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Gesicht zeigen ist zu wenig
    Gleiche Rechte für alle!
von: ANAR
  ANAR ist integraler Bestandteil der >>WWP 
  (Wiener Wahl Partie) und betreibt somit in Koalition mit der Demokratischen 
  Offensive die Demonstration am kommenden Freitag, 16.3, 
  ab 18.00 Uhr am Stephansplatz. ANAR verbindet den politischen Charakter 
  dieser Demonstration v.a. mit dem Slogan "GLEICHE RECHTE FÜR ALLE". 
  Nachdem in den letzten Tagen vermehrt der Aufruftext "GESICHT ZEIGEN, STIMME 
  ERHEBEN" in den Mittelpunkt gerückt ist, hat sich ANAR zu einem kritisch-solidarischen 
  Demonstrationsaufruf entschlossen:
JA zu Demonstrationen gegen Rassismus in Österreich.
  JA zur Forderung "GLEICHE RECHTE FÜR ALLE". ...
  aber: "GESICHT ZEIGEN" ist ZU WENIG !!!
Die Demonstration als eine Form der Meinungsäußerung hat im letztem 
  Jahr durch die Donnerstagsdemonstrationen eine Öffentlichkeit erreicht, 
  die in Österreich noch vor kurzem unvorstellbar war. Diese Form des Protests, 
  nicht die öffentliche Volksbelustigung wie Donauinselfest oder Lichtermeer, 
  soll eine Fortsetzung finden. Die Demokratisierung der Gesellschaft können 
  wir nur erreichen, indem wir Räume in Anspruch nehmen, die früher 
  nur den VertreterInnen der hegemonialen Ordnung reserviert waren. Darum spricht 
  sich ANAR für die Demonstrationen am 16.03.01 aus. Unbestritten ist der 
  Prozess der Veränderung, der zurzeit um uns herum stattfindet. Es kommt 
  zunehmend ins Blickfeld, dass das österreichische sozialpartnerschaftliche 
  System jahrzehntelang eine höchst rassistische Ausschließung gepflegt 
  hat. Doch dieser Einblick in die Struktur ermöglicht uns noch lange nicht 
  - mangels einer vorhandenen politischen Opposition - diese auch zu ändern. 
  Hinzu kommen die ununterbrochenen Versuche, den Widerstand zu kriminalisieren 
  und medial zu verfälschen. Den Preis dafür zahlt die ganze Gesellschaft. 
  Eine konsequente weitere Inanspruchnahme der öffentlichen Räume - 
  ohne Präsenz derjenigen, die an dieser Situation schuld sind - ist eine 
  sehr wichtige Möglichkeit, den Widertand zu perpetuieren, einen Widerstand, 
  der konsequenterweise gegen das gesamte System der Unterdrückung vorgeht. 
  Und wir haben nichts dagegen, wenn der Staat Österreich - Jahrzehnte nach 
  der Unterzeichnung des Staatsvertrags - durch die gegenwärtigen Demokratisierungsversuche 
  große Fortschritte erlebt. Unsere Richtung ist es, konsequent gegen den 
  Rassismus vorzugehen und diesen in allen seinen Ausprägungen zu bekämpfen.
  Eines der Mittel, die ANAR dafür ausgewählt hat, ist die Demonstration 
  am 16.03.01 am Stephansplatz. Die ANAR fordert GLEICHE RECHTE FÜR ALLE. 
  Wir fordern diese Rechte Jetzt und Hier. Keine Gruppe in der Gesellschaft soll 
  sich mit Krümeln zufrieden geben. Der Platz aller hier lebenden Menschen 
  ist am Tisch. Auf der Bühne am Stephansplatz wird die Parole GLEICHE RECHTE 
  FÜR ALLE den zentralen Platz einnehmen. Für den Aufruf zur Demonstration 
  wurde jedoch die Parole "Gesicht zeigen! Stimme erheben!" ins Zentrum 
  gestellt. ANAR will nun verhindern, dass durch den Aufruf die Demonstration 
  ähnlich wie in Deutschland, als ein Aufstand der Anständigen angesehen 
  wird. "Gesicht zeigen" REICHT NICHT!
