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Earth First
20 Jahre keine Kompromisse

Rezension: Earth First!: An Introduction.

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Anlässlich des 20jährigen Bestehens von Earth First! erschien die Ausgabe Nov./Dec. 2000 des Earth First! Journal als dicke Reminiszenz der radikalsten legal arbeitenden Umweltgruppe der Welt. Von Anfangsgeschichten mit fünf Gründungsmitgliedern, wie sie jede soziale Bewegung kennt, über Siege und Niederlagen bis hin zur heutigen Bewegung mit über zehntausend Zugehörigen, die meisten davon in den USA, Großbritannien und Australien. Gruppen gibt es heute auch in Tschechien, Russland, der Ukraine, den Niederlanden, Irland, Israel, Finnland, Deutschland, Indien, Südkorea, Spanien, Polen, Irland, Kanada, den Philippinen, Südafrika und Schweden. EF! wird sowohl von GegnerInnen wie auch UnterstützerInnen als "schärfste Schneide" des Umweltschutzes gehasst oder gefeiert, je nachdem.

EF! entstand als Antithese zu lobbyistischen Umweltorganisationen, die im Zeichen eines abnehmenden Umweltbewusstseins im Gründungsland der modernen Umweltbewegung, den USA, schrittweise in Form von Kompromissen Wildnisgebiete, auch solche in Nationalparks, zur Plünderung freigaben, und damit mit Jobs für ihre RepräsentantInnen belohnt wurden. Daher war der erste gemeinsame Nenner bis heute "No Compromise". Organisatorisch ist die Gruppe der EF!erInnen zwar alleine in den USA auf ca. 10.000 Zugehörige gewachsen, Organisation gibt es aber noch immer keine. Das EF! Journal ist das Sprachrohr der Bewegung, die einzelnen Gruppen in den Bundesstaaten machen ihre eigene Politik und die Vielfalt der Methoden wird solange anerkannt, solange keine Lebewesen zu schaden kommen und die Erde kompromisslos verteidigt wird.

Zur Berühmtheit von EF! trug wesentlich die unverblümte Befürwortung von Sabotage von Beginn an bei. 1975 erschien der Roman "The Monkeywrench Gang" von Edward Abbey, in dem vier Leute durch Arizona und Utah ziehen und Plakatwände umsägen, Bulldozer im Dutzend vernichten und sonstigen Sinn treiben. Abbey hatte als Vorlage die Gründungsmitglieder von EF!, die als stark verzerrte Vorlage dienten, genommen. Das Buch wurde ein Kassenschlager. Wenig später erschien "Ecodefense", das bis heute klassische Anleitungshandbuch für Sabotageakte aller Art gegen Zerstörer der Erde.

Mit den Jahren erweiterten sich sowohl der Fokus als auch die Methoden. Aktionen gegen die Zerstörung der nordamerikanischen Wildnisgebiete sind noch immer eine zentrale Sache, aber es bildeten sich auch Allianzen mit indigenen Gruppen und nichtweißen Minderheiten, Verbindungen mit radikalen Gewerkschaften gegen Ausbeutung von Umwelt und Menschen durch ein und dieselben Konzerne, internationale Vernetzungen und viele neue Aktionsformen. Aus diesen Erfahrungen heraus wurde z.B. das sogenannte "tripod" entwickelt, eine Konstruktion mit drei Holzstangen, in deren Mitte ein Aktivist in großer Höhe sitzt und mit der Straßen mit wenig Aufwand stundenlang blockiert werden können. Seit Jahren schleudert die Biotic Baking Brigade von EF! PolitikerInnen und Wirtschaftsleuten, aber auch von der Industrie korrumpierten Ex-UmweltaktivistInnen vegane Torten ins Gesicht, wofür einige "agents" der BBB bereits für mehrere Monate ins Gefängnis gingen.

Repressionsmaßnahmen gab es viele, bis hin zum Bombenanschlag der Bundespolizei FBI auf zwei AktivistInnen. Beide überlebten zwar, eine AktivistIn jedoch nur knapp und mit unheilbaren Behinderungen, als eine Autobombe unter ihrem Sitz hochging.

Das Heft des EF! Journal ist eine gute Gelegenheit, einmal eine etwas andere Herangehensweise und soziale Kultur einer radikalen Bewegung kennen zu lernen, die ziemlich sehr anders als die europäische ist. Die wichtigste Gemeinsamkeit von EF! ist wohl heute das Verschiedene im Gemeinsamen (unity in diversity) zu achten und trotzdem an einem Strang zu ziehen. Die Debatten sind streitbar, offen aber letztlich tolerant, was auch das Heft widerspiegelt.

EF! hat wohl über den Umweg über Großbritannien viel dazu beigetragen, dass in manchen Ländern Europas eine entmutigte Umweltbewegung wieder Mut gefasst und zu neuen Aktionsformen gefunden hat. Nicht zuletzt war es aber auch der Gründer Dave Forman, der wegen unüberbrückbarer Differenzen seit 1990 nicht mehr bei EF! ist, der noch in der Breschnew-Ära im Zuge eines offiziellen Austauschbesuches zwischen den USA und der Sowjetunion Exemplare von Ecodefense nach Moskau schmuggelte. In Russland gibt es heute die Rainbow-Keepers als Dachgruppe für 30 regionale Gruppen, die beispielsweise die Hochgeschwindigkeitsstrecke St. Petersburg - Moskau bekämpfen oder die Machenschaften der Atommafia.

Earth First!: An Introduction.
EF! Journal, November-December 2000, 7,95 US$ ohne Porto (einfach 10$ in ein Kuvert und hinschicken)
Earth First! Journal
POB 3023
Tucson, AZ 85702
USA
 

aus TATblatt Nr. +162 vom 29. März 2001
 
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