TATblatt


Opfer rassistischer Polizeigewalt zu 8 Monaten bedingt verurteilt

"Sehen wir davon ab, daß das Polizisten waren und er Schwarzafrikaner..."
(Vorsitzender des Gerichts Leopold Feigl, 25.5.2000)

Prozessbericht der Ökologischen Linken

Am 25. Mai 2000 wurde R.A., der Anfang Juli 1999 in St. Pölten von 6 Polizeibeamten bedroht, beschimpft, brutal zusammengeschlagen, verletzt und festgenommen wurde (wir berichteten bereits über den Fall - siehe nochmals unten im Anhang die Schilderung der Frau von R.A.) vom Gericht unter dem Vorsitz von Leopold Feigl in letzter Instanz SCHULDIG gesprochen und zu 8 Monaten bedingter Haftstrafe (auf 3 Jahre) verurteilt. Alle Einwände der Verteidigerin (Rechstanwaltskanzlei Prader-Plaz), die gegen das erstgerichtliche Urteil in Berufung ging und für die Herabsetzung der Strafe von 8 auf 6 Monate plädierte, wurden von der Oberstaatsanwältin zurückgewiesen. (Argumentation: - die Nichtigkeitsberufung sei nicht standhaft; -es stimme nicht, daß die Zeugen des Angeklagten nicht wahrgenommen worden seien, deren Beschreibung der Vorkommnisse sei aber eingeschränkt, da sie teilweise zu spät zum Ort der Vorkommnisse kamen, teilweise ihre Sicht eingeschränkt gewesen sei (!); - und schlußendlich sei es eben so, und da stimmte der Gerichtsvorsitzende mit ihr überein, daß man laut Gesetz eine Amtshandlung über sich ergehen lassen muß OHNE Widerstand zu leisten - sprich: auch wenn 6 Polizisten auf ihn einprügelten, seinen Finger und den Fuß brachen, ihm Pfefferspray in den Mund bei zugehaltener Nase und umgekehrt sprühten, er darf sich nicht verteidigen.

Die sechs Polizisten die ihn, der am Boden lag, zusammenschlugen, seien allesamt verletzt worden: dafür gäbe es amtsärtztliche Gutachten. Der Richter dazu: "Das hat gar nichts damit zu tun daß Sie Schwarzafrikaner und die anderen Sechs Polizisten sind, Tatsache ist: Sie haben sie verletzt und das geht einfach nicht. Auf der ganzen Welt nicht, wohl auch nicht in Lagos."

Der Vorsitzende des Gerichts wies die Berufung zurück indem er zuerst den Angeklagten "dezent" auf den Tatbestand der "Verleumdung" hinwieß (siehe § 297 des Strafgesezbuches) - eine beliebte Einschüchterung gegen Menschen, die wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" in Berufung gehen.

Weiters behauptete er, daß es sich bei diesem Fall um etwas "Alltägliches" handle, was "auch Weißen (?) ständig passiert". Daß R.A. an jenem Tag bereits das zweite Mal vom selben Polizisten (!) kontrolliert und schikaniert wurde, und weiters auch den ganzen Ablauf der Geschehnisse, ignorierte der Richter komplett und penetrant während der gesamten Verhandlung.

Er fuhr fort: "Wir glauben Ihnen auch nicht, wenn Sie behaupten, die Polizei hätte per Funk Verstärkung angefordert, um sie zusammenzuschlagen." ... "Es liegen auch keine Formalfehler im Ersturteil vor." ... "Übrig bleibt der Widerstand gegen die Staatsgewalt - Sie haben sechs Personen verletzt und Sie verlangen jetzt von uns, Sie anders zu behandeln, weil Sie Schwarzafrikaner sind." ... "Bleibt weiters die Sachbeschädigung. Wir können Ihnen nicht glauben, daß Sie die Bodendecke in der Zelle versuchten herauszureißen, um sich zuzudecken. Hätten Sie in normalem Tonfall nach einer Decke gefragt, hätten Sie diese auch sicherlich bekommen." (R.A. wurden außer seiner Unterhose alle Kleidungsstücke weggenommen) ... "Sie werden somit in letzter Instanz wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigung verurteilt, wenn Sie Probleme mit dem Fremdengesetz bekommen, müssen Sie ein Gnadengesuch stellen, das ist aber nicht mehr unsere Angelegenheit." Die Verteidigerin hatte eine Herabsetzung der Strafe auf 6 Monate beantragt, da dem Verurteilten bei 8 Monaten nun die Erlassung des Aufenthaltsverbots droht und er somit abgeschoben werden kann. Auch wenn der Art.8 Abs.1 der Menschenrechtskonvention (MRK) besagt, daß das Eheleben geschützt sein muß, steht bereits im Abs. 2 die Ausnahme - bei Gefährdung der Ruhe, Ordnung oder Sicherheit...

