Presseerklärung

Einen schönen und guten Tag!

Bremen, den 25.11.96


Der Anlaß dieser Presseerklärung ist mein Wiederauftauchen, wie ja schon in verschiedenen Beiträgen erwähnt wurde!

Ich werde beschuldigt an der linksradikalen Zeitung 'radikal' mitgewirkt zu haben. Außerdem gab es gegen mich ein Ermittlungsverfahren, wegen Mitgliedgliedschaft in den Antiimperialistischen Zellen (AIZ), mit dem konkreten Tatvorwurf beteiligt gewesen zu sein an dem mißglückten Anschlag auf das FDP-Büro in Bremen. Dieses Verfahren wurde aber vor kurzem eingestellt.

Hier will ich nochmal in Erinnerung rufen, daß die Bundesanwaltschaft und ihre ausführenden Behörden von Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt bis zur Bereitschaftspolizei am 13.6.95 2000 Beamte eingesetzt hat, um sieben mutmaßliche Redakteure der 'radikal' festzunehmen, von denen sie nur vier vorgefunden haben. Diese Vier wurden eingeknastet, wohingegen die drei weiteren abtauchen konnten.

Das Medienspektakel der Bundesanwaltschaft (BAW): Antimperialistische Zellen (AIZ), das Komitee, die RAF und eben die linksradikale Zeitung 'radikal' zu einer Terrorzentrale zu verschmelzen, blieb unhinterfragt. Unterschiede zwischen der verdeckt arbeitenden Zeitung und den anderen linksradikalen Gruppen wurden nicht wahrgenommen oder gemacht. Die Behörden und auch die Medien nahmen es wohl all zu wörtlich mit der Parole: Worte als Waffen.

Eins läßt sich zum jetzigen Zeitpunkt schon sagen: Die Konstruktion von der 'Terrorzentrale' wurde so nicht aufrechterhalten, Ermittlungsverfahren sind teilweise eingestellt worden. Öffentlich fand dies keinen Ausdruck!


Obwohl schon in vorherigen Beiträgen auf die 'radikal' und ihre Inhalte eingegangen wurde, möchte ich kurz noch anmerken; die 'radikal' ist eine überregional erscheinende und verdeckt organisierte Zeitung. Sie dient der freien Entfaltung von Gegen-information und in ihr finden Diskussionen nicht mit 'Schere im Kopf' statt. Dort können ohne Angst vor möglicher Repression durch die Gesinnungsparagraphen 129 und 129a Artikel publiziert werden. Nebeneinander stehen Militanzdebatten, Anschlags-erklärungen, sowie Beiträge über Rassismus, Sexismus, Imperialismus und aber auch Berichte über die Entwicklung des kurdischen Befreiungskampfs. Ebenso die Geschichte emanzipatorischer Bewegungen, in der Rubrik 'Gegen Das Vergessen', wird zur Diskussion gestellt. Die Tatsache, daß es immer noch Widerstandsaktionen gegen Rechtsextremsten und Faschisten gibt, wie zum Beispiel die Aktionen gegen die 'Junge Freiheit' belegen, wird in der 'radikal' dokumentiert. Diese Mischung der verschiedenen Ansätze linksradikaler Politik macht gerade den Wert der 'radi' aus.


Nun zurück zu meiner Geschichte. Seit ca. 1 1/2 Jahren war ich abgetaucht. In dieser Zeit führte ich ein ganz normales Leben in den Niederlanden. Ich habe gearbeitet, Sport getrieben, mich vergnügt, Freunde gefunden und vieles andere mehr. Ich war überzeugt, daß ich die Zeit in Holland sinnvoller nutzen kann als mich mit den hiesigen Behörden auseinanderzusetzen. Dies ist mir gut gelungen! Hier will ich mich auch noch mal ausdrücklich bedanken für die Solidarität, die mir in den Niederlanden entgegengebracht wurde, und auch natürlich dafür, daß ich aus Deutschland soviel Unterstützung bekam.

Aber zurück nach Holland, die gesellschaftliche Atmosphäre in den Niederlanden unterscheidet sich im großen und ganzen nicht von der in Deutschland. Dennoch werden ähnliche Kriminalisierungssversuche in den Niederlanden von der Öffentlichkeit anders wahrgenommen. Das Abdrucken einer Erklärung von der Earth Liberation Front (ELF) in der Ravage (holländische linke Zeitung), im Zusammenhang mit einem Anschlag auf ein Bürogebäude der BASF in Arnheim, wurde dazu genutzt die Büroräume der obengenannten Zeitung zu durchsuchen. Dabei fand die Polizei die Anschlagserklärung nicht, nahm aber Adressenbestände, Computer u. a. mit. Überrascht wurden die Ermittlungsbehörden von den Reaktionen in der holländischen Öffentlichkeit, die sich nach der Durchsuchung zeigten. So waren in allen Tageszeitungen (außer in der Telegraph, vergleichbar mit der Bildzeitung) Meldungen und Kommentare, die sich gegen diese Aktion aussprachen. In diesen Artikeln fanden sich auch die Forderungen der 'Ravage' wieder, die Adressenbestände, die beschlagnahmten Computer und andere Redaktionsunterlagen zurückgegeben, was dann auch nach einigen Wochen erfolgte. Im Nachhinein wurde richterlich verboten, daß die ermittelnden Behörden die Adressenbestände weiterhin aufbewahren.


Wenn mensch sich hingegen die Situation in Deutschland vor Augen führt, haben sich die Verhältnisse mehr und mehr verschärft. 1984, das Jahr in dem die 'radikal' zum ersten Mal massiv kriminalisiert wurde, gab es noch Empörung in der Öffentlichkeit, die Berichterstattungen fand zumindest noch statt und Parteien, wie die Grünen boten noch Sitze im Europaparlament an. Seitdem sind Durchsuchungen von Medien an der Tagesordnung, wie z. B. bei der Jungen Welt, oder letztlich in Bremen bei der TAZ, dem Weser-Kurier, dem Weserreport und der Fernsehredaktion buten und binnen. Die Berichterstattung hat sich darauf reduziert zu reagieren, wenn Blätter oder Zeitungen selber betroffen sind.


Trotz allem habe ich mich nun entschlossen, wieder nach Bremen zurückzukehren. Der jetzige Zeitpunkt ist durch mehrere Gründe bestimmt worden. Ein Grund war die Einstellung des AIZ-Verfahrens, welches die ganze Zeit im Raum stand. Ein anderer ist, daß ich mich an dem Prozeß beteiligen will und dieser durch die Abgabe des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf auch greifbarer geworden ist. Hinzu kommt noch, daß ich vor der Entscheidung stand, entweder meine Brücken zu Deutschland allmählich abzubrechen oder weiter in Holland zu leben. Ich habe mich in der Phase für das Zurückgehen entschieden.

Jetzt hoffe ich natürlich, daß ich mich bald wieder einleben kann und nicht erst noch für eine ungewisse Zeit in den Knast muß.


Für eine vielfältige und emanzipatorische Presse!