  Wie das Ziel, das Gesicht zu zeigen - gegenüber der Situation, wo MigrantInnen 
  auf der Straße von der Polizei umgebracht werden - erreicht werden soll, 
  wird nur insofern festgelegt, als vom "Aufstand gegen rassistische Ausgrenzung" 
  die Rede ist. Rassismus ist längst ein Bestandteil des Systems selber, 
  am besten qualifiziert durch die so genannte "Ausländergesetzgebung". 
  Für MigrantInnen gibt es in Österreich auf keiner einzigen gesellschaftlichen 
  Ebene eine Möglichkeit zu partizipieren; Österreich als Staat brachte 
  Gesetze mit dem Ziel der "Strukturbereinigung des Gastarbeiterproblems" 
  zustande, mittels dem mehrere zehntausend Menschen aus dem Land gejagt wurden; 
  Gesicht zu zeigen hat man Gelegenheit genug gehabt und in mehreren Großdemos 
  zu zeigen versucht. Das hat zu nichts geführt. Der Rassismus ist im Allgemeinen 
  in Österreich weder ein Stammtischproblem noch eine Sache, die nur die 
  rechtsradikalen Jugendlichen betrifft, sondern eine Angelegenheit von gesamtgesellschaftlichem 
  Interesse, über das wir (spätestens jetzt, wo sich herausstellt, dass 
  wir in einem Land ohne Opposition leben) unverkrampft diskutieren sollten. Im 
  vergangenen Jahr haben wir diese Diskussion angefangen und uns dadurch zumindest 
  die Möglichkeit der Entwicklung einer positiven gesellschaftlichen Perspektive 
  erhofft. Gegenüber früheren Zeiten, wo man/frau kerzentragend auf 
  der Straße spazieren gegangen ist, erleben wir zurzeit das Aufkeimen einer 
  regen antirassistischen, antisexistischen und gegenüber dem Sozialabbau 
  kritischen Szene. Diese Entwicklung lässt wenig Spielraum für Einschränkungen. 
  Werden sie jetzt mittels Versuchen verharmlosender Deutung der Realität 
  gestoppt, so können wir ruhig behaupten, dass wir eine Chance für 
  die Demokratisierung der Gesellschaft verspielt haben. GESICHT ZEIGEN ist ZU 
  WENIG Vermutlich würde die Mehrheit der MigrantInnen - wenn man/frau den 
  Slogan "Gesicht zeigen, Stimme erheben" sowie die Forderungen mancher 
  Gruppen ernst nimmt und umsetzt - kaum eine Verbesserung ihrer gesellschaftlichen 
  Lage spüren. Die Aussichten für eine Zustimmung der politischen Parteien 
  stehen jetzt positiver als jemals zuvor. Umso weniger verständlich ist 
  es, warum nur kommunales Wahlrecht und nicht Wahlrecht im Allgemeinen oder auch 
  Legalisierung von Illegalisierten bzw. Abschaffung der rechtlichen Ausgrenzung 
  von "Fremden" gefordert werden sollte, warum denn nicht allen BewohnerInnen 
  Wiens auch das Recht zugestehen, zu BürgerInnen zu werden. Auch sie wollen 
  mitbestimmen, wer der Bürgermeister oder Staatspräsident sein soll. 
  Wir wollen das allgemeine Wahlrecht auf allen Ebenen und zwar Hier und Jetzt. 
  Wer dem nicht zustimmt und das auch fordert, will seine eigenen Privilegien 
  behalten. Jede andere Forderung bedeutet nur einen milden Weiterbestand des 
  bestehenden rassistischen Systems.
ANAR (Austrian Network Against Racism)
siehe auch:
>>WiderstandsChronologie-Eintrag vom 16. März 2001
>>Kritik, Kommentare, Diskussion zum 16. März 2001
| >> TATblatt-Inhaltsverzeichnis | 
©TATblatt, 2001
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