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No Global Forum, Neapel, 14.-17.3.01

Il Manifesto, www.italy.indymedia.org, usw.

Die Aktionstage gegen das GLOBAL FORUM der OECD verliefen turbulent und abwechslungsreich. Schon am Mittwoch kam es im Rahmen einer Streetparty zu einem gefährlichen Polizeiübergriff: Ca. 3500 Jugendliche tanzten friedlich zu Tekknoklängen. Einer kleinen Gruppe von AnarchistInnen war das zuwenig, sie kritisierten die konformistische und konfliktvermeidende Ausrichtung der Protestveranstaltung und forderten in Plakaten den direkten Klassenkampf. Nach einem Geplänkel mit der Ordnungsmacht fuhren dann plötzlich mehrere Polizeifahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit in die Partymenge, nur durch ein Wunder wurde niemenschd verletzt. Am Donnerstag wurden durch einen Netstrike mehrere Server und E-Mail-Adressen der OECD und des Global Forum blockiert. Am Freitag gab es mehrere, kleinerere Aktionen: Gruppen von bis zu 100 Menschen demonstrierten, machten Plakataktionen, agitierten vor Schulen, überpinselten Überwachungskameras und beschädigten ein Fast-Food-Restaurant.
Der Höhepunkt war aber zweifellos die Großdemonstration am Samstag. Ab 9.00 Uhr sammelten sich Tausende DemonstrantInnen vor dem Hauptbahnhof. Drei gemietete Global Action Expresses aus Rom, Mailand und Sizilien kamen im Laufe des Vormittages. Die Demo setzte sich aus vielen Blöcken zusammen, unter anderem COBAS (linke Gewerkschaften), KurdInnen, Rifondazione Comunista, eine kleine Gruppe in weißen Overalls, Studierendengewerkschaft, verschiedene Centro Sociale, der obligate schwarze Block usw.
Flugblätter gab es nur sehr wenige, zum spezifischen Anlaß des OECD-Treffens, oder ihrem Diskussionsthema e-government (=die Verbindung von plebiszitären, demokratischen Elementen und Mitteln mit neuen Kommunikationstechnologien wie dem Internet) gab es überhaupt wenig sachlichen Bezug. So dominierte der fundamentaloppositionelle Aspekt des "Volkes von Seattle", wie sich die DemonstrantInnen bezeichneten.
Die Demo mit 20 - 30.000 Menschen setzte sich langsam in Bewegung, über die Hauptstraße ging es zur Piazza Munizipio. Viele Seitengassen waren von der Polizei blockiert. Der kleine schwarze Block (~200), verstärkt durch eine griechische Delegation von ca. 50 Anarch@s entglaste am Weg zwei lokale Banken, ein Kreditinstitut und eine Scheibe der Deutschen Bank. Bei Addequo, einem privaten Arbeitsmarktvermittlungsinstitut drangen die AktivistInnen ein, zerstörten Computer und warfen die Einrichtung auf die Straße. Dies führte zu ersten Polizeiangriffen. Kurz darauf lief die Demo auf die Piazza Municipale und damit in einen riesigen Kessel, da der Platz von allen Seiten umstellt war.
Einige hundert militante AktivistInnen, durchwegs mit Knüppeln, Helmen und Gasprotektoren ausgerüstet, formierten sich und begannen mit großen Plexiglastafeln und zusammengerollten Isoliermatten die Polizei abzudrängen, um direkt zu dem Konferenzzentrum zu gelangen. Nach drei "Schiebe"-Angriffen schlug die Polizei eine Bresche, schoss mit Gummischrott und sehr viel Gas. Einige wenige Steine und Stockprügeleien blieben die Gegenwehr. Zeitgleich wurde die gesamte Demo von allen Seiten mit Tränengas beschossen, viele friedliche DemonstrantInnen hoben ihre Hände, Panik brach aus, alle suchten Fluchtwege. Es kam zu Szenen, die wir in Wien schon lange kennen: Journalisten, eine schwangere Frau, alte Menschen, ja sogar zwei Zivilpolizisten wurden mit Gewehrkolben und Knüppel verprügelt sowie mit Stiefeln getreten. Dutzende mussten mit schweren Verletzungen ins Spital. Die gesamte Auseinandersetzung dauerte nur etwa 30 Minuten, beim Rückzug brannten noch einige Container.
Danach trafen sich viele wieder vor der besetzten Universität der Bodenkultur, wo auch die Rechtshilfe und das Sanitätszentrum untergebracht waren.
Ca. 70 Menschen wurden verhaftet, aber bald wieder entlassen. Ein für 16.00 angesetzter Aufmarsch der "Forza Nuovo", eine neofaschistische Partei, die durch den Anschlag eines ihrer Mitglieder auf die linke Tageszeitung Il Manifesto bekannt wurde, wurde aus Angst vor Angriffen abgesagt.
Am Abend fand ein Openair-Konzert statt, eine geplante Bahnhofsblockade zur Freilassung der letzten zwei Gefangenen unterblieb, da die meisten lieber ihren Sitzplatz in einem der Züge besetzten.
Der brutale Polizeieinsatz wurde stark kritisiert, vor allem die Prügeleinsätze stießen auf Unverständnis. Das "Volk von Seattle" bewertete die Demo als Teilerfolg und Generalprobe, und kündigte an in Genua gegen das G8-Treffen im Juli 100.000 Menschen auf die Straße bringen zu wollen.

weitere Informationen zu antikapitalistischen Aktionen:
http://www.noglobal.org
http://www.no-racism.net/global
http://www.antiwef.org
http://www.agp.org
 

aus TATblatt Nr. +163 vom 13. April 2001
 
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