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Genua und die Folgen

Alles wieder gut

Ein Erdbeben nie gesehenen Ausmaßes schien sich im vergangen Summer of Resistance abzuzeichnen, als Ansoino Andreassi, die Nummer zwei der italienischen Polizei, Arnaldo La Barbera, der Chef der Antiterrorismuseinheiten, und Genuas Polizeipräsident Francesco Colucci aus ihren bisherigen Tätigkeitsfeldern entlassen wurden. Vier Monate nach dem G 8-Gipfel in Genua und einer nur schwer fassbaren Bilanz von einem Toten, 600 Verletzten und fast 300 Verhaftungen - von denen sich die meisten als rechtswidrig erwiesen haben - ist die Suche nach den Verantwortlichen schon wieder beendet. Die nach dem G 8-Gipfel in Genua abgesetzten PolizistInnen sind wieder rehabilitiert, manche wurden sogar befördert.

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Dass die Aufmerksamkeit für die Untersuchung des G8-Gipfels nachgelassen hat, ist nicht zuletzt eine Folge des Kriegs in Afghanistan. Und so bleibt Francesco Collucci der einzige, der ernsthafte Konsequenzen zu tragen hat. Andreassi und La Barbera, die zusammen mit Colucci entlassen wurden, sind rehabilitiert. Andreassi wurde kürzlich sogar zum stellvertretenden Direktor des Inlandsgeheimdienstes (Sisde) ernannt, La Barbera zur Nummer zwei des Cesis, der Koordinationsbehörde der zivilen und militärischen Geheimdienste. Für Colucci hingegen gibt es keine Gnade. Schuld daran ist allerdings nicht seine katastrophale Einsatzleitung vor Ort, sondern sein Angriff auf den Chef der Polizei, Gianni de Gennaro, vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Ereignissen von Genua. Colucci erklärte, seine Behörde sei von den aus Rom geschickten Beamten faktisch entmachtet worden.

Auch Vincenzo Canterini, der Chef der römischen Sondereinheit Celere, die für die Misshandlungen in den Schulen Diaz und Pertini verantwortlich gemacht wird, kam ohne ein Disziplinarverfahren davon. Mittlerweile ist er ein hoher Funktionär der Consap, einer rechts stehenden Polizeigewerkschaft. In dieser Eigenschaft hält er Vorträge in Polizeikasernen in ganz Italien.

Ein anderer Fall ist Alessandro Perugini, ein ehemaliger stellvertretender Leiter der politischen Polizei (Digos) in Genua. Er wurde dabei gefilmt, wie er vermummt einen Minderjährigen aus Ostia zusammentrat, der bereits festgenommen worden war. Perugini wurde für kurze Zeit nach Rom versetzt und konnte nun mit einer neuen Aufgabe nach Genua zurückkehren.

Die Berichte der zur Untersuchung des Polizeieinsatzes eingesetzten Regierungskommission hatten die Verantwortung von PolizistInnen, Carabinieri, Finanz- und StrafvollzugsbeamtInnen zwar aufgezeigt. Die Polizei verzichtete jedoch bald schon auf Strafen in ihren Reihen, die anderen Organe folgten ihr darin. Die Carabinieri leiteten vielmehr Disziplinarmaßnahmen gegen einen Beamten ein, der es wagte, die geltenden Richtlinien des Gebrauchs von Schusswaffen in Zweifel zu ziehen. Der Obergefreite Valerio Mattioli, der einzige wegen der Vorfälle von Genua bestrafte Carabiniere, wurde mit einer zwölftägigen verschärften Ausgangssperre bestraft, weil er in einem Brief an die Tageszeitung Liberazione die Verfassungsmäßigkeit des Artikels 53 des Strafgesetzbuches angezweifelt hatte. Dieser erlaubt es den Ordnungskräften, in eine demonstrierende Menge zu schießen, allein mit dem Ziel, sie aufzulösen.

Anders dürfte es wohl den Carabinieri ergehen, die Carlo Guliani erschossen haben. Der zuständige Staatsanwalt, Silvio Franz, ist dabei, die Schüsse auf Carlo Giuliani als Akt der Selbstverteidigung zu bewerten. Der junge Carabiniere, der aus dem Jeep heraus schoss, ist offensichtlich nicht nur auf seinem Posten geblieben, sondern sogar befördert worden. Die Carabinieri selbst wurden niemals aufgefordert, sich zu ihrem Vorgehen während der Demonstrationen zu äußern, nicht zu ihren Attacken, die keinen Fluchtweg offen ließen, nicht zu den 15 abgegebenen Schüssen.

Die einzigen sichtbaren Konsequenz der Ermittlungen bleibt schließlich, dass der neue Polizeiknüppel, ein zugespitzter Schlagstock, den die Polizei eigens für den Gipfel in Genua anfertigen ließ, künftig nicht mehr zum Einsatz kommt

aus TATblatt Nr. +180 vom 18. Jänner 2002

 
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