TATblatt


Gewaltlosigkeit oder Legalismus?

von: Ökologische Linke (ÖKOLI) und Rosa Antifa Wien (RAW)

Der teilweise falschen und manipulativen Darstellung der Ereignisse der letzten Tage  insbesondere der Auseinandersetzungen vom Freitag, den 4. 2 - in den österreichischen Medien, scheinen nun auch einige GegnerInnen des neuen Regimes aufgesessen zu sein.

Dabei waren die Informationen der Medien so falsch, daß sich die Kronenzeitung sogar erlauben konnte am 5. 2. von einem Sprengsatz als einer mit Trockeneis gefüllten Flasche zu schreiben, während die meisten Medien wenigstens nur das Märchen vom Sprengsatz weitererzählten, ohne gleich im selben Satz die Unwahrheit der eigenen Behauptung unter Beweis zu stellen

Tatsache ist, daß Österreich seit dem 4. Februar von einer Koalition regiert wird, in der eine rechtsextreme Partei (Rechtsextremismusdefininition nach HOLZER, Willibald: in Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands: Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus, Wien, 1993) das Sagen hat, betreibt. Daß gegen diese Regierung Widerstand geleistet wird ist gut, richtig und wichtig. Dieser Widerstand muß angesichts der massiven strukturellen und staatlichen Gewalt, die vom neuen Regime ausgeht, kräftig, kreativ, entschieden und bunt sein. In einem solchen Widerstand müssen verschiedene Aktionsformen Platz haben.

Was gemeinhin so als Gewalt bezeichnet wird, ging bei den Demonstrationen vom Freitag jedoch kaum von den DemonstrantInnen aus. Überall dort, wo die Polizei nicht präsent war bzw. die DemonstrationsteilnehmerInnen nicht provoziert oder attackiert wurden, kam es zu keinerlei Ausschreitungen. Diese eskalierten erst lange nachdem die Polizei bei der völlig friedlichen, zeitweiligen Besetzung des Sozialministeriums Prügelexzesse an wehrlosen DemonstrantInnen veranstaltet hatte. Erst nach diesen ersten Prügeln wurden dort Polizeibeamte mit allem möglichen beworfen, das sich in der Nähe befand.

Die abendlichen Auseinandersetzungen waren wohl auch eine Folge dieser Polizeiprügel des Nachmittags. Wie seit Tagen üblich, versuchte die Polizei erneut die DemonstrantInnen von der Zentrale der FPÖ in der Kärntnerstraße fernzuhalten. Dabei wehrten sich viele DemonstrantInnen gegen die massiv eingesetzte Staatsgewalt, wobei auch Wurfgeschosse gegen die PolizistInnen und deren Autos flogen. Die Polizei reagierte mit dem ersten Wasserwerfereinsatz seit 10 Jahren und knüppelte auf alles, was nach DemonstrantIn aussah. Dabei wurden v.a. auch am Boden sitzende, völlig wehrlose DemonstrantInnen exzessiv verprügelt. Eine Reihe von verletzten DemonstrantInnen mußte ins Spital gebracht werden. Eine noch nicht feststehende Zahl von DemonstrantInnen wurde verhaftet.

Diesen Prügelorgien der Polizei folgten jedoch keine verbalen Angriffe auf die Polizei, sondern Distanzierungen von und Diffamierungen der DemonstrantInnen. Von eingeschleusten Chaoten und Berufsdemonstranten aus Deutschland war hier im ORF und einigen Tageszeitungen die Rede. SOS-Mitmensch-Sprecher Max Koch distanzierte sich nicht nur von der Demonstration, sondern meinte im ORF-Mittagsjournal auch noch, daß Polizeieinsätze gegen solche DemonstrantInnen gerechtfertigt wären und auf der Demo vom 19. 2. ein eigens engagierter Ordnerdienst gegen gewaltbereite Demonstranten vorgehen werde. SOS-Mitmensch will also eigene DemopolizistInnen aufstellen, die der staatlichen Polizei in die Hände arbeiten sollen.

Die Propaganda gegen gewaltbereite Chaoten ermöglichte es schließlich auch auf der völlig gewaltlos verlaufenden Demonstration am folgenden Tag, noch einmal exzessiv auf die DemonstrantInnen einzuprügeln. Obwohl SOS-Mitmensch ihre offizielle Demo absagte, demonstrierten wiederum rund 10.000 DemonstrantInnen spontan und unangemeldet durch Wien, darunter wieder viele Jugendliche und Gewaltfreie. Die zahlreichen Transparente der Gewaltlosen schrieben Sprüche wie z.B. Frieden und Menschenrechte kann man mit Gewalt nicht erkämpfen!, Gegen DemonstrantInnen, die Eier werfen wollten, oder mit Sprays Sprüche an die Mauern des Parlaments oder des Bundeskanzleramtes malen wollten, gingen sie verbal aber auch handgreiflich vor. Ein Mädchen, daß vor einer ganzen Reihe schwerstbewaffneter Polizisten stand und ihnen ihre Wut ins Gesicht schrie, zerrten die Gewaltlosen buchstäblich weg. Einige Gewaltfreie stellten sich zudem schützend vor die Polizei und betätigten sich somit auch als Polizeihilfstruppe. Widerstand ja, Gewalt nein! konnte frau dann auf deren Transparenten weiters lesen.

Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt scheinen solche Gruppierungen nie geführt zu haben, da sie strukturelle Gewalt und Staatsgewalt nicht hinterfragen. Wenn etwa DemonstrantInnen PolizistInnen ihre Knüppel entwenden oder entreissen  wie dies am Freitag vorgekommen ist, so ist dies zwar illegal, aber trotzdem wohl weit eher eine Entwaffnung eines (staatlichen) Gewalttäters.

Wenn diese Sorte von Gewaltfreien dann auch noch gegen AktivistInnen vorgehen, die Parolen gegen die FPÖVP-Regierung an Wände sprühen, zeigt sich endgültig, daß es ihnen in ihrer Gewaltdebatte eigentlich gar nicht um Gewalt geht, sondern um Legalismus. Was für solche Personen und Organisationen legal ist, ist für sie gewaltfrei, was illegal ist, ist Gewalt.

Mit einer solchen Gleichsetzung wird  bewußt oder unbewußt - eine Vermischung von Begrifflichkeiten herbeigeführt, die unhinterfragt Kriterien der bürgerlichen Medien übernimmt. Wer dafür ist, nur legale Methoden im Kampf gegen den Rechtsextremismus an der Macht anzuwenden, sollte hingegen dies auch genau so deklarieren, und sich nicht hinter dem moralisierenden Begriff der Gewaltlosigkeit verstecken.

Wer nämlich wirklich gegen Gewalt ist, muß auch strukturelle Gewalt und muß schließlich auch die Staatsgewalt bekämpfen  genau jene Staatsgewalt, die seit Tagen jene Menschen verprügelt, die ihren Widerstand gegen das neue Regime auf die Straße tragen.



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aus: TATblatt nr. +132  (3/2000) vom 10. februar 2000
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