R.A.  droht nun die Abschiebung. Die Kosten der Verhandlung hat er zu tragen. Er wird ein Verwaltungsverfahren am UVS St. Pölten einleiten. Der Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Es ist wichtig, daß bei diesem Termin, über den wir noch informieren werden, viele solidarische ZuseherInnen anwesend sind. Heute waren es entäuschend wenige. Die Presse schien der Fall überhaupt nicht zu interessieren.

Wir müssen uns gemeinsam gegen diese rassistischen Polizeiübergriffe engagieren, auf unterschiedlichste Art und Weise. Dieser Abschiebestaat muß von uns allen unter Druck gesetzt werden. Daß wir in der Minderheit sind, das mußte auch R.A.s Frau grausam miterleben, als sie den Mob sah, der sich gaffend und lachend rund um die Prügelorgie der 6 Polizisten scharte: NIEMAND griff ein, NIEMAND protestierte, ALLE waren sich einig - aber lest es selber:

SMASH AUSTRIA!!!
(Ökologische Linke)


Schilderung des Vorfalls vom Juli 1999 durch die Ehefrau von R.A.

Ich  kam von einer Bummelfahrt mit den Kindern zurück, das Familienauto stand vielleicht 30 oder 50 m von der Stelle entfernt, an der wir vom Bummelzug  ausstiegen.. Mein Mann und ich hatten uns geeinigt, daß ich ihn dann dort treffen werde. Es war der erste wirklich heiße Tag in diesem Sommer. Die Innenstadt war gedrängt mit sommerlichen Gestalten, die den ersten Ferientag genießen wollten. Meine drei Kinder waren bei mir, also mein weißer Sohn aus erster Ehe, mit seinen sieben  Jahren sowie meine zwei farbigen Kinder mit jeweils eineinhalb und einem halben Jahr. Während ich und die Kinder ausstiegen, konnten wir schon trotz des knatternden Traktors, der vor den Kinderzug gespannt war, die Stimme meines Mannes erkennen. Ich hörte , wie er laut aufschrie, als sei es voll Schmerzen, als wollte ihn jemand umbringen, als fürchte er um sein Leben. Ich eilte in die Richtung des vereinbarten Ortes, um meinem Mann nahe zu sein, was immer es war, es hörte sich schrecklich an. Im Laufschritt stellte ich mich kurz auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der zahlreichen Passanten hinwegzusehen und eventuell die Ursache des Treibens zu erkennen. Es bot sich mir ein Bild, das in mir den Stoff meiner dunkelsten Alpträume wachrief. Ich sah einige Polizisten, die anscheinend jemanden, der am Boden lag, mißhandelten, sie erschienen mir aufgeregt und in Aktion. Dazu kam noch das gequälte Wimmern und Schreien meines Mannes,der sich ganz offensichtlich  in der Position des "Niedergezwungenen" befand. Da ich von meinen schwarzafrikanischen Freunden gehört hatte, wie die Polizei mit ihnen umgeht, war mir sofort klar, daß etwas Furchtbares geschehen sein mußte. Ich schrie "Oh Gott, sie schlagen meinen Mann!" Mein Baby lag auf meinem Arm, mein ältester Sohn war auch bei mir, nur mein Mittlerer war noch weiter hinten, als ich den Schauplatz erreicht hatte. Ich wollte den anwesenden Polizeibeamten erklären, daß ich die Frau des Afrikaners sei, sie sollen mich mit ihm sprechen lassen, ich wolle ihn beruhigen. Als keiner der Beamten auch nur die geringste Notiz von mir nahm, begann ich zu schreien :"Hören Sie auf, meinen Mann zu schlagen, was hat der ihnen getan, lassen sie ihn in Ruhe....!" Ein Polizist, der neben mir stand meinte, ich solle mich ruhig verhalten. Andere hielten meinen Mann am Boden nieder, andere traten ihn in den Hüft-, Bauch- und Genitalbereich. Ich hörte meinen Mann    aufschreien : " Sie brechen mir den Schwanz!" Schaulustige fanden das sehr witzig, einige junge Männer hinter mir begannen sogar zu lachen. Ich schrie um Hilfe, ich kam mir vor wie in Beirut. Nun wollten einige Polizisten meinem Mann Handschellen anlegen und machten sich an seinen Händen zu schaffen, als andere ihm Pfefferspray in die Augen sprühten, aus einer sehr geringen Distanz, so daß ich sehen konnte, wie die Substanz  nur so von seinem Gesicht herunter lief. Das war vollkommen unnötig und ich empfand es als eine  reine Schikane.  Ich schrie weiter. Eine der umstehenden Passantinnen hatte meinen mittleren  Sohn herauf genommen. Dieser steckte sein Gesicht in ihr Haar und klammerte sich an ihr fest. Ich gab nun auch mein Baby einer anderen Schaulustigen. Unterdessen kniete ich bereits am Gehsteig und flehte und bettelte, die Polizisten sollen ihr grausames Werk  beenden . Einer der neben mir stand schüttelte bereits eine zweite Dose Pfefferspray auf und  fragte, ob ich nicht vielleicht endlich ruhig sein könnte. Auch mein ältester Sohn versuchte mit Bitten und Weinen die Polizisten gelinde zu stimmen, aber es nützte nichts. Plötzlich schrie mein Sohn :"Mama, jetzt habe ich auch das Gas eingeatmet !"

