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Böses Ausland

Diplomatische Misstöne, abgebrochene Beziehungen, Tourismusboykott, internationale Quarantäne - seit die EU (genauer gesagt die EU ohne Österreich) Maßnahmen gegen die Schwarzblaue Koalition setzte, ist Österreich international kein weisser Fleck auf der Landkarte mehr (eher schon ein brauner...). Die Proteste gegen das "kleine Alpenland" finden allerdings schon lange nicht nur auf Regierungsebene statt.
 

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Schon in den ersten Tagen kam es zu spontanen Demonstrationen und Kundgebungen in ganz Europa und in weiterer Folge auf der ganzen Welt. Wir berichteten bereits in TATblatt 131 kurz von einer Fahnenverbrennung vor dem österreichischen Fremdenverkehrsamt in Amsterdam am 1. Februar. Seitdem verging kaum ein Tag ohne Proteste gegen Schwarblau, und zwar nicht nur in Österreich. Die folgende Chronologie bietet natürlich keinen vollständigen Überblick, aber sie zeigt hoffentlich trotzdem, dass WIR nicht alleine sind in dieser bösen Welt.

Schon vor der Angelobung, vor allem aber in den Tagen danach, als auch die österreichischen Proteste ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hatten, gingen DemonstrantInnen in mehreren Städten Europas auf die Straße:
 
 

Warschau
 
 

Bereits am 2. Februar fand eine Demonstration vor der Österreichischen Botschaft in Warschau statt. Organisiert wurde sie von der "Anti-Nazi-Group GAN", der Jugendorganisation der Polnischen SozialistInnen und der ArbeiterInnendemokratie. Die meist jugendlichen Protestierenden verteilten Flugblätter und schrieen sich ihre Empörung aus dem Bauch. Erfolg: Den Protesten wurde in Fernsehen und Presse breiter Raum gegeben. Ein Vertreter der DemonstrantInnen wurde zu einer Live-Diskussion ins Polnische Radio 1 eingeladen.
 
 

Dublin
 
 

Der Protest in Irland war erst 24 Stunden vorher von der Antifaschistischen Aktion ausgerufen worden, brachte aber trotzdem über 80 AktivistInnen von Gruppen eines breiten antifaschistischen und antirassistischen Spektrums auf die Strasse. Ein Sprecher warnte, dass der Eintritt der FPÖ in die Regierung FaschistInnen weltweit einen massiven Aufschwung geben könnte.
 
 

Paris
 
 

Etwa 2.000 Personen haben sich Sonntag (6.2.) Nachmittag vor der österreichischen Botschaft in Paris versammelt, um gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ zu protestieren. Die von den französischen JungsozialistInnen organisierte Demonstration, an der auch der ehemalige Kulturminister Jack Lang teilnahm, wurde von den KommunistInnen (PCF) sowie von zahlreichen StudentInnenvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen wie der Union der jüdischen StudentInnen in Frankreich und dem Anti-Rassismusverband mitgetragen. Es waren auch zahlreiche AuslandsösterreicherInnen anwesend, vor allem KünstlerInnen und AkademikerInnen.

Die DemonstrantInnen, die auf ihren Mänteln Aufkleber mit der Aufschrift "Anti-Haider" und einem Judenstern trugen, hielten zahlreiche Spruchbänder hoch, auf denen unter anderem "Ja zur antifaschistischen Einmischung in Europa" oder "Nein zur Allianz der Schande" zu lesen war. Die AuslandsösterreicherInnen versammelten sich unter einem Plakat mit der deutschen Aufschrift "Wir sind alle österreichische Antifaschisten: Widerstand".

Die Jungsozialisten bekräftigten ihre Absicht, eine europaweite Widerstandsbewegung aufzubauen, "um eine Rückkehr der faschistischen Kräfte in Österreich, Frankreich oder in anderen EU-Ländern zu verhindern". In diesem Sinne riefen sie, begleitet vom Slogan "Haider - Hitler: der selbe Kampf" für den 19. Februar zu einer neuerlichen Protestkundgebung vor der österreichischen Botschaft auf.

