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Lufthansa Goes Offline

In knapp zwei Wochen, dem 20. Juni 2001 um 10 Uhr, findet sie statt: Die Online-Demonstration gegen Lufthansa, initiiert von "kein mensch ist illegal", Kanak Attack, Libertad! und dem Electronic Disturbance Theatre (EDT), das schon 1998 eine der ersten Online-Demonstrationen organisiert hatte.

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Das EDT stellte damals ein Internet-Werkzeug bereit, mit welchem mexikanische Regierungsserver zum Zusammenbruch gebracht wurden, um gegen die Massaker der Armee in Chiapas zu protestieren. Dieses Prinzip dahinter: Mittels eines bereitgestellten Werkzeuges wird ein bestimmtes Netzwerk zum ausgemachten Zeitpunkt von möglichst vielen Menschen mit Datenmüll überflutet bzw. eine ausgewählte Homepage besucht. Die technischen Voraussetzungen dafür sind relativ simpel: JedeR mit eigenem Computer kann an der Aktion teilnehmen.

Damit eine breite und effektive Demonstration zustandekommen kann, wird etwa ab dem 10. Juni unter der Adresse >>>http://go.to/online-demo oder >>>http://stop-depclass.scene.as eine - natürlich kostenlose - Online Protest-Software angeboten, die sich DemonstrationsteilnehmerInnen von dieser Seite möglichst vorab herunterladen können - und sollen. Am Mittwoch, 20.6.01 soll pünktlich morgens um 10.00 Uhr, nachdem eine Verbindung mit dem Internet hergestellt worden ist, das Programm von den eigenen Rechnern aus gestartet werden. Die Software fragt ausschließlich von der Lufthansa bereitgestellten Internetseiten ab. Sie automatisiert das Zugreifen auf die Internetseiten der Lufthansa. Die Zugriffe mit Hilfe der Software geschehen in einer Geschwindigkeit, die manuell, d.h. etwa durch das wiederholte Laden der Lufthansa-Seiten in einem Internetbrowser, nicht möglich ist. Die Software dringt weder in fremde Rechner ein, noch werden durch sie fremde Daten zerstört oder verändert. Auf dem eigenen Rechner verursacht sie weder Registrierungseinträge noch nimmt sie Veränderungen vor. Sie kann einfach durch Löschen wieder vom Rechner entfernt werden.

In der Vergangenheit machten vor allem Gruppen aus antirassistischen, radikalökologischen oder tierbefreierischen Zusammenhängen von dieser Aktionsform Gebrauch. Im Sommer letzten Jahres dachten auch Mitglieder der deutschen Bundesregierung vermehrt laut darüber nach, mit Hilfe dieser Technik Nazi-Homepages lahm zu legen, die bislang eigentlich außerhalb des Zugriffs deutscher Behörden - sprich im Ausland – liegen.

Auszug aus dem Aufruf zur Demo:

Tag für Tag sind es über hundert Menschen, die von der Lufthansa mit Gewalt in ein anderes Land verfrachtet werden, nur weil sie keinen deutschen Pass haben - und noch viel mehr müssen ständig mit der Bedrohung leben: Morgen könnten sie kommen, um mich zu holen. Jedes Jahr werden etwa 40.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Und der deutsche Staat, seine Behörden und Polizisten, die sich dieses Unrecht anmaßen, können dabei bequem auf das weltweite Verbindungsnetz der Lufthansa zurückgreifen. Die größte Fluglinie Europas stellt ihre Direktverbindungen willfährig zur Verfügung und machte sich zum Handlanger der europäischen Abschiebepolitik. Kein Zufall, dass sich beide Todesfälle bei Abschiebungen aus Deutschland - Kola Bankole 1994 und Aamir Ageeb 1999 - in Lufthansa-Maschinen ereigneten.

Für die Lufthansa ist das alles business. Ein verkauftes "deportee-ticket" unterscheidet sich in der Konzernbilanz nicht von einem Urlaubsflugschein. Aber deportation business ist kein business as usual. Es ist ein schmutziges Geschäft.

Die Lufthansa bereitet die Umstellung ihrer Verkaufs- und Vertriebsstrategie auf das Internet vor. Aber die Manager sollten sich nicht dem Gedanken hingeben, diese Verlagerung der Geschäfte ins Virtuelle könnte bedeuten, dass nun keine Demonstrationen mehr den reibungslosen Ablauf stören, wie dies in Reisebüros und vor Flugschaltern der Fall ist. Dies wäre nur durch einen Rückzug aus dem Abschiebegeschäft zu erreichen.

eCommerce? Wir können auch eProtest. Lufthansa Goes Offline.

Alles nähere findet ihr unter: http://go.to/online-demo
 

aus TATblatt Nr. +167/168 vom 15. Juni 2001
 
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