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How to Kill ... HLS

Die britische Tierrechtsbewegung führt derzeit ihre wichtigste Kampagne seit Bestehen: Den Ruin von Huntington Life Sciences. Mit den Monaten hat sich herausgestellt, daß die direkten Gegner die US-Präsidenten Bush und Clinton, die britische Regierung, mehrere weltweit tätige Banken und ein gutes Dutzend Multis sind. Trotzdem wankt HLS. Im Tagesrythmus ziehen anscheinend unverwundbare "Global Player" der Finanzwelt ihre Unterstützung zurück.

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Begonnen hatte HLS 1951 mit einem Standort in England. Die Firma wuchs zum größten Versuchslabor Europas, in dem pro Jahr 180.000 Tiere getötet werden. HLS wurde 1981 erstmals öffentlich bekannt, als eine Tierschützerin dort zwei Monate arbeitete. Ein Tierexperimentator sagte damals gegenüber Sarah Kite, daß die verwendeten Tiere bei HLS "bei lebendigem Leib verwesen".
1997 gelang es ohne Wissen voneinander gleich zwei Untergrundaktivistinnen HLS zu infiltrieren. Zoe Broughton drehte einen verdeckt aufgenommen Film, der über das Fernsehen lief und die Öffentlichkeit schockierte, weil etwa Hunde geizeigt wurden, die in ihrem eigenen Blut saßen und mißhandelt wurden. Vor den Toren der Firma in Huntington entstand ein Protestcamp, dessen Vertreibung die Firma 250.000 Pfund kostete.
Der zweite Film entstand in den USA durch Michelle Rokke von der Tierrechtsgruppe PETA und zeigte Versuche an Affen für den Konzern Proctor & Gamble. Der Film führte dazu, daß einige Auftraggeber in den USA ihre Aufträge zurückzogen.
Eine weitere Infiltration gelang im Jahr 2000 in England, als die Versuche für das Novartis-Unternehmen Imutran dokumentiert wurden. Dieser erneute Skandal, es handelte sich um Xenotransplantationsversuche an Affen, führte zur Einsetzung einer Untersuchungskommission der Regierung und zu Schlagzeilen auf den Titelseiten der Zeitungen. Novartis verlegte daraufhin seine Versuche in die USA, weil "das Klima dort besser wäre".
Ende 2000 arbeitete der/die bisher letzte TierrechtsaktivistIn bei HLS, diesmal in Occold. Dort wurden alle möglichen Mißstände, wie extreme Vernachlässigung der Tiere, Alkohol- und Drogenkonsum während der Arbeitszeit usw. festgestellt.

Stop Huntington Animal Cruelty

Als Reaktion auf diese Reports und als Folge der Siege gegen diverse Tierzuchtfarmen für Labore, die allesamt schließen mußten, wurde 1999 aus bestehenden Initiativen heraus SHAC gegründet, mit dem alleinigen Ziel HLS zu schließen. Die Taktiken der Gruppe zielen darauf ab, die Firma zu schädigen, indem ausnahmslos alle Investoren, Auftraggeber, Kreditgeber und sonstige Finanziers von HLS so lange bearbeitet werden, bis sie die Verbindungen zu HLS abbrechen. Dazu werden laufend Demos bei HLS, sowie bei den irgendwie verbundenen Unternehmen abgehalten. Bei den HLS-Demos erscheinen häufig etwa 1.000 DemonstrantInnen, außerdem führen nächtliche AktivistInnen eigenständige Aktionen gegen das Labor und gegen Autos und Häuser der Angestellten von HLS durch. Bisher wurden elf Autos von Angestellten abgefackelt. Auch aus diesem Grund ist die Personalfluktuation auf der Rekordhöhe von statistischen vier Monaten zwischen Eintritt und Kündigung.