Am Rande der Kundgebung protestierten einige DemonstrantInnen auch gegen die Freilassung des ehemaligen chilenischen Diktators Augusto Pinochet. "Europa befreit Pinochet, ein Erbe Hitlers übernimmt die Macht in Österreich", war auf einem großen Spruchband zu lesen.
 
 

Oslo
 
 

Starke Polizeikräfte mussten am 5.2. die österreichische Botschaft in Norwegen schützen, vor der einige Hundert DemonstrantInnen mit "Stoppt Haider" Schilder protestierten.
 
 

Berlin
 

"Er war vielleicht kein besonders willkommener, dafür aber ein von der Polizei gründlich beschützter Gast - Der Auftritt des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider bei Erich Böhmes 'Talk in Berlin' wurde am Sonntagnachmittag im Hotel Interconti mit Hundertschaften erfolgreich abgeschirmt. Zu Ausschreitungen kam es aber hinter den Absperrungen rund um den Bahnhof Zoo", berichtet eine Berliner Zeitung über Haiders TV-Auftritt beim Sender n-tv.

Rund fünfhundert DemonstrantInnen sollen sich nach diesem Bericht vor dem Haupteingang des Hotels eingefunden haben. Die live-Ausstrahlung der Sendung war wegen Sicherheitsbedenken abgesagt worden, eine Aufzeichnung war für den Nachmittag anberaumt. Mehr wussten auch die geladenen Gäste nicht. Der Zeitpunkt von Haiders Erscheinen wurde geheim gehalten. Unter den Gästen befanden sich illustre Gestalten wie Torsten Witt vom rechten "Bund freier Bürger", der nationalliberale Rechtsanwalt Markus Roscher und der Vorsitzende der Jungen Union, Kai Wegner.

Vor dem Hotel wurden derweil Parolen skandiert und versucht ein Absperrgitter zu überwinden. Flaschen und Steine sollen geworfen worden sein. "Im Laufe der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Vermummten gingen dann unter anderem im Europa-Center und bei 'Beate Uhse' Scheiben zu Bruch."
 
 

Malmö
 
 

Unbekannte haben in der Nacht auf Sonntag, den 6.2. gegen 4.00 Uhr einen Brandanschlag auf das österreichische Konsulat in der südschwedischen Stadt Malmö verübt. Eine oder zwei Personen schlugen mehrere Fenster zu den Büroräumen ein und legten dort ein Feuer. Das Feuer löste einen Alarm aus und wurde von herbeigeeilten Wachleuten schnell gelöscht. Es richtete zwar nur geringen Sachschaden an, die Aufschriften der besprühten Hausfassade gingen allerdings um die Welt: ein Hakenkreuz, sowie einer Parole gegen FPÖ-Chef Jörg Haider: "Fuck Haideri"

Schon zuvor waren Schmähbriefe und Protestanrufe an die Botschaft gegangen: "Wehret den Anfängen" oder "Hitler kam auch durch eine Wahl an die Macht" zitierte der österreichische Botschafter.
 
 

Kiel
 
 

An einer Kundgebung am 11.02. in Kiel vor dem österreichischen Konsulat beteiligten sich ca.150 Menschen. Es sprach ein Redner von Linksruck (Schwesterorganisation von Linkswende in Österreich) und eine Rednerin der V.V.N. (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes). Zu der Kundgebung aufgerufen hatten neben Linksruck und V.V.N. die Falken - Sozialistische Jugend Deutschlands, autonome Gruppen und die SAV.

Nach der Kundgebung veranstalteten sie eine kurze, aber laute und kämpferische Spontandemo zum Kieler Rathausplatz: WIDERSTAND AUSWEITEN!!!
 
 

Kopenhagen
 
 

Eine der bislang letzten Aktionen liegt zu Redaktionsschluss noch ziemlich im Dunkeln. Das BekennerInnenschreiben dürfte authentisch sein. Es erhellt die Aktion zwar nicht sehr, aber an den Beweggründen besteht kein Zweifel.
 

