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Stellungnahme der Anti-WEF-Koordination

Anmerkung TATblatt: In der TATblatt-Ausgabe +172/73 druckten wir einen Brief einer Anti-WEF-Aktivistin ab, in dem sie einen sexistischen Übergriff während der Vorbereitungen zu den Protesten gegen das WEF in Salzburg aufdeckte. Sie forderte darin eine Diskussion, "wie mit solchen Vorfällen umzugehen ist, weil es derzeit halt schon so ist, dass die Sache im Wesentlichen das Problem von der Frau ist, die das halt irgendwie für sich regelt, sich mit der Situation abfindet oder aus dem politischen Zusammenhang zurückzieht." Die Anti-WEF-Koordination reagierte mit folgender Stellungnahme, die auf indymedia in austria und in den online-tagesnews widerstandMUND zu heftigen Diskussionen führte. Die Diskussion sollte aber auch im TATblatt damit nicht abgeschlossen sein.

 

Diese Stellungnahme zu Sexismus in der Anti-WEF-Koordination bezieht sich auf den Brief einer Aktivistin, welcher im Tatblatt (+172/173) im September veröffentlicht wurde. Wir bedauern, dass unsere erste, schriftliche Stellungnahme erst jetzt erfolgt. Dies liegt an unserer Diskussions- und Organisationsstruktur, die schnelle Entscheidungen erschwert. Dieser Text ist ein Zwischenergebnis unseres Diskussionsprozesses, er soll bewusst kein Endergebnis sein, die Diskussion geht weiter. In einigen Punkten schafften wir es nicht einen Konsens zu finden, so gab es zur Frage, ob wir dem Mann (der den in dem Brief veröffentlichten, sexistischen Übergriff letztendlich eingestand) einen Rückzug aus allen linken Zusammenhängen nahe legen sollten, verschiedene Einschätzungen. Wir werden in allen unseren weiteren Diskussionen über Herrschafts- und Machtverhältnisse versuchen, diese mit einer Kritik an geschlechtsspezifischen Unterdrückungsformen zu verbinden.

Für uns ist es selbstverständlich, dass der Mann auf dem Plenum nichts mehr zu suchen hat, damit der persönliche und politische Freiraum von uns allen und insbesondere der der betroffenen Frau nicht eingeschränkt wird. Als Anti-WEF-Koordination können wir mehrere politische Konsequenzen ziehen. Einerseits die Aufforderung an den Täter der Anti-WEF-Koordination fernzuhalten und andererseits unsere interne Auseinandersetzung über sexistische Strukturen voranzutreiben, der zuvor so gut wie kein Raum eingeräumt wurde. Solange die Anwesenheit des Täters für irgendjemanden in der Anti-WEF-Koordination ein Problem darstellt, muss dieser sich fernhalten. Wir unterstützen auch die Forderung der betroffenen Frau, dass sich der Täter zurückzieht, wenn sie aufeinandertreffen, egal wo, weil wir auch nicht einsehen, warum eigentlich wieder die Frau gehen soll( Brief einer Salzburger Anti-WEF-Aktivistin). Es soll alles daran gelegt werden der betroffenen Frau die politische Arbeit uneingeschränkt möglich zu machen. Seine persönliches Umfeld und die politischen Zusammenhänge, in denen er aktiv ist, sind aufgefordert sich mit ihm und allen sexistischen Verhaltensweisen ausseinanderzusetzen. Logische Konsequenz kann für den Täter nur sein, eine Veränderung anzustreben. Wir wollen versuchen in unseren Diskussionen unsere geschlechtsspezifisch geprägten Kommunikationsformen zu hinterfragen und uns gegenseitig darauf hinzuweisen. Es soll ein Klima geschaffen werden in dem sexistisches Verhalten jederzeit kritisiert und angegriffen werden kann.

Eine Auseinandersetzung mit sexistischen Herrschafts- und Gewaltverhältnissen darf sich nicht auf konkrete Übergriffe beschränken, es geht darum unseren Sexismus in den Köpfen zu realisieren und zu bekämpfen. Wir sollten uns von dem Irrglauben verabschieden, dass autonome Strukturen Sexismus-frei sind. Diese Arroganz ist zu einem Großteil dafür verantwortlich, dass sexistische Machtverhältnisse nur proforma Thema sind, eine Verbesserung der Situation wird dadurch verunmöglicht. Selbst Männer, die versuchen ihr Verhalten zu reflektieren, bleiben Männer und reproduzieren ob sie wollen oder nicht gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse, sprich das Patriarchat. In unserer antisexistischen Positionierung müssen wir ständig über die eigene Involvierung in das herrschende System reflektieren, um emanzipative Perspektiven aus diesem System finden zu können.

Mit unserer Stellungnahme wollen wir nicht nur zeigen, dass wir uns bewusst ist, dass sexistisches Verhalten und sexistische Übergriffe auch Teil linker Zusammenhänge ist, sondern vor allem auch Frauen bestärken in Situationen in denen sie mit sexueller Gewalt konfrontiert sind, mehr Mut zu machen, aufzustehen und "Nein" zu sagen. Vordergründiges Ziel einer solchen öffentlichen Stellungnahme und jeglicher Auseinandersetzung mit dem Thema muss es in erster Linie sein, Opfer sexueller Gewalt das Gefühl zu vermitteln, individuelle Erfahrungen im Bezug auf sexuelle Übergriffe auch in der Öffentlichkeit thematisieren zu können, statt vielleicht dem eigenen Verhalten schlussendlich die Schuld zuzuschieben.

Die Sexismusdebatte ist zu wichtig, sie darf nicht nur anlässlich eines konkreten Vorfalles thematisiert werden, sondern es muss eine ständige breite Diskussion und Auseinandersetzung stattfinden. Es geht um sexistische Übergriffe, aber es muss auch immer um patriarchales Auftreten und Sprache gehen, um Herrschaft reproduzierende Kommunikation,... Sexistische Übergriffe sind nicht nur körperlicher Natur, sie fangen dort an wo Menschen in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt werden, z.B. wenn Männer Frauen nicht ausreden lassen.

Anti-WEF-Koordination, am 17.12.2001
Email: kontakt@antiwef.org
>>>www.antiwef.org

aus TATblatt Nr. +180 vom 18. Jänner 2002

 
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