Die Banken

Hauptziel der Kampagne sind die Banken, da sie die ansonsten längst bankrotte Firma am Leben halten. Schon kurz nach Beginn der Aktionen in Bankfilialen, wo geschockten KundInnen Originalaufnahmen von Tierversuchen bei ihren Bankgeschäften gezeigt und einige Vorstandbüros in London besetzt wurden, gaben die Dresdner Kleinwort, ein Bank der Dresdner Bank, die deutsche WestLB und eine der größten Banken der Welt, die HSBC (Hong Kong Shanghai Banking Corp.), auf und ließen HLS fallen. Barclays, Merrill und Citibank folgten, bis Ende 2000 die Royal Bank of Scotland mit einem riesigen uneinbringlichen Kredit und unangenehmen Demos alleine dastand. Die RBoS stellte den Kredit fällig und HLS war bankrott.
Doch dann reisten britische Minister in die USA und beknieten US-Präsident Clinton, der aus Little Rock in Arkansas stammt, und siehe da, es fand sich ein neuer Großinvestor: Stephens Inc. Stephens Inc. hat nicht nur beste Kontakte zum ehemaligen Gouverneur, sondern auch zum neuen Präsidenten. Bush jun. läßt seine privaten Ölinvestitionen durch Stephens Inc. verwalten.

Die AktionärInnen

Eine Kernstrategie ist schlicht HLS seiner AktionärInnen zu berauben. Das gelang sehr schnell, da diese zu Hause besucht wurden bzw. bei Uneinsichtigkeit vor ihren Häusern demonstriert wurde. Neben den KleinaktionärInnen verließen auch die AktienhändlerInnen fluchtartig das Geschehen, sobald sie die Proteste erreichten. Zu diesen HändlerInnen gehörte immerhin auch Philips Drew, eine Firma der US-schweizerischen Großbank UBS. Auch der Pensionsfonds der britischen Labour Party stieß seine 70.000 Aktien an HLS letztlich ab, obwohl Premier Blair dagegen war.
Seit kurzem ist die HLS-Aktie nur noch 2,5 Pence wert, verglichen mit 3 Pfund vor drei Jahren. Außerdem gibt es, nachdem sie schon vorher von der New Yorker Börse genommen wurde, nun auch in Großbritannien keinen Händler mehr, der sie führt.

Die Auftraggeber

Bei HLS ließ in der Vergangenheit alles was im Großbusiness Rang und Namen hatte forschen. Doch auch von diesen gaben zahlreiche auf, nachdem sie sich öffentlich angeprangert sahen, oder die Direktoren mit frühmorgendlichen oder spätabendlichen Demos vor ihren Wohnsitzen konfrontiert sahen, wobei die ganze Nachbarschaft erfuhr, womit das ehrenwerte Mitglied der Gesellschaft sein Geld macht. Ein Beispiel dafür ist die Biotechnologiefirma Adprotech, die bei HLS Versuche an Affen durchführen wollte. Eine detaillierte Information über die Zustände bei HLS und drei Demos vor den Wohnsitzen der Direktoren führten innerhalb von drei Tagen zu der Zusage, daß Adprotech niemals Versuche bei HLS in Auftrag geben wird. Zu den Ex-Kunden zählen auch Diamyd Medical aus Schweden und die British Biotech PLC.

Hysterieausbrüche

Da diese für die Industrie katastrophalen Nachrichten in Tagesabständen hereinbrechen, ist das Nervenkostüm der Manager nun dünn gestrickt. Als Anfang Mai die Allied Irish Bank ihren Kredit an HLS, der Teil des Rettungspakets mit Stephens Inc. gewesen war, fällig stellte, warf der britische Innenminister Straw der Finanzwelt Feigheit vor. Für den Rückzug der AIB hatte lediglich die Ankündigung von Demonstrationen vor Filialen in Irland genügt. Daraufhin schrieb die Vereinigung britischer Pharmazieunternehmen einen Brief an die NatWest Bank, in dem aufgefordert wurde, daß die NatWest gegen Tierrechtsproteste Widerstand leisten soll. Das Management der NatWest verweigerte jeden Kommentar. Schließlich konnte die NatWest als ehemaliger Kreditgeber an HLS schon Erfahrung sammeln, als die Kartenautomaten der Bank landesweit mit Kleber bestrichenen Karten verstopft wurden.

