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Braune Netze
> Ein Jahr bedingte Haft wegen Nazi-Homepage
> Rückblick: Holocaust-Leugnung im Internet
> Domaingrabbing: Dokumentationsarchiv.at

Im Wiener Straflandesgericht ist am Dienstag dem 22. Mai, der Betreiber einer rechtsextremen Homepage wegen NS-Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes rechtskräftig verurteilt worden. Ein Schwurgericht verurteilte den 31-jährigen Angeklagten einstimmig zu einem Jahr bedingter Haft sowie einer Geldstrafe von 24.000 Schilling.
Hakenkreuze, SA-Abzeichen und SS-Embleme stachen den BesucherInnen von "Michael's Homepage" recht offensichtlich ins Auge. Der Neonazi verbreitete dabei nicht nur ein Sammelsurium eigener Gedanken, sondern verlinkte zu anderen Adressen, u.a. dem deutschsprachigen "Thule-Netz", die von dem/der StaatsanwältIn im Laufe des Prozesses als "Hardcore-Seiten für Nationalsozialismus" gewertet wurden.
Der Angeklagte, der auch schon mal Kontakt zu Gottfried Küssel (O-Ton dazu: "Eine Zufallsbekanntschaft. Er war ein gemütlicher Kerl."), dem Gründer der militanten Neonazi-Organisation "Volkstreue Außerparlamentarische Opposition" (VAPO), gepflegt hatte, verteidigte sich damit, "politisch nie irgendwo aktiv betätigt" gewesen zu sein. Er habe seinen Besuchern schlicht "Hardrock" anbieten wollen und "Passendes" aus dem Internet übernommen: "Leider habe ich vergessen, mich von den politischen Inhalten zu distanzieren. Das war eine Riesenblödheit. Heut würde ich das nicht mehr machen, wenn ich sehe, was dabei rauskommt." Tja, alles in allem also wirklich blöd gelaufen.
  Zuletzt stand Anfang Oktober 2000 ein 57jähriger Weinbauer aus dem Burgenland wegen Wiederbetätigung vor Gericht. Der "Hobbyhistoriker" hatte – von der vermeintlichen Anonymität des WWW ermutigt - in dem Internet-Chat "Jüdisches Forum" kurzerhand seine Vorstellungen im Bezug auf die jüngere Geschichtsschreibung preisgegeben: In Konzentrationslagern seien bis 1945 "nur" 200.000 und nicht 6 Millionen Juden "umgekommen", außerdem sei Österreich auch heute noch als Ostmark ein Teil Deutschlands.
Der Burgenländer verteidigte sich vor Gericht damit, von den anderen ChatterInnen "beleidigt" und zu solchen Aussagen "provoziert" worden zu sein. Er habe auch niemals ein Verbrechen gutgeheißen, sondern sei vielmehr dem guten Glauben unterlegen, seine Kommentare - er postete unter den mäßig originellen Pseudonymen "Weinbaumeister" und "Werwolf" - würden nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Sein Verteidiger setzte all dem jedoch noch eins drauf, als er zu erklären suchte, dass sein Mandant durch unergründlich widrige Umstände lediglich zur falschen Zeit die falschen Bücher ("Mein Kampf", "Freispruch für Hitler") gelesen habe.
Der "Werwolf" wurde schließlich an Hand seiner E-Mail-Adresse (!!!) ausgeforscht und vom Landesgericht Wien wegen Wiederbetätigung zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
  Unter der Adresse www.dokumentationsarchiv.at wird mensch seit nunmehr einigen Wochen über die "braunen Wurzeln" der SPÖ informiert. Inhaber der Domain ist Mag. Günther Schneeweiß, der im Impressum der von Andreas Mölzer herausgegebenen Zeitschrift "Zur Zeit" - auch diese ist übrigens seit Anfang des Jahres online - für Produktion, EDV und Layout verantwortlich zeichnet. Adressiert mit schneeweiss@dokumentationsarchiv.at ergingen E-Mails übrigens auch schon an diverseste Stellen.
Neben der Vergangenheit der SPÖ hat es den GestalterInnen der Seite aber offensichtlich auch die Auseinandersetzung mit "Homosexualität" angetan. So finden sich unter der Überschrift "'Menschen wie Du und ich …?' - Kampflesben, Tuntenterror oder berechtigte Anliegen?" Meldungen über "Kinderschänder", "Homopriester", sowie Namen zahlreicher schwuler bzw. lesbischer AktivistInnen und "Privatpersonen". Ein Vorgehen, dass stark an die sogenannte "Anti-Antifa"-Aktivitäten von Neonazis erinnert, die sich schon länger darauf konzentrieren, Namen und Adressen von AntifaschistInnen im Internet zu veröffentlichen.
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>>>www.doew.at
 

aus TATblatt Nr. +167/168 vom 15. Juni 2001
 
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