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  Opernballdemo 2003 ??
     
   

TATblatt.

     
Der Wiener Opernball wird heuer am 27. Februar stattfinden. Ende letzten Jahres konstituierte sich das Bündnis "Opernball angreifen!" zur Vorbereitung einer Anti-Opernballdemonstration. Die Veröffentlichung des Demoaufrufs mit einer klaren antiimperialistischen Ausrichtung sorgte für erste Proteste in der linken und linksradikalen Szene.  

Umstrittene Cartoons.

Kurze Zeit später stellte das Bündnis eine Mobilisierungswebsite vor. Auf dieser Website prangte ein großer Cartoon des brasilianischen Aktivisten und Künstlers Latuff. Die MacherInnen der Website bedanken sich in einer Fußnote bei Latuff für die Zeichnung, welcher dieser extra für das Bündnis angefertigt hatte.
Mehr noch als die inhaltliche Ausrichtung des Bündnisses war dieser Cartoon Auslöser für heftige Ablehnung bei vielen linken Gruppen und AktivistInnen. Rund um die Zeichnungen von Latuff gab es im letzten Jahr eine ausführliche Auseinandersetzung im deutschsprachigen Raum. Latuff hatte auf deutschsprachigen Indymedias eine Serie von Cartoons zum Israel/Palästina-Konflikt veröffentlicht. In den Cartoons stellte Latuff das Vorgehen des israelischen Armee auf eine Stufe mit dem Vorgehen der Nazis. Weiters gab es Cartoons in denen Latuff den vermeintlich jüdischen Einfluss auf Hollywood beklagte. Nach einigen Diskussionen entschieden sich alle deutschsprachigen Indymedias dazu, diese antisemitischen und shoahrelativierenden Latuff-Cartoons zu zensurieren.
Das Bündnis "Opernball angreifen!", ein Zusammenschluss einiger antiimperialistischer und stalinistischer Gruppen, musste wissen, daß die Veröffentlichung eines Latuff-Cartoons in weiten Teilen der Linken nicht akzeptiert werden würde. Folgerichtig boykottierten die meisten linken Gruppen Einladungen zu Vorbereitungstreffen des Bündnisses.

Alternativbündnis.

Kurze Zeit nach Veröffentlichung des ersten Aufrufes meldete sich ein "Bündnis einiger Einzelpersonen für eine kämpferische, autonome Opernballdemo" zu Wort. Dieses Alternativbündnis veröffentlichte einen eigenen Aufruf, in dem die politische Ausrichtung des antiimperialistischen Bündnisses sowie die Zusammenarbeit mit Latuff verurteilt wurde. Auch das Alternativbündnis ging mit einer eigenen Mobilisierungswebsite ins Netz.
In den Foren auf den beiden Opernball-Websites und auf indymedia.at entwickelten sich in der Folge heftige Debatten um Fragen wie: VerräterIn - ja/nein, Polizeispitzel - ja/nein, AntisemitIn ja/nein usw. Zwischen den verschiedenen Lagern und den beiden Vorbereitungsbündnissen gab es in der Folge keine Zusammenarbeit oder Koordination. Das antiimperialistische Bündnis "Opernball angreifen!" ruft zu einer Anti-Opernballdemo mit Treffpunkt Museumsquartier/Museumsplatz auf. Das Bündnis kündigte an, sich um die Demoinfrastruktur, wie Rechtshilfe, Lautsprecherwagen oder Schlafplatzbörse zu kümmern. Das Alternativbündnis sowie die Gruppe "Anarchistische Jugend außer Kontrolle" (AJAK) rufen zum gleichen Treffpunkt auf, bestehen jedoch auf eine andere politische Ausrichtung der Demonstration. Wie sich die verschiedenen Lager dann vor Ort vertragen werden, ist noch nicht geklärt. Das Bündnis "Opernball angreifen!" hat bis jetzt nichts zum Ablauf der Demonstration verlautbaren lassen. Ein etwaiges Demokonzept ist nicht bekannt.

Eskalation.