Unterdessen sprühten Polizisten meinem Mann das Gas in den Mund unter Zuhalten der Nase und in die Nase unter Zuhalten des Mundes. Ich konnte nicht mehr hinsehen. Es war mir unverständlich, wie Menschen so mit Menschen umgehen können.  Mein Mann  strampelte und versuchte sich hin und her zu drehen, um weitere Anwendungen des Pfeffersprays abzuwehren.  In dieser Situation mußte die Hand des einen Polizisten in den Mund meines Mannes geraten sein. Mein Mann biß reflexhaft zu. Ich fing plötzlich an zu husten und zu spucken, da ich ein Brennen in meinem Gesicht verspürte. Meine Aufmerksamkeit zog sich nun vom Geschehen ab. Ich brach psychisch zusammen. Es gab nichts, was ich nunmehr für ihn hätte tun können. Unter dem Auto, das meiner Mutter gehörte, erblickte ich einen Ring, der offenbar von der Hand meines Mannes gefallen war, in dem Raufhandel. Ich fragte mich, wie man einen Menschen schlagen muß, daß ihm sein Ring vom Finger fällt. Als ich aufschaute, sah ich nur noch, wie weitere Polizisten, die anders gekleidet waren, ankamen und man versuchte meinen Mann, der nun kaum noch stehen konnte und seine Augen nicht mehr zu öffnen vermochte, in einen Einsatzwagen zu werfen und ihm dort noch weiter zusetzte. Der Wagen rappelte noch eine Weile, bis er hinter einer Ecke verschwand. Andere Polizisten sammelten die Spraydosen und Verschlußkappen, sowie das Handy und die Armbanduhr meines Mannes und andere Gegenstände vom Trottoire ein.  Ein weiterer Polizist vertrieb die Zeugen und meinte, es gäbe nichts mehr zu sehen. Ich wollte meine Kinder einsammeln und ins Auto verfrachten und den Ort verlassen. Mein Mann war weg, grausam aus unserem Leben gerissen, von ein paar Ordnungshütern, die wahrscheinlich die Realität von Ausländer-Sein oder Im-Ausland-Leben noch nie selbst erfahren haben...  Als ich fortfahren wollte, hielt mich ein Polizist auf. Er wollte meinen Paß sehen. Als ich fragte "warum", sagte und notierte er "Frau verweigert alle Angaben". Da wehrte ich mich. Ich sagte "Ich habe keine Angaben verweigert, ich habe sie etwas gefragt, sie haben die Frage nicht beantwortet."   Ich zeigte ihm meinen Paß,  dann begann er mich einzuschüchtern, indem er sagte, daß mein Mann abgeschoben würde und ähnliches. Als ich meinte, ich wolle dem Anwalt Bescheid geben, mimte er den Besorgten, ich sei zu aufgeregt zum Fahren. Der der zuvor den Pfefferspray geschüttelt hatte, schloß sich ihm an und tat plötzlich recht gefühlvoll. Nun mußte ich die Luft anhalten, ich hätte mich sonst strafbar gemacht. In mir kochte und brodelte es vor Haß und Zorn. Ich fuhr jedoch davon, ohne mich um die Beamten weiter zu kümmern.  