TATblatt


„Andersrum“ um den Ring
Die Regenbogen Parade gegen blau/schwarz

Am Samstag, den 17. 6. 2000 zieht die fünfte Regenbogen-Parade „andersrum“ über die Wiener Ringstraße. Angesichts der politischen Situation haben österreichische Lesben, Schwule und Transgender Personen einmal mehr Grund, auf die Straße zu gehen, damit ihnen nicht weggenommen wird, was sie sich in den letzten 30 Jahren mühsam erkämpft haben. Obligatorisch wird die Parade heuer mehr denn je als ein Fest der Lebensfreude, der Toleranz und der Offenheit zwischen allen Menschen verstanden.

vom Verein Christopher Street Day Wien (CSD)

Der CSD Wien

Der Verein Christopher Street Day Wien (CSD) hat sich zur Aufgabe gemacht, die Lebenswelten von Lesben und Schwulen sichtbar zu machen und veranstaltet aus diesem Grund alljährlich die Regenbogen-Parade auf der Wiener Ringstraße. Alle lesbisch/schwulen Vereine und Lokale nehmen an der Regenbogen-Parade teil und demonstrieren mit festlich geschmückten Sattelschleppern und großen Soundsystems, mit fantasievollen Kostümen und politischen Transparenten ihr Selbstbewusstsein. Wie schon letztes Jahr werden 80 Tausend TeilnehmerInnen erwartet.

Regenbogenfarben gegen Blau/Schwarz

„Lesben, Schwule und TransGender-Personen fühlen sich durch die momentane reaktionär/nationale Regierung bedroht. Die Regenbogen Parade muss dieses Jahr ein Teil der Widerstandsbewegung gegen diese Regierung und gegen das Klima des Hasses in diesem Land sein.“ sagt die Präsidentin des CSD-Vereins, Cornelia Lichtenegger. Jede Woche finden in der Bundeshauptstadt und auch in anderen Städten mehrere Demonstrationen statt und immer sind auch Regenbogenfahnen zu sehen. Der lesbischwule Block ist in der momentanen Widerstandsbewegung zu einer konstanten Einrichtung geworden. Bei der Großdemonstration in Wien am 19. Februar erschienen alle großen lesbischwulen Vereine und Organisationen und demonstrierten gemeinsam mit dreihunderttausend Menschen für ein „anderes Österreich“.

Die Route: „Andersrum“ um den Ring

Die Ringstraße ist die hübscheste und prächtigste Einbahnstraße Österreichs. Nur einmal im Jahr, zum Christopher Street Day, wird sie andersrum befahren. Treffpunkt ist der Schwedenplatz, gleich beim Morzinplatz, an dem in der Nazizeit das Gestapo-Hauptquartier stand, in dem auch viele Schwule und Lesben gefoltert wurden und gefangen waren, bevor sie in Gefängnisse oder Konzentrationslager geschickt wurden. Die Demoroute verläuft entlang der touristischen Sehenswürdigkeiten Wiens: Ringturm, Börse, Votivkirche, Universität, Burgtheater, Rathaus, Parlament, Natur- und Kunsthistorisches Museum und die Hofburg. Die Wiener Regenbogen-Parade ist kein Karnevalszug, der Lesben, Schwule und Transgender-Personen zu ZuseherInnen macht. Am Straßenrand stehen ist nur der halbe Spaß. Viel mehr Vergnügen macht es, einmal bei dem Truck mit den House-Sounds mitzutanzen, und fünf Minuten später „Griechischer Wein“ mitzusingen, wenn gerade der Schnulzen-Truck vorbeidonnert. Mehrere kleine Showbühnen entlang der Parade werden die DemonstrantInnen künstlerisch oder politisch anfeuern, zu anregenden Diskussionen inspirieren, unterhalten und erfreuen.