Internationalisierung

Als Reaktion auf die Internationalisierung der Finanzierung und den heftigen Widerstand in Großbritannien hat sich der Widerstand ebenfalls internationalisiert. Brennpunkt sind hier die USA mit direkten Aktionen gegen die HLS-Niederlassung in New Jersey und gegen Stephens Inc. Eine Tagung von Stephens Inc. in Las Vegas wurde durch Erstürmung gestört, DemonstrantInnen folgten den Gästen der Firma auf den Golfplatz. Stephens Inc. verdient besondere Aufmerksamkeit, ist doch der Chef Warren Stephens ein alter Patriarch, der die übrige Finanzwelt als "ziemlich rückgratlos" bezeichnet. Allerdings hat auch Stephens bereits erste Erfahrungen gemacht. Seit dem Kauf von HLS-Aktien im Jahr 1998 für 5 Millionen Pfund ist der Wert auf 1,1 Mio. Pfund gesunken. Stephens soll deshalb bereits etwas besorgt sein, munkelt das Wall Street Journal, auch weil er den Widerstand offensichtlich nicht richtig eingeschätzt hat. SHAC hatte bespielsweise dazu aufgerufen zu einem bestimmten Zeitpunkt die Homepage anzuwählen, was genügend Personen taten, worauf Stephens mehrere Stunden offline ging.

Zukünftiges

Derzeit sind die Bank of New York, deren Filialen und Zentralen in England und den USA laufend besetzt werden, und die Auftraggeber für HLS Ziel der Aktionen. Mehrmals pro Woche verbarrikadieren sich DemonstrantInnen in Büros von Stephens Inc. Stephens reagiert mit Privatklagen, die Polizei mit Repression.
Gegen den größten Auftraggeber von HLS, den Pharmamulti GlaxoSmithKline, läuft ein internationaler Boykott, wie auch gegen andere notorische HLS-Förderer. Darunter sind besonders Novartis mit seinen extrem unnötigen und extrem grausamen Versuchen der Organverpflanzung (Xenotransplantation), aber auch Pfizer und Roche. Der Britische Arzneimittlerzeugerverband hat Banken mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen gedroht, wenn sie dem Druck der TierrechtlerInnen nachgeben.
In Kürze werden auch in Japan regelmäßige Demos zum Alltag gehören. Mehrere SHAC-Mitglieder haben sich dorthin aufgemacht, um gegen den japanischen Pharmakonzern Yamanouchi zu demonstrieren und den dortigen Widerstand aufzubauen.
Neben politischen Kampagnen gelingt es TierrechtlerInnen erstaunlicherweise aber noch immer, HLS auch direkt anzugreifen. Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen als Folge von Demos und Belagerungen wurden am 4. April aus dem HLS-Labor in New Jersey Hunde befreit.
Als nächste Stufe zum bisherigen sind Demos vor den Häusern von Angestellten von Stephens Inc. in den USA geplant, eine Methode, die auch die Royal Bank of Scotland zum Rückzug gezwungen hat. Weitere Ziele sind momentan die US-Bank Comerica eben Yamanouchi (mit Niederlassungen in vielen europäischen Ländern).
Der Schritt kommt zur rechten Zeit, hat doch HLS erstmals in seiner Firmengeschichte die Generalversammlung von England in die USA verlegt.
"So lange Huntington Life Sciences jeden Tag 500 Tiere in seinen Laboratorien tötet werden wir die Kunden angreifen. Globale Firmen müssen und werden im globalen Maßstab verfolgt werden. Die Botschaft ist eine einfache. Wenn sie Huntington Life Sciences nutzen, dann werden wir ihnen durch die Welt folgen. Stoppen sie die Nutzung von HLS und wir hören damit auf, sie zu verfolgen", erklärte ein Sprecher von SHAC anläßlich der Kampagne gegen Yamanouchi der Businesswelt.

Kontakte:
Stop Huntington Animal Cruelty (SHAC)
PO Box 381
Cheltenham
Glos, GL50 1YN
England
Internet: >>>www.shac.net
sowie: >>>www.shacusa.net
und: >>>www.stephenskills.com
Auf den Internetseiten sind laufend - sehr aktuelle! -Infos zum Stand der Dinge zu erfahren. SHAC gibt eine Zeitung heraus, die gegen Spende bezogen werden kann.
Aktuelle Infos gibt es in allen Zeitschriften der Tierrechtsszene in den USA und Großbritannien, also etwa in NoCompromise (>>>www.nocompromise.org).
Für AlternativtouristInnen: Am Hauptsitz in Huntington bei Cambridge gibt es mindestens einmal in der Woche eine Demo, bei der die Angestellten gebührend empfangen werden.
 

aus TATblatt Nr. +165 vom 10. Mai 2001
 
 
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