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Folgendes Schreiben fand über das Internet Verbreitung:

10. Februar:
Österreichisches Konsulat in Odense, Dänemark besetzt

Heute haben Fünische AntifaschistInnen das österreichische Konsulat besetzt, um gegen die Regierung mit der konservativen Partei und der [...] FPÖ zu protestieren. Wir finden dass jeder Mensch gegen die Rechtsradikalisierung reagieren muss, die wir heute in ganz Europa sehen.
Dass eine Partei demokratisch gewählt ist, soll kein Mensch am die menschfeindlichen Verhalten zu bekämpfen hindern. Stellen sie sich vor, was vermeiden sein konnte, wenn Hitler mehr Widerstand gekriegt hätte da er in 1933 demokratisch gewählt worden!
Der Druck aus dem Ausland hat bewirkt, dass Jörg Haider seine Hände sich gewaschen hat. Ihre Politik baut aber immer noch auf der Anbetung des Sündenbockes.
Diese politische Methode haben wir früher gesehen, es wird Faschismus genannt. Alle besondere Art von AusländerInnenhass und Faschismus, demokratisch oder nicht, muss bekämpft werden, in Östereich, Dänemark, Europa, in der ganze Welt!

Viel Grüss
Fynske Antifascister

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In letzter Zeit mehren sich auch Protestberichte aus dem sogenannten außereuropäischen Ausland:
 
 

Sydney und Melbourne
 
 

Gegen die neue österreichische Bundesregierung unter Einschluss der Freiheitlichen Partei Jörg Haiders haben am Sonntag, dem 13. 2. in den beiden größten Städten Australiens mehrere Hundert Menschen protestiert. Vor dem österreichischen Konsulat in Sydney versammelten sich etwa 150 DemonstrantInnen, unter ihnen mehrere Holocaust-Überlebende. Die Protestierenden verlangten von der australischen Regierung, den österreichischen Generalkonsul des Landes zu verweisen.

Gut 100 DemonstrantInnen in Melbourne forderten, die Entsendung des neuen australischen Botschafters nach Österreich auszusetzen. Sie trugen Plakate, auf denen in Anspielung auf Haiders vermeintliche Hitler-Nähe stand: "Ihm fehlt nur ein kleiner Schnurrbart."
 
 

Perth und Canberra
 
 

Hunderte Menschen haben auch in Perth und in der australischen Bundeshauptstadt Canberra gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ in Wien demonstriert und vor einem drohenden "Vierten Reich" gewarnt. Die Kundgebungsteilnehmer forderten den Abzug des australischen Botschaftspersonals aus Österreich.
 
 

Damit noch lange nicht genug!
 
 

Aufrufe für Demonstrationen gibt es weltweit vor allem für den 19. Februar. Aus ganz Europa werden TeilnehmerInnen zur Demonstration in Wien erwartet. Falls sich jemand jedoch gerade nicht in Österreich aufhält, hier ein kleiner Ausschnitt, wo's sonst abgeht:

D:
Hamburg 15 Uhr

GB:
London, Edinburgh, Birmingham, Newcastle 4/6pm

NL:
Amsterdam

B:
Brüssel 20.2.(!), 15:30

US:
New York City, 11 Uhr

F:
Paris 15 Uhr

Weitere Termine findet ihr laufend auf der "Gegenschwarzblau"-Website
 
 

Anhang
 
 

Nicht verschwiegen werden soll, dass es natürlich auch Kundgebungen gab, die die Schwarzblauen unterstützten. Kommentar erübrigt sich:

Anhänger der rechtsextremen, (formals) faschistischen MSI bezeugten ihre Sympathien zu Haider vor der österreichischen Botschaft in Rom, Le Pen vollzog einen Freudentanz vor laufenden Kameras, die Ungarischen Rechtsradikalen marschierten.



mehr zum Widerstand gegen die österreichische Rechts-Rechtsextrem-Koalition
sowie weitere Beiträge zu Rassismus in Österreich und diverse andere Artikel aus aktuellen und älteren TATblatt-Ausgaben siehe Inhaltsübersicht auf der
TATblatt-Homepage.
 

täglich aktualisiert:



aus: TATblatt nr. +133  (4/2000) vom 17. februar 2000
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