Mein mittlerer Sohn sagte unentwegt  "Polizei, Polizei!" und mein ältester Sohn weinte.  Ich war leer, ich hatte mir die Seele aus dem Leibe geschrien und mein Gesicht brannte, da auch ich etwas  von dem Pfefferspray abbekommen hatte.  Da ich noch stillte, schied ich den Pfeffer durch meine Brust aus, die jetzt auch stark zu brennen begann. Am Weg zum Anwalt hatte ich noch keine Ahnung, welche Dimension dieser Fall für mich und meine Familie haben wird, noch wußte ich daß der Fall innenpolitische Kreise ziehen wird. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich von Politik völlig unbelastet und konnte nicht ermessen, von wo diese Aktionen kamen und wohin sie führten. Ich dachte auch nicht daran, daß es nicht eine Geschichte von Stunden oder Tagen sein werde, sondern eine unendliche Geschichte. Beim Anwalt angekommen parkte ich das Auto unter einem Fliederbusch und übertrug meinem  ältesten Sohn die Aufgabe, auf seine Geschwister aufzupassen, während ich den Anwalt aufsuchte. Da es ein Samstag war, versuchte ich es nicht in seinem Büro, sondern in seiner Privatvilla. Nun ist er ein Anwalt, der es überhaupt erst möglich gemacht hat, daß es in St. Pölten Schwarze gibt, da er in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche die Aufnahme von nigerianischen Flüchtlingen  in St. Pölten initiierte. Mein Mann und ich schulden ihm Dank, da er die behördlichen Angelegenheiten meines Mannes und vieler unserer Freunde immer gratis erledigte.   Nun läutete ich und wurde vorgelassen, da ich zu einem seiner afrikanischen Pflegekinder sagte, der R. sei verhaftet worden. Dr. Krömer befand sich noch in seinem Mittagsschlaf. Ich wartete im Stiegenhaus. Es dauerte keine 10 Minuten, bis er etwas zerknittert erschien. Ich schilderte Ihm ganz aufgeregt  den Hergang. Er meinte, warum ich nicht fordernd darauf hingewiesen hätte, daß ich eine österreichische Staatsbürgerin bin, daß R. mein Mann ist, und daß er über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel verfügt.  Ich antwortete darauf, ich hätte mich sogar auf die Knie geworfen, es hätte mir aber keiner zuhören wollen. Dann meinte Dr. Krömer, er werde die Identität von R. beweisen, dann müßten sie ihn gehen lassen. Das bezweifelte ich, ich erwiderte, er hätte einen Polizisten gebissen.  Dr. Krömer schien verwundert, er stieg in das Auto ein, ich fuhr ihn zu seinem Büro und dann zur Bundespolizeidirektion in St. Pölten.

