehr Organisationen in dem Bereich, umso besser für alle Beteiligten". Nach der Logik des Innenministers soll verstärkte "Beratung" zu mehr ausreisewilligen AsylwerberInnen führen. Bis Ende Mai soll entschieden werden, wer sich künftig konkret um die "Rückkehrberatung" von AsylwerberInnen kümmert.

 

Die Asylverfahren sollen drastisch verkürzt werden. In der Regel soll die Abklärung des Asylstatus in 48 Stunden erfolgen, in Ausnahmefällen in 72 Stunden.  

Flüchtlingsunterkunft geschlossen.

Ende Februar wurde das vorübergehend von der Stadt Wien zur Verfügung gestellte Notquartier für Flüchtlinge am Steinhof geräumt, wieder stehen von einem Tag auf den anderen 200 Flüchtlinge auf der Straße. Erst Ende Jänner war es in dieser Unterkunft zu einer Razzia gekommen, im Rahmen derer elf AsylwerberInnen festgenommen wurden (siehe TATblatt +196).

 

   


Die asylkoordination österreich kritisiert in einem offenen Brief an Innenminister Strasser die Kündigung der Schubhaftbetreuung für Caritas und Volkshilfe:

Offener Brief an Innenminister Strasser!

Mit Empörung hören wir, daß die Schubhaftbetreuungsverträge für Caritas Wien und Volkshilfe gekündigt wurden. Seit 1998 haben sich beide Organisationen bemüht, die Betreuung von Schubhäftlingen sicherzustellen, was angesichts der unzureichenden finanziellen Ausstattung von Seiten Ihres Ressorts und der Einschränkungen beim Zugang zu den Schubhäftlingen schwierig genug war.

Drei Jahre haben die Organisationen die Betreuung offensichtlich zur Zufriedenheit des Innenressorts erfüllt, eine Verlängerung des jährlich zu beantragenden Vertrags stand nicht zur Debatte.
Im Zuge ihrer Tätigkeiten konnten zahlreiche Verbesserungen in den Polizeigefangenehäusern erreicht werden, die auch vom Wachpersonal gewürdigt wurden. So wurde von Caritas und Volkshilfe beispielsweise ein kleines Wörterbuch in verschiedenen Sprachen erstellt, auf das auch Wachebeamte gerne zurückgriffen oder die Häftlinge mit nötigen Sanitätsartikeln oder Kleidung versorgt.
Im Sommer 2002 organisierten die Organisationen gemeinsam mit den Verantwortlichen im Innenministerium eine Konferenz über die Zukunft der Schubhaft, bei der von allen Seiten die Fortsetzung der guten Kooperation bestätigt wurde und gemeinsame Vorschläge für weitere Verbesserungen der Haftbedingungen erarbeitet wurden. Kein Hinweis also, daß die beiden Organisationen ihre Aufgabe nicht mit großem Engagement und Kreativität erfüllt hätten.

Wir sehen in Ihrer Vorgangsweise einen Affront gegen alle NGOs, die sich zuallererst ihrem menschenrechtlichen und sozialen Auftrag verpflichtet sehen und nicht hintanstehen, wenn es darum geht, menschenrechtswidriges Vorgehen zu kritisieren.
Gerade bei der Beratung und Betreuung von Flüchtlingen und MigrantInnen ergibt sich geradezu zwangsläufig immer wieder Anlaß zur Kritik - ich verweise hier nur auf die menschenrechts- und verfassungswidrige Richtlinie für die Bundesbetreuung hilfsbedürftiger Asylwerber.

Die von ihnen angewandte Methode, die Gründung von Organisationen zu unterstützen, von denen sie eine kritiklose Aufgabenerfüllung erwarten, wie dies nun im Fall von Menschenrechte Österreich offensichtlich erfolgt ist, erachten wir als demokratiepolitisch äußerst bedenklich . Von einem Ressortverantwortlichen würden wir erwarten, daß die Kritik erst genommen wird und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird.

Wir sind daher äußerst besorgt über die Verweigerung eines Dialogs über die asyl- und migrationspolitischen Vorhaben mit den in diesem Bereich tätigen NGOs, die als Experten die Auswirkung auf die Betroffenen am besten beurteilen können und dazu beitragen, drohende Menschenrechtsverletzungen hintanzuhalten.

Wien, 27. Februar 03
Gezeichnet von der Obfrau der asylkoordination österreich.

 

Die Organisation „Menschenrechte Österreich“, die nach den Wünschen Minister Strassers die Schubhaftbetreuung übernehmen soll, kann wohl kaum als NGO bezeichnet werden, da die Organisation lediglich zum Zweck gegründet wurde, die Schubhaftbetreuung in Wien zu übernehmen. Günter Ecker, Gründer des Vereins „Menschenrechte Österreich“, suchte bereits im Dezember Personal - zu einem Zeitpunkt, als der Verein noch gar nicht zugelassen war. Der Verein SOS Menschenrechte, der in Linz Schubhaftbetreuung macht, trennte sich letztes Jahr von Günter Ecker, wohl nicht zuletzt wegen seiner guten Beziehungen zum Innenminsterium, die eine kritische Distanz vermissen ließen.

aus TATblatt Nr. +197 März 2003.    

 

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