Vollends eskalierte der Konflikt schließlich Ende Jänner 2003. Da wurde bekannt, dass eine rechtsextreme Website ("Wiener Nachrichten Online" WNO) einen längeren Artikel über diese Auseinandersetzung und die bevorstehende Opernballdemonstration veröffentlicht hatte. Der Autor dieses Textes zeigt erstaunliches Detailwissen über die linke Szene und innerlinke Diskussionen. Er legt in dem Text die Auseinandersetzungen ausführlich dar und stellt sich eindeutig auf die Seite des antiimperialistischen Bündnisses. Der Autor lobt die antiisraelische und antiamerikanische Ausrichtung des Bündnisses und der geplanten Demonstration und stellt sich hinter Latuff.

Nach den jüngsten Ereignissen scheint es ausgeschlossen, dass es noch zu einer Art von Zusammenarbeit oder Koordination zwischen den verschiedenen Gruppen und Bündnissen kommt.
Wahrscheinlich werden traditionsgemäß einige hundert Leute zum Treffpunkt kommen und mal schauen, was sich so entwickelt.
 

Ende Jänner veröffentlichte das "Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes" (Doew) ein Dossier der "Aktion gegen Antisemitismus in Österreich". In diesem Dossier wird zwei antiimperialistische Gruppen ("Antiimperialistische Koordination", "Revolutionär Kommunistische Liga") "Antisemitimus im linken Gewand" vorgeworfen. Es seien "Gruppen wie die AIK", die "mit ihrer 'antizionistischen' Agitation den Antisemitismus schüren". Nach Bekanntwerden des Textes auf der rechtsextremen Website WNO wurde in der Tageszeitung "Der Standard" ein Artikel zur geplanten Opernballdemonstration veröffentlicht. Darin nimmt der Rechtsextremismusexperte des Doew, Heribert Schiedel, zu den Auseinandersetzungen Stellung. Schiedel warnt dabei vor einem "möglichen Schulterschluss" zwischen "Teilen der rechts- und der linksextremen Szene". Er stellt folgerichtig inhaltliche Übereinstimmungen zwischen einigen antiimperialistischen und rechtsextremen Gruppen fest. Es bleibt jedoch völlig unklar, warum Schiedel den antiimperialistischen Gruppen eine aktive "Querfront"-Strategie unterstellt. Eine solche aktive Zusammenarbeit ist, zumindest in Österreich, nicht gegeben.
Nach den jüngsten Ereignissen scheint es ausgeschlossen, dass es noch zu einer Art von Zusammenarbeit oder Koordination zwischen den verschiedenen Gruppen und Bündnissen kommt. Viele Gruppen aus dem undogmatischen Lager haben sich noch nicht entschieden, ob sie zur Teilnahme an der Opernballdemo aufrufen sollen oder selbst daran teilnehmen werden. Es bleibt daher unklar, wie es vor Ort an diesem Tag ausschauen wird, welche Gruppen an der Demo teilnehmen werden oder was überhaupt passieren soll. Wahrscheinlich werden traditionsgemäß einige hundert Leute zum Treffpunkt kommen und mal schauen, was sich so entwickelt. Sie werden die Reden der antiimperialistischen OrganisatorInnen gelangweilt bis angewidert über sich ergehen lassen.

Verwirrung.

Die Auseinandersetzungen rund um die Opernballdemo haben sicherlich auch die Wiener Polizei etwas verwirrt. Der Polizeisprecher sagte zum "Standard", daß sich die Behörden erst am 14. Februar zusammensetzen werden um über das Vorgehen zu beraten. Einstweilen beschränken sich die StaatsschutzbeamtInnen auf das Mitlesen der Diskussionen in den diversen Foren.

Opernballdemo 2003:
27.2.2003
Treffpunkt: vor dem Museumsquartier/Museumsplatz, 19.00 Uhr

Bündnis "Opernball angreifen!":
zentrales Motto: "Imperialistische Kriegstreiber stoppen! Kapitalismus zerschlagen!"
Mobilisierungswebsite: >>>www.geocities.com/opernballdemo

"Bündnis einiger Einzelpersonen für eine kämpferische, autonome Opernballdemo.."
zentrales Motto: "Österreich abschalten!!!"
Mobilisierungswebsite: >>>www.opernball2003.cjb.net

Diskussionen und Auseinandersetzungen:
>>>www.at.indymedia.org

Dossier der "Aktion gegen Antisemitismus in Österreich":
>>>www.doew.at

     

 

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