Dort schaffte er mir an, im Auto auf ihn zu warten, es sei nicht gut, wenn ich dort erscheine, meinte er.  Ich wartete also mit den Kindern im Auto, stillte mein Baby, das den Pfeffer aus meiner Brust trank und zu heulen begann. Darauf sprach ich mit meinem siebenjährigen Sohn Patrick über das Geschehene und machte ihm Hoffnung darauf, daß der Rechtsanwalt sicher alles regeln werde und wir bräuchten uns keine  Sorgen zu machen. Ich versprach den Kindern, alles in meiner Macht stehende zu veranlassen,  um unseren Familienvater aus der Misere herauszuholen. Das Warten auf den Anwalt dauerte ewig.  Mein  mittlerer Sohn Sheireef sagte immer  wieder" Polizei , Polizei, tatü , tata..."

Ich setzte mein Baby Aziz , das sich nun wieder beruhigt hatte, auf  den Babysitz zurück, als ich den Anwalt von der Bundespolizeidirektion kommen sah. Er war in Begleitung vom Amtsarzt Dr. Grabo. Beide Herren näherten sich meinem Auto. Der Amtsarzt beugte sich zu mir herunter und fragte mich durch das offene  Fenster, ob mein Ehemann Aids hätte. Ich empfand diese Frage für eine bodenlose Frechheit. Sollte er Aids haben, nur weil er farbig ist? Ich hatte erst ein  halbes Jahr zuvor sein letztes Kind geboren und die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen  ergaben keinen Hinweis auf irgendeine Krankheit. Wenn ich nicht Aids habe, warum sollte er es haben. Ich antwortete dem Amtsarzt entrüstet , er könne davon ausgehen, daß R. kein Aids hat. Ich war erbost über diese Frage, also erklärte mir der Amtsarzt, daß bei allen Bißwunden vom Beißer und Gebissenen ein Aidstest gemacht werden müsse. Ich fragte den Anwalt, ob ich ihn noch wo hinbringen sollte, doch er lehnte ab. Er meinte er wäre sogar für einen Österreicher normal  verhaftet zu werden, wenn er sich so aufführt, wie es der R. getan hatte. R. hätte sich beharrlich geweigert, sich auszuweisen, dann hätte sich herausgestellt, daß er keinen Paß bei sich trug. Mein Kopf  fing an zu pulsieren, als ich mit den Kindern nach Hause fuhr.  Ich verstand das ganze nicht. R. trug doch  immer seinen Paß bei sich, er hatte sich noch nie gegenüber  Polizisten verdächtig gemacht oder sich sogar aggressiv oderunangemessen  benommen.  Er war damals schon über fünf Jahre in Österreich, und es war nie etwas derartiges  geschehen. Ich verstand es nicht. Mein Mann würde so etwas nie tun. Er ist doch so ein feiner Mensch, er ist doch so beherrscht und  mental stark.

Zu Hause angekommen, nahm ich die zwei Kleineren aus dem Auto, den ganz Kleinen hob ich mitsamt seinem Sitz  aus dem Auto  und sah unter dem Sitz den Reisepaß meines Mannes und seinen Schlüsselbund liegen.  In dem Moment begann ich erst zu verstehen, was genau vorgefallen war. Mein Mann hatte eine Paßkontrolle, sein Paß war im Auto vergessen, sowie die Schlüssel wohl versehentlich eingesperrt worden. Vor ich die Bummelfahrt mit den Kindern antrat, erhielt   mein Mann einen Anruf von einem Freund und ich konnte nicht mehr mit ihm abgleichen , ob er auch einen Schlüssel für das Auto eingesteckt hat.  Der  Polizist, der  meinen Mann kontrolliert hatte, glaubte meinem Mann  vermutlich nicht, daß er zu dem Auto mit dem Lienzer Kennzeichen gehörte.  Doch hatte mein Mann die Kinderwägen bei sich, deshalb ist es für mich  nicht schlüssig, warum der Polizist nicht auf mich warten wollte. Ich wartete und wartete zu Hause. Ich tat alle meine normalen Dinge, wie bügeln, kochen, waschen, putzen, die Kinder versorgen..... Ich wartete bis spät in die Nacht und hoffte immer noch, daß die Türe aufgehen würde und mein  Mann plötzlich vor mir steht. Ich beruhigte mich nicht, ich fühlte mich, als wäre ich eine Figur aus einem Kriegstagebuch .  Was ich an diesem Nachmittag erlebt hatte, ähnelt eher einem Kriegsbericht, als einer Geschichte vom  beschaulichen Familienausflug.   Ich dachte die ganze Nacht nur nach. Ich dachte, wie es ihm wohl ginge, ich fragte mich, wann er wieder kommt, ich überlegte, was ich tun könnte.  Es kamen mir nur zwei sehr starke Affirmativen  in den Sinn:  1.) Ich will sterben ohne meinen Mann, 2.) So nicht, nicht mit mir!  Je mehr ich über das Geschehene reflektierte, desto mehr Ungereimtheiten ergaben sich.  Ich schlief nicht, aber ich weinte auch nicht. ich konnte nicht weinen. Die österreichische Polizei hatte zugeschlagen und zerstörte meine Familie. Ich wollte keinesfalls nur zusehen.   Nie zuvor hatte ich geglaubt, daß mir so etwas passieren könnte. Ich hatte immer an die Integrität der Polizei geglaubt.  Ich hatte an Österreich geglaubt.  Ich war überdreht,  schlief die ganze Nacht nicht und ich wußte, daß auch R. nicht schlief.

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