Die Mauer des Schweigens (Der Moment der Stille bei der Regenbogen Parade 2000)

Der Moment der Stille erinnert an die Opfer von homophober Gewalt und von AIDS. Er ist fester Bestandteil der Wiener Regenbogen-Parade. In Zusammenarbeit mit der österreichischen HochschülerInnenschaft wurde für den diesjährigen Moment der Stille eine Aktion entwickelt, die auf einen wichtigen gesellschaftlichen Sachverhalt hinweist, der homophobe Gewalt fördert und die Verbreitung von AIDS unterstützt: Ignoranz und Verschweigen. Lesben, Schwule, Bisexuelle und TransGender-Personen sehen sich häufig einer gesellschaftlichen Mauer des Schweigens gegenüber, die ihr Leben mit Tabus belegt und sie darum als Außenseiter zu Opfern von Gewalt und Unkenntnis werden lässt. Diese gesellschaftliche Mauer des Schweigens gilt es einzureißen. Um 16.30 wird die Regenbogen Parade für eine Minute Stille wahren und der Opfer von homophober Gewalt und von AIDS gedenken. Die Zugspitze wird zu diesem Zeitpunkt eine Mauer des Schweigens erreichen, die quer über die Ringstraße vor der Universität aufgebaut sein wird. Sie ist, um auf die politischen Ursachen des gesellschaftlichen Schweigens hinzuweisen, im Schwarz der bigotten Borniertheit und im Blau der rassistischen Demagogie gehalten. Nach der Schweigeminute wird der Truck des CSD Wien diese Mauer durchbrechen und zerstören. Nach diesem Durchbruch wird die Regenbogen Parade ihren Zug zur Schlusskundgebung am Äußeren Burgtor fortsetzen.

Der Regenbogen Markt und die Regenbogen Celebration

Auch für den Schlußpunkt der Parade ist ein historischer Ort gefunden worden: das HeldINNentor. (Durch das Äußere Burgtor (vulgo Heldentor) zog Adolf Hitler um sich von den Massen bejubeln zu lassen, Johannes Paul II hielt dort eine Messe ab, … aber am 19. Februar versammelten sich hier dreihunderttausend Menschen (so viele waren zu keiner der anderen Gelegenheiten anwesend), um gegen die blau/schwarze Regierung zu demonstrieren. Seitdem wird das Tor HeldINNentor genannt.) Der Regenbogen-Markt wird mit Gastronomie, Verkaufs- und Infoständen, einer Kinderhüpfburg, Beratungsangeboten, FeuerschluckerInnen u.s.w. den Platz mit Farbe und Leben erfüllen. Nach dem Eintreffen der Parade vor dem HeldINNentor beginnt die Regenbogen Celebration: Österreichische SpitzenpolitikerInnen der Nichtregierungsparteien und internationale StargästInnen aus Kunst und Popkultur werden dem Abend am Ring die nötige Festlichkeit verleihen, um unser schönstes und wichtigstes Fest im Jahr auch entsprechend ausklingen zu lassen.

Der Christopher Street Day

Am 27. Juni 1969 führte die New Yorker Polizei in der schwulen Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street eine brutale Polizeirazzia durch. Dies geschah damals regelmäßig. An diesem Tag geschah aber etwas völlig Unerwartetes: anstatt sich zu verstecken, anstatt einzeln zu flüchten, fanden sich immer mehr Lesben, Schwule und Transgender-Personen vor dem Lokal ein, kesselten die Polizei im Lokal ein und wehrten sich erstmals gegen die dauernde Diskriminierung und Belästigung. Diese Nacht gilt als Geburtsstunde der modernen Schwulen- und Lesbenbewegung. Ab diesem Tag konnte wieder ein eigenes Selbstverständnis aufgebaut werden. Seit diesem Zeitpunkt traten Lesben, Schwule und Transgender Personen selbst für ihre Rechte ein. Deshalb fungieren die Paraden zum Christopher Street Day als jährlich wiederkehrende, politische Höhepunkte der Lesben- und Schwulenbewegung, da an einem Tag einer großen (Medien-)Öffentlichkeit die Bedürfnisse und Forderungen von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen gezeigt werden.

Die Regenbogen Fahne

Der Regenbogen, das Symbol der Lesben- Schwulen- und TransGender-Bewegung, ist das Sinnbild für die vielfältigen Lebenswelten von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen.

mehr Infos beim Verein CSD: http://www